Fabian Lichters Economy Class
Tellkrampf
Angespannt ist er, Uwe Tellkamp, da ist sich die Presse einig, verkrampft gar. Fraglich, ob er auch anders kann. Hier jedenfalls nicht, in der heiß erwarteten Tellkamp-Doku "Der Fall Tellkamp", in der der Buchpreisträger vom Dresdner Elbhang mal vor seiner Schreibmaschine sitzt, mal mit Buchhändlerin Susanne Dagen den neuen Roman bespricht und über die Herrschaft linker Narrative schimpft. Dagen wird später noch ihr eigenes Schicksal schildern. Wie sie sich aus der Branche "herauskatapultiert" habe, weil sie nicht den Mund halten könne. Vielleicht ja auch, weil sie mit der organisierten Rechten zusammenarbeitet, vom Antaios-Verlag bis zu den Identitären. "Kontaktschuld" würden sie und Tellkamp auf solch einen Vorwurf wohl konternd entgegnen oder irgendetwas mit DDR 2.0 und Meinungsfreiheit. Aber auch in der Demokratie sagt es eben etwas über einen aus, mit wem man sich an den Tisch setzt und weshalb. Die von ihr verlegte Reihe für heimatlose, weil aus dem Diskurs verstoßene Schriftsteller (u.a. Tellkamp), hat sie "Exil" genannt. So weit, so anmaßend. "Natürlich ändert sich das Publikum", sagt sie nicht ohne Stolz, und dass man ihr nun nachsage, die einzige vernünftige Buchhandlung in Deutschland zu besitzen. Mehrmals echauffiert sich Uwe Tellkamp über moralisierende Westdeutsche, die im Osten hohe Positionen einnehmen, ihm sagen wollen, was er zu denken habe. Sagen könne er alles, muss auch er zugeben, es habe eben seinen Preis. Eingeladen werde er nicht mehr. Vielleicht ein kleiner Trost: Der Roman "Der Schlaf in den Uhren" (Suhrkamp-Verlag), in dem nun jeder auf 900 Seiten noch einmal nachlesen kann, wie Tellkamp tickt, er dürfte ein Selbstläufer sein. Und dann ist da ja noch die Doku selbst; ganze eineinhalb Stunden lang Spotlight. Ein Witz, der nur leider nicht zünden will. Da sitzt einer, auf den gerade mal wieder alle Augen gerichtet sind, und fühlt sich verstoßen. Die Linie verlaufe da, wo man für klassische Familienmodelle stehe, Kritik an Einwanderung formuliere und Trump nicht nur für böse halte, und damit hat Tellkamp sicherlich nicht unrecht, unterschlägt dabei aber, dass es kein diktatorisches Regime braucht, damit sich Mehrheitsmeinungen bilden, keine Propagandaapparate, damit sich Leute von einer Haltung und der Dynamik, die ihr innewohnt, angezogen oder abgestoßen fühlen. Etwa, wenn man sich auf die Seite von Menschen stellt, die mit Deutschlandfahnen und Lynchphantasien durch die Nacht marschieren.