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Fabian Lichters Economy Class

Aus der Mottenkiste

Volker Bruch, Schauspieler (Babylon Berlin) und Mitinitiator von #allesdichtmachen, möchte der Partei "die Basis" beitreten, die sich ausgerechnet bei Querdenkern großer Beliebtheit erfreut. "Unser Ziel war, die Kritik an den Maßnahmen aus dieser als extremistisch gebrandmarkten Ecke zu holen", verteidigt Bruch die Aktion #allesdichtmachen, und auch im politischen Arm von Querdenken kann es natürlich mal wieder nur um Demokratie gehen, die dieser Tage ja insbesondere ebenjenen Leuten in der "als extremistisch gebrandmarkten Ecke" besonders wichtig geworden ist. Jener Ecke, in der man gerne Mal den Judenstern mit der Aufschrift "ungeimpft" trägt. Jan Josef Liefers derweil faselt in der Talkshow etwas von DDR und Meinungsfreiheit, als hätte sein Youtube-Auftritt nicht gereicht. Es ist alles genau die Soße, die man von deutschen Schauspielern erwartet und bestätigt mal wieder, dass es nicht mal an den Drehbüchern liegt, dass man sie abends nur wegschalten kann.

Nachdem sich hierzulande vom Promikoch bis zur abgehalfterten NDW-Sängerin inzwischen gefühlt jeder Öffentlichkeitskasper, der nicht bis drei zählen kann (und ein paar andere auch) radikalisiert oder gleich ins geistige Niemandsland verabschiedet hat, könnte man festhalten: In Zeiten der Krise rächt es sich offensichtlich, wenn man die Jahrzehnte zuvor in erster Linie damit verbracht hat, noch den letzten Esel berühmt zu machen. Vielleicht trauen wir Fernsehnasen, Schnulzensängern und NDW-Überlebenden auch einfach zu viel zu.

Dabei ist – das als Witz auf einer anderen Ebene – Babylon Berlin ja selbst ein Abbild der Misere. Dazu kann Bruch nur seinen Teil, aber auch Babylon Berlin kennt keine Vergangenheit, während es vorgibt, sich doch gerade mit ihr intensiv auseinanderzusetzen. Man muss wirklich nicht in den 20ern des letzten Jahrhunderts gelebt haben, um zu wissen, dass sie so, wie sie in Babylon Berlin dargestellt werden, nicht gewesen sein können, und das bei der Körperhaltung der Schauspieler angefangen. Dass man dem Berghain-Berlin der neuen Zwanzigerjahre nicht einfach einen ollen Hut aufsetzen kann und schon ist wieder 1920, ist dann eben doch mehr als ein ästhetisches Problem.

Mit Babylon Berlin verhält es sich wiederum ähnlich wie mit der Neuauflage von "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo", die das Spiel noch weiter treibt, in dem die Vergangenheit allenfalls noch eine Kleiderkammer ist, an der man sich für ein ahistorisches Karnevalsstück bedienen kann, wie das monopol-magazin analysierte. Das "fiktive Berlin" der Neuauflage zeigt sich "völlig willkürlich, frei von Geschichte, Diskursen, Fakten, Mitgefühl. Diese Christiane F.-Welt korrespondiert mit nichts außer dem Selbstverwirklichungswillen ihrer Schöpfer, die fest entschlossen sind, mit allen Mitteln einen internationalen Blockbuster zu fabrizieren."

Die totale Verwurstung der Geschichte jedenfalls, sie ist auf vielen Ebenen im Gange und verwurstet die Gehirne zurück. Anschauen möchte man sich das wirklich nicht auch noch.

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Fabian Lichters Economy Class

Zum Drüber-Reden

Beim Wort Debatte muss ich schon unweigerlich an die Schülermitverantwortung denken, an den Stuhlkreis, den genügsam nickenden Lehrer, der, zumindest in meiner Erinnerung, eine frappierende Ähnlichkeit mit Markus Lanz aufweist. Für Debatten bin ich versaut. Für das Trendthema Klassismus somit auch. Und wem es ähnlich geht, der schaut nun in die Röhre, bzw. lieber nicht in die Gesellschaftsteile und Verlagsvorschauen. Immerhin: Feuilleton und Verleger frohlocken, haben sie doch ihr neues Sujet gefunden und das dürfte auch schon in etwa der gesellschaftliche Raum sein, in dem der neue Hype um die Klasse seine Wellen schlagen wird. 

Davon kann man mindestens Koliken bekommen. Man kann schließlich guten Gewissens sagen, dass Debatten dem emanzipatorischen Bestreben gezielt entgegenwirken. Abgesehen davon, dass im paternalistisch professionellen Reden über die »Schwachen« sich bereits ein Gegensatz wiederholt und man dieses Moment durchaus unangenehm finden kann. Ein Glück, dass die Betroffenen, um jenen scheußlichen Begriff hier auch einmal pflichtbewusst untergebracht zu haben, aller Regel nach, und das weiß man natürlich, nicht zuhören oder gar mitlesen. Einmal im Vorteil.

