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Dax Werners Debattenrückspiegel KW 42

Liebe Freund_innen,

die größte Chance Deutschlands in der Geschichte Deutschlands, die Ampel-Koalition, nimmt langsam aber sicher Form an. Dieser leicht bürgerlich anmutende Einstieg in diese Kolumne hilft mir, im Laufe des Textes doch noch das aus meiner Sicht angemessene Robin-Alexander-Energielevel zu erreichen, das sich gleichermaßen aus geschäftigem Insidertum und dem nimmermüden einem "Ohr" auf dem Gleisbett des "politischen Berlins" speist und das einen dann, sofern es sich überhaupt kontinuierlich über Jahre halten lässt, eines fernen Tages in den Stuhl ganz rechts bei Lanz teleportiert, dort wo die Überblicker, Drübersteher und Auskenner mit geduldiger Miene Reinhold Messners dreiundzwanzigster Räuberpistole vom Nanga Parbat oder der letzten Überlebenden des Geiseldramas von Gladbeck lauschen, bevor dann Winfried Kretschmann endlich aus Stuttgart zugeschaltet oder mal wieder irgendeine Linken-Vorsitzende kooperativ gegrillt wird: Showtime, geh’ da rauß und zeig’s ihnen.

Überstundenmacher-Mindframe nennen wir das in der Business-Welt. Ein Mindframe, das ich erkenne, wenn ich es sehe: Zum Beispiel bei den drei Ampel-Parteien, denn die haben sich das ehrgeizige Ziel gesetzt, den Bürger_innen die fertig gebackene Koalition schon mit dem Nikolaustag in die Festtagsstiefel zu stecken. Ehrgeizig, aber wir wissen: Diamanten entstehen unter Druck. Ein kleines Teaser-Goodie gab’s neben dem in den letzten Tagen dann plötzlich doch offen ausgetragenen inter-koalitionären sparring zwischen Grünen und FDP auch schon vorab: Die Klimarettung soll auch und vor allem in die Hände privater Investoren gelegt werden. Damit zitiert die Ampel natürlich ganz bewusst 20 Jahre bundesrepublikanischer best practice-Beispiele in Sachen Privatisierungen wie Riester, Hartz-Reformen oder den Breitbandausbau an. In der Politikwissenschaft nennen wir das "going public": Indem eine positiv besetzte Erinnerung im kulturell-politischen Gedächtnis getriggert wird, stehen wir, das Publikum, der neuen Idee gleich umso wohlwollender gegenüber. Smart!

Anders als viele andere halte ich auch die bereits kolportierte Aktienrente für eine der besten Ideen im Ampel-Paket. Für mich sollte die Spekulation mit der Rente hier jedoch nicht aufhören, sondern erst beginnen: Wir Menschen – das haben die letzten 1,5 Jahre Pandemie ganz wunderbar gezeigt – funktionieren eben vornehmlich über extrem niedrigschwellige Anreize (Bratwürste, Saufen in der Kneipe). Mich persönlich würde es zum Beispiel extrem anreizen, schon mit 79 in Rente zu gehen und diese dann in einer von Smudo entwickelten Kryptowährung ausgezahlt zu bekommen, mit der ich wiederum ausschließlich überteuerte Shabby Chic-Einzelstücke in Fynn Kliemanns Hofladen einkaufen kann (zumindest in der Theorie). Auch Christian Lindner schätze ich so ein, dass er mit gutem Beispiel voran künftige Diäten nur noch in Krypto akzeptiert – sofern sein Vermieter Jens Spahn mitspielt!

Touché: Durchaus möglich, dass es in den ländlichen und strukturschwachen Regionen der Republik demnächst neben zu wenig Bussen, Bahnen und Internet auch zu wenig Rente und Klimaschutz gibt; dafür steigt jedoch auch die Chance auf weitere Jahrhunderthochwasser und neue Rekordergebnisse für die AfD! Demokratie bleibt eben das Bohren harter Bretter.

Bis nächste Woche, 
euer Daxerl




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Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Grüß Gott, Markus Söder!

