Newsticker

Nur diese Kategorie anzeigen:Das ahnungslose Portrait Eintrag teilenEintrag per Email versenden Mit Facebook-Freunden teilen Twittern mit Google+ teilen

Das ahnungslose Portrait (3)

Paul Bocuse – das muss kesseln! Was wir* über den Koch der Köche wissen und (vor allem) was nicht.

Hände wie Bratpfannen und ein Herz so groß wie das Elsass: das war Paul Bocuse, der Zeit seines Lebens eine eiskalte Konkurrenz mit seinem älteren Bruder Paul Bofrost pflegte. Um sich von dessen Konzept der proletarischen Massenversorgung mit vorgefertigter Kost abzugrenzen, kreierte er Nobelgerichte wie "Reiche Ritter", "Richtiger Hase" und "Goldener Löffelbiscuit".

Aufsehen erregte er 1964, als er im Gastronomenjournal "L’appétite petite" vorschlag, eine weitere Strophe für "Wir lagen vor Madagaskar" zu texten. Nach anfänglichem Zuspruch ("Klasse Idee! Kochmütze ab, Monsieur Bocuse!", "wollte das gute Lied schon immer mal weitersingen als die bisherigen läppischen 3 Strophen") wurden mit der Zeit die kritischen Stimmen lauter ("schon angefangen mit der Betextung?" "Was dürfen wir denn jetzt beim Rühren, Backen, Kneten weiter vor uns hinträllern?") und führte letztlich zu bitterer Ablehnung in der Gastro-Szene ("kein Interesse mehr", "konnte Seemannslieder noch nie leiden", "Schande für Zunft"). Heute ist seine Idee einer zusätzlichen Strophe nahezu vergessen.

Bocuse verabscheute Spinnen, da diese seiner Meinung nach keinen oder kaum Eigengeschmack besitzen. Mit etwas Dill und rotem Pfeffer konnte er aber selbst aus einem abgemagerten Weberknecht eine kleine Delikatesse zaubern (das war früher ein Arme-Leute-Essen).

1982 verfasste er seine Memoiren: “Küche, Koks und Coq au Vin”. Das Buch war monatelang in aller Munde und wurde schon bald unter dem zweifelhaften deutschen Verleihtitel "Zwei heiße Bräute hauen auf die Scheiße" verfilmt. Kultstatus erreichte darin die Szene, in der Bocuse (gespielt von Bo Derek) nach einem gewaltigen Schlag auf den Kopf 5 Sterne sah.

Als er an den Spätfolgen dieser "zu stark gerösteten Kopfnuss" (Jürgen Dollase) starb, lauteten die letzten Worte von Paul Bocuse: "Bon Appetit!". Er wurde über einem Topf Schnibbelbohnen plötzlich aus dem Leben gerissen. Die Hinterbliebenen saßen noch vor dampfenden Tellern, da lag er schon auf der Totenbahr'. Der Legende nach hat es dann allen doch noch ganz gut geschmeckt. Später wurde Bocuse, der immer alles auf den Punkt gegart hatte, ironischerweise verbrannt.

* Elias Hauck und Tim Wolff, die während des Lockdowns ein ganz neues Talent für sich entdeckt haben: das Essen.

Nur diese Kategorie anzeigen:Das ahnungslose Portrait Eintrag teilenEintrag per Email versenden Mit Facebook-Freunden teilen Twittern mit Google+ teilen

Das ahnungslose Portrait (2)

Madeleine Albright, amerikanische Politikerin von dieser einen Partei – was wir* über sie wissen, was wir nicht wissen.

Diese Frau (Schuhgröße 48, das entspricht etwa 2 Fuß) war schon bei ihrer eigenen Geburt unbequem – also