Es ist auch gar kein Geheimnis, dass das Reden über Klassismus für jene Betroffenen keine Besserung ihrer Lebensumstände bringen wird, maximal dem darin aktiven Menschen, der seinem Heizungsableser nun eine Ecke bewusster die Tür aufhält oder meinetwegen auch schon weiß, dass das nicht reicht. In der Debatte wird schon was abfallen und seien es Likes. Das ist Start- und auch Endpunkt der Debatte, sowie Start- und Endpunkt überhaupt in jeder Debatte ein und dasselbe sind. 

Wenn, das hat das Reden über das Klima gezeigt, Debatten etwas leisten, dann, dass das Alltagsgeschäft im Maschinenraum weiterlaufen kann, da die Welt sich genügsam an der Frage zerfleischt, wie es an Deck auszusehen habe. Und dass jede Dialektik zu einer Auswahl verkommt, man bleibt halt in der Warengesellschaft. Und so »debattiert« man darüber, ob die nächsten 60 Millionen produzierter Autos pro Jahr mit Lithium-Ionen-Akku oder mit Verbrennungsmotor fahren, aber eben nicht darüber, wie man es verhindert, dass jährlich 60 Millionen Autos die Werke verlassen. Wer davon profitiert, nennt es »einen Wettlauf um die Wettbewerbsfähigkeit auf klimaneutrale Produkte« (A. Baerbock).

Dass eine Rettung des Klimas sowie der freie Arbeiter mit dieser Wirtschaftsform nicht zu haben sind, das war von Anfang an klar. Man hat darüber diskutiert und damit die Kritik integriert, sie hat sich so praktischerweise selbst erledigt. Mag – zurück zur Klasse – bisweilen auch durchaus Treffendes geäußert werden (siehe Start- und Endpunkt). So erinnerte Arno Frank unlängst im Deutschlandfunk daran, dass man eben nicht über Klasse reden könne, ohne den mitschwingenden Klassengegensatz zu thematisieren. Was zeigt: Man kann ihn neuerdings sogar thematisieren, ohne dass jemand deshalb noch um seine Besitztümer fürchten müsste. Ein gekippter Mietendeckel ist da nur ein klares Signal nach oben (und nach unten).

Bleibt die Aufhebung der Gegensätze das Ziel und man mag überrascht sein, auch dazu gibt es bereits ein, zwei kluge Gedanken in der Welt. Man muss nicht stets bei Null anfangen, mag man naiverweise denken, aber genau darum geht es in einer Gesellschaft, in der nur vordergründig etwas vorangehen darf: Erkenntnisgewinn soll verhindert werden, Argumente eingeebnet, dadurch, dass sie sich an der Realität einer eingefahrenen Welt selbst blamieren.

Am Ende bleibt jeder seines Glückes Schmied und auch eine weitere Bildungsdebatte, im Anschluss an die Klassismusdebatte, wird daran nichts ändern. Es ist auch nicht die Frage, so Filmemacherin Julia Friedrichs, ebenfalls im Deutschlandfunk, wie noch jede Krankenschwester sich ins Management fortbildet. Man braucht sie ja, ganz gleich, in welcher Gesellschaft man lebt. Es kann nur darum gehen, sie gerecht zu entlohnen. Alles andere ist Käse für den Kulturteil.

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Hä, »Spiegel«?

»Aber gesund machen wird diese Legalisierung niemanden!« schreibst Du in einem Kommentar zum neuen Cannabisgesetz. »Ach, echt nicht?« fragen wir uns da verblüfft. Wir waren bisher fest vom Gegenteil überzeugt. Immerhin haben Kiffer/innen oft sehr gute feinmotorische Fähigkeiten, einen gesunden Appetit und ärgern sich selten. Hinzu kommen die unzähligen Reggaesongs, in denen das Kiffgras als »Healing of the Nation« bezeichnet wird. All dies willst Du nun tatsächlich infrage stellen? Da lieber noch mal ganz in Ruhe drüber nachdenken!

Empfehlen Deine Blättchenfreund/innen von Titanic

 Verehrte Joyce Carol Oates,

da Sie seit den Sechzigern beinah im Jahrestakt neue Bücher veröffentlichen, die auch noch in zahlreiche Sprachen übersetzt werden, kommen Sie vermutlich nicht dazu, jeden Verlagstext persönlich abzusegnen. Vielleicht können Sie uns dennoch mit ein paar Deutungsangeboten aushelfen, denn uns will ums Verrecken nicht einfallen, was der deutsche Ecco-Verlag im Sinn hatte, als er Ihren neuen Roman wie folgt bewarb: »›Babysitter‹ ist ein niederschmetternd beeindruckendes Buch, ein schonungsloses Porträt des Amerikas der oberen Mittelschicht sowie ein entlarvender Blick auf die etablierten Rollen der Frau. Oates gelingt es, all dies zu einem unglaublichen Pageturner zu formen. In den späten 1970ern treffen in Detroit und seinen Vorstädten verschiedene Leben aufeinander«, darunter »eine rätselhafte Figur an der Peripherie der Elite Detroits, der bisher jeglicher Vergeltung entkam«.