Weil der bayerische AfD-Chef Sie wiederholt »Södolf« genannt hat und Sie ihn daraufhin anzeigten, muss dieser Ihnen nun 12 000 Euro wegen Beleidigung zahlen. Genau genommen muss er den Betrag an den Freistaat Bayern überweisen, was aber wiederum Ihnen zugutekommt. Ebenjener zahlt Ihnen ja die Honorare für freie Fotograf/innen, von denen Sie sich bei öffentlichen Anlässen gern begleiten und ablichten lassen. Im Jahr 2022 sollen sich die Kosten auf stolze 180 000 Euro belaufen haben.

Vorschlag: Wenn es Ihnen gelingt, die Prasserei für Ihr Image komplett durch Klagen gegen AfD-Mitglieder querzufinanzieren, stoßen wir uns weniger an Ihrem lockeren Umgang mit öffentlichen Geldern.

Drückt vorauseilend schon mal beide Augen zu: Titanic

 Diese Steilvorlage, Kristina Dunz (»Redaktionsnetzwerk Deutschland«),

wollten Sie nicht liegenlassen. Die Fußballnation hatte sich gerade mit der EM-Viertelfinalniederlage gegen Spanien angefreundet, der verlorene Titel schien durch kollektive Berauschtheit an der eigenen vermeintlich weltoffenen Gastgeberleistung sowie durch die Aussicht auf vier Jahre passiv-aggressives Gemecker über die selbstverständlich indiskutable Schiedsrichterleistung (»Klarer Handelfmeter!«) mehr als wiedergutgemacht, da wussten Sie einen draufzusetzen. Denn wie es Trainer Julian Nagelsmann verstanden habe, »eine sowohl fußballerisch als auch mental starke National-Elf zu bilden«, die »zupackt und verbindet«, hinter der sich »Menschen versammeln« können und der auch »ausländische Fans Respekt zollen«, und zwar »auf Deutsch« – das traf genau die richtige Mischung aus von sich selbst berauschter Pseudobescheidenheit und nationaler Erlösungsfantasie, die eigentlich bei bundespräsidialen Gratulationsreden fällig wird, auf die wir dank des Ausscheidens der Mannschaft aber sonst hätten verzichten müssen.

Versammelt sich lieber vorm Tresen als hinter elf Deppen: Titanic

 Lieber Jörg Metes (5.1.1959–16.6.2024),

Lieber Jörg Metes (5.1.1959–16.6.2024),

Du warst der jüngste TITANIC-Chefredakteur aller Zeiten. Du warst der Einzige, der jemals eine klare Vorstellung davon hatte, wie das ideale Heft aussehen musste, und hast immer sehr darunter gelitten, dass sich Deine Utopie nur unzureichend umsetzen ließ. Aus Mangel an Zeit und an Mitarbeiter/innen, die bereit waren, sich Nächte um die Ohren zu schlagen, nur um die perfekte Titelunterzeile oder das richtige Satzzeichen am Ende des Beitrags auf Seite 34 zu finden.

Legendär der Beginn Deiner satirischen Tätigkeit, als Du Dich keineswegs über einen Abdruck Deiner Einsendung freutest, sondern Robert Gernhardt und Bernd Eilert dafür beschimpftest, dass sie minimale Änderungen an Deinem Text vorgenommen hatten. Das wurde als Bewerbungsschreiben zur Kenntnis genommen, und Du warst eingestellt. Unter Deiner Regentschaft begann die Blütezeit des Fotoromans, Manfred Deix, Walter Moers und Michael Sowa wurden ins Blatt gehievt, und manch einer erinnert sich noch mit Tränen in den Augen daran, wie er mal mit Dir eine Rudi-Carrell-Puppe vor dem iranischen Konsulat verbrannt hat.

Nach TITANIC hast Du viele, die ihr Glück weder fassen konnten noch verdient hatten, mit Spitzenwitzen versorgt und dem ersten deutschen Late-Night-Gastgeber Thomas Gottschalk humortechnisch auf die Sprünge geholfen. Und dass River Café, eine deutsche Talkshow, die live aus New York kam, nur drei Folgen erlebte, lag bestimmt nicht an Deinen Texten. Auf Spiegel online hieltest Du als ratloser Auslandskorrespondent E. Bewarzer Dein Kinn in die Kamera, und gemeinsam mit Tex Rubinowitz hast Du das Genre des Listenbuches vielleicht sogar erfunden, auf jeden Fall aber end- und mustergültig definiert, und zwar unter dem Titel: »Die sexuellen Phantasien der Kohlmeisen«. Und diese eine Geschichte, wo ein Psychiater in ein Möbelhaus geht, um eine neue Couch zu kaufen, und der Verkäufer probeliegen muss, wo stand die noch mal? Ach, in der TITANIC? Sollte eigentlich in jedem Lesebuch zu finden sein!

