Fabian Lichters Economy Class
Anlage, Anlage, Anlage
Man muss sich nur fünf Minuten mit dem Immobilienmarkt beschäftigt haben, um auf der Stelle Kommunist werden zu wollen. Oder eben Eigentümer, aber es soll hier nicht um Charakterfragen gehen. Letzteres dürfte jedenfalls selbst für die vermeintlich saturierte Mitte bald so weit entfernt sein wie die freie Gesellschaft, also warum nicht gleich aufs Ganze gehen?
Wer jetzt keinen Mietvertrag hat, der kriegt auch keinen mehr. Das schwant einem zumindest, wenn man liest, dass die Wohnungskonzerne Vonovia und Deutsche Wohnen AG die Fusionierung planen. Es wäre nur ein weiterer Beleg dafür, dass man auf dem Immobilienmarkt noch mit jeder Schweinerei durchkommt.
Warum jemandem rund eine halbe Million Wohnungen gehören dürfen, wo andere kein Dach über dem Kopf haben, weil eben ein paar Mal zu viel Pech gehabt, fragt man besser ohnehin nicht oder eben bitte doch einmal. Mietendeckel? Schon zu viel Utopie für eine deutsche Verfassung. Vonovia ist, falls es wer noch nicht erlebt hat, übrigens bekannt dafür, dank des "Schlupflochs" Modernisierungsumlage die Mieter aus ihrem Mietverhältnis regelrecht herauszusanieren.
Das alles muss eine Demokratie aushalten, wenn man keine Investoren verschrecken möchte. Denen gehört dann aber bei genauerem Hinsehen ohnehin schon so ziemlich alles, da auch Gemeinden und Städte im Überschwang der letzten Jahre entdeckt haben, dass man aus Grund und Boden immer noch ein wenig mehr rausholen kann, und in Goldgräberstimmung verjubelt haben, was nur ging. Jetzt darf gnädigerweise zurückgekauft werden, Eigentum verpflichtet ja.
Nach Brecht kommt die Schwärmerei für die Natur von der Unbewohnbarkeit der Städte, die sich jetzt noch einmal ganz neu darstellen dürfte. Wer nun denkt, eine Wohnung im Grünen sei zur Not immer noch drin, wenn ein St. Pauli voller Zahnärzte und ein Kreuzberg der Anlageberaterinnen endgültig keinen Spaß mehr machen, irrt. Denn auch dort ist’s längst dasselbe in – na ja – grün.
Man braucht nicht viel Phantasie, um zu erahnen, wie das alles in naher Zukunft aussehen wird. Wohin also flüchten, wenn eines Tages auch Eisenhüttenstadt eine einzige Anlage geworden ist, die durch voreilige Mieterfüße nur Wertverlust erfahren würde? Ein Flug ins All mit Jeff Bezos liegt derzeit bei knapp 3 Millionen Dollar. Dafür kriegt man in zehn Jahren vielleicht aber auch noch ein schönes Zimmer in Bockenheim.
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