Dax Werners Debattenrückspiegel: KW 52
Liebe Leser_innen,
ein Satz aus einem Spiegel-Bezahlartikel ging mir diese Woche nicht aus dem Kopf. Am. 23.12. hatte das Team von der Ericusspitze den Text ins Internet hochgeladen, die Überschrift lautet bis heute: "Wenn Ökonomen abdriften". Beschäftigt wird sich mit dem "Phänomen", dass viele wirtschaftsliberale forward thinker in den letzten Jahren nach rechts abgedriftet sind: Meuthen, Homburg, Tichy – you name it. Weil ich mich immer noch nicht für ein Spiegel-Plus Abo entschieden habe, konnte ich naturgemäß nur die ersten drei Absätze lesen, aber meistens steht dort schon alles Wichtige drin. Zum Beispiel die Kernfrage, die offenbar für so viel Staunen in der Spiegel-Redaktion gesorgt hat: "Sein neues Publikum würde ihm diese Frage natürlich nie stellen, auch wenn sie sich aufdrängt, wann immer Stefan Homburg in der Öffentlichkeit spricht: Wie kann jemand so Kluges solch einen Unsinn verbreiten?" Für mich ist dieser erste Satz eine on point delivery, er trifft chirurgisch präzise genau das Gefühl vieler Menschen da draußen: Wie geht es, dass einer vom respektierten Wirtschaftsliberalen zum Querdenker wird; und das in einem Land, in dem eine akademische Ausbildung, zumal in der VWL, bislang noch immer die beste Medizin gegen jede Versuchung von rechts war? Vielleicht gibt es im Artikel später noch eine Erklärung, vielleicht aber auch nicht, denn ab dem dritten Absatz verblasst der Text vor mir.
Auch anderen Szenegrößen aus der Querdenkenbubble geht kurz vor Weihnachten die Luft aus. So musste der HNO-Arzt und Corona-Leugner Bodo Schiffmann nun nicht nur seine Schwindelambulanz in Sinsheim schließen, beim Herrn Doktor stapeln sich zudem inzwischen auch die Strafanzeigen, weil seine Patient_innen entgegen seiner ärztlichen Empfehlung die von ihm ausgestellten Fantasie-Atteste bei jeder Gelegenheit vorzeigen. Im Stream denkt der Doktor angesichts des drohenden juristischen Backlashs der BRD GmbH laut über eine Flucht ins Ausland oder ein Abtauchen in den Untergrund nach. Angebote für sichere Unterschlüpfe nimmt Schiffmann nach eigenen Angaben auch per Mail entgegen, und weil ich am Weihnachtsabend aus naheliegenden Gründen wenig zu tun hatte, habe ich für ihn schon einmal eine Liste mit 20 möglichen Rückzugsorten in den Wäldern NRWs recherchiert. Z. B. gibt es hier bei uns in der Nachbarschaft einige leerstehende Häuser, die mir beim Spazierengehen aufgefallen sind (Stichwort Upcycling). Man tut, was man kann, auch und gerade an Heiligabend.
Auch woanders gab es Grund zur Hoffnung: In Düsseldorf ist gestern die erste Impflieferung angekommen und wurde von NRW-Ministerpräsident Armin Laschet persönlich in Empfang genommen: "Der Tag ist so bewegend, weil jetzt die Chance besteht, dass das überwunden wird." Auch wenn Laschet hier in erster Linie seine schlechten Umfragewerte im Rennen um den CDU-Vorsitz meint: Mit ein wenig Fantasie kann man hier auch eine positive Botschaft im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie herauslesen. Und Fantasie gehört für uns in NRW schon seit jeher dazu.
Leben auf Proxima Centauri?
Euer Dax Werner
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