Uns ist natürlich bewusst, dass Du auch diesen Brief, wie so viele andere, lieber selber geschrieben und redigiert hättest – aber umständehalber mussten wir das diesmal leider selbst übernehmen.

In Liebe, Deine Titanic

 Moment, Edin Hasanović!

Sie spielen demnächst einen in Frankfurt tätigen »Tatort«-Kommissar, der mit sogenannten Cold Cases befasst ist, und freuen sich auf die Rolle: »Polizeiliche Ermittlungen in alten, bisher ungeklärten Kriminalfällen, die eine Relevanz für das Jetzt und Heute haben, wieder aufzunehmen, finde ich faszinierend«, sagten Sie laut Pressemeldung des HR. Ihnen ist schon klar, »Kommissar« Hasanović, dass Sie keinerlei Ermittlungen aufzunehmen, sondern bloß Drehbuchsätze aufzusagen haben, und dass das einzige reale Verbrechen in diesem Zusammenhang Ihre »Schauspielerei« sein wird?

An Open-and-shut-case, urteilt Titanic

 So ist es, Franz Müntefering!

So ist es, Franz Müntefering!

Sie sind nun auch schon 84 Jahre alt und sagten zum Deutschlandfunk, Ältere wie Sie hätten noch erlebt, wozu übertriebener Nationalismus führe. Nämlich zu Bomben, Toten und Hunger. Ganz anders natürlich als nicht übertriebener Nationalismus! Der führt bekanntlich lediglich zur Einhaltung des Zweiprozentziels, zu geschlossenen Grenzen und Hunger. Ein wichtiger Unterschied!

Findet

Ihre Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Verabschiedungsrituale

Wie sich verabschieden in größerer Runde, ohne dass es ewig dauert? Ich halte es so: Anstatt einen unhöflichen »Polnischen« zu machen, klopfe ich auf den Tisch und sage: »Ich klopf mal, ne?«. Weil mir das dann doch etwas unwürdig erscheint, klopfe ich im Anschluss noch mal bei jeder Person einzeln. Dann umarme ich alle noch mal, zumindest die, die ich gut kenne. Den Rest küsse ich vor lauter Verunsicherung auf den Mund, manchmal auch mit Zunge. Nach gut zwanzig Minuten ist der Spuk dann endlich vorbei und ich verpasse meine Bahn.

Leo Riegel

 Der kästnerlesende Kniebeuger

Es gibt nichts Gutes
Außer man Glutes.

Sebastian Maschuw

 Ein Lächeln

Angesichts der freundlichen Begrüßung meinerseits und des sich daraus ergebenden netten Plausches mit der Nachbarin stellte diese mir die Frage, welches der kürzeste Weg zwischen zwei Menschen sei. Sie beantwortete glücklicherweise ihre Frage gleich darauf selbst, denn meine gottlob nicht geäußerte vage Vermutung (Geschlechtsverkehr?) erwies sich als ebenso falsch wie vulgär.

Tom Breitenfeldt

 Räpresentation

Als Legastheniker fühle ich mich immer etwas minderwertig und in der Gesellschaft nicht sehr gesehen. Deshalb habe ich mich gefreut, auf einem Spaziergang durch Darmstadt an einer Plakette mit der Aufschrift »Deutscher Legastheniker-Verband« vorbeizukommen. Nur um von meiner nichtlegasthenischen Begleitung aufgeklärt zu werden, dass es sich dabei um den »Deutschen Leichtathletik-Verband« handele und und umso teifer in mein Loch züruckzufalllen.

Björn Weirup

 Der kästnerlesende Bläser

Es gibt nichts Gutes
außer: Ich tut’ es.

Frank Jakubzik

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
03.08.2024 Kassel, Caricatura-Galerie Miriam Wurster: »Schrei mich bitte nicht so an!«
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst Die Dünen der Dänen – Das Neueste von Hans Traxler
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst »F. W. Bernstein – Postkarten vom ICH«
09.08.2024 Bremen, Logbuch Miriam Wurster