Bitte helfen Sie uns, Joyce Carol Oates – wer genau ist ›der Figur‹, dem es die elitären Peripherien angetan haben? Tragen die Leben beim Aufeinandertreffen Helme? Wie müssen wir uns ein Porträt vorstellen, das zugleich ein Blick ist? Wird das wehtun, wenn uns Ihr Buch erst niederschmettert, um dann noch Eindrücke auf uns zu hinterlassen? Und wie ist es Ihnen gelungen, aus dem unappetitlich plattgedrückten Matsch zu guter Letzt noch einen »Pageturner« zu formen?

Wartet lieber aufs nächste Buch: Titanic

 Du, »Hörzu Wissen«,

weißt, wie Werbung geht! Mit »Die Sucht zu töten« machtest Du so richtig Lust auf Deine aktuelle Ausgabe, um erläuternd nachzulegen: »Bestialisch, sadistisch, rätselhaft: Was Menschen zu mordenden Monstern macht – acht Täter und die Geschichten ihrer grausamen Verbrechen.«

Wer kann sich da der Faszination der »dunklen Welt der Serienkiller« noch entziehen? Aber am Ende, liebe Hörzu Wissen, ist in diesem Zusammenhang doch die Implikation Deines Slogans »Hörzu Wissen – das Magazin, das schlauer macht!« das Allergruseligste!

Da erschauert sogar

Die True-Crime-resistente Redaktion der Titanic

 Hello, Grant Shapps (britischer Verteidigungsminister)!

Eine düstere Zukunft haben Sie in einem Gastbeitrag für den Telegraph zum 75jährigen Bestehen der Nato skizziert. Sie sehen eine neue Vorkriegszeit gekommen, da sich derzeit Mächte wie China, Russland, Iran und Nordkorea verbündeten, um die westlichen Demokratien zu schwächen. Dagegen hülfen lediglich eine Stärkung des Militärbündnisses, die weitere Unterstützung der Ukraine und Investitionen in Rüstungsgüter und Munition. Eindringlich mahnten Sie: »Wir können uns nicht erlauben, Russisch Roulette mit unserer Zukunft zu spielen.«

Wir möchten aber zu bedenken geben, dass es beim Russisch Roulette umso besser fürs eigene Wohlergehen ist, je weniger Munition im Spiel ist und Patronen sich in der Trommel befinden.

Den Revolver überhaupt vom eigenen Kopf fernhalten, empfehlen Ihre Croupiers von der Titanic

 Ah, »Galileo«!

Über die Arbeit von Türsteher/innen berichtest Du: »Viele Frauen arbeiten sogar als Türsteherinnen«. Wir setzen noch einen drauf und behaupten: In dieser Branche sogar alle!

Schmeißen diese Erkenntnis einfach mal raus:

Deine Pointen-Bouncer von Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Immerhin

Für mich das einzig Tröstliche an komplexen und schwer zugänglichen Themen wie etwa Quantenmechanik, Theodizee oder den Hilbertschen Problemen: Letztlich ist das alles keine Raketenwissenschaft.

Michael Ziegelwagner

 Altersspezifisch

Ich gehöre noch zu einer Generation, deren Sätze zu häufig mit »Ich gehöre noch zu einer Generation« anfangen.

Andreas Maier

 In Würde altern

Früher hätte mich der riesige Pickel mitten auf meinem Hals stark gestört. Heute trage ich den wohl niedlichsten ausgeprägten Adamsapfel, den die Welt je gesehen hat, mit großem Stolz ein paar Tage vor mir her.

Ronnie Zumbühl

 Nicht lustig, bloß komisch

Während ich früher schon ein kleines bisschen stolz darauf war, aus einer Nation zu stammen, die mit Loriot und Heinz Erhardt wahre Zen-Meister der Selbstironie hervorgebracht hat, hinterfrage ich meine humoristische Herkunft aufgrund diverser Alltagserfahrungen jetzt immer öfter mit Gedanken wie diesem: Möchte ich den Rest meines Lebens wirklich in einem Land verbringen, in dem man während seiner Mittagspause in ein Café geht, das vor der Tür vollmundig mit »leckerem Hunde-Eis« wirbt, und auf seine Bestellung »Zwei Kugeln Labrador und eine Kugel Schnauzer« statt des fest eingeplanten Lachers ein »RAUS HIER!« entgegengebrüllt bekommt?

Patric Hemgesberg

 Vom Feeling her

Es hat keinen Sinn, vor seinen Gefühlen wegzulaufen. Man muss sich schon auch mal hinter einem Baum verstecken und warten, dass die das nicht merken und an einem vorbeiziehen, sonst bringt das ja alles nichts.

Loreen Bauer

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
04.05.2024 Gütersloh, Die Weberei Thomas Gsella
04.05.2024 Jena, F-Haus Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
05.05.2024 Bonn, Rheinbühne Thomas Gsella
05.05.2024 Magdeburg, Factory Martin Sonneborn mit Sibylle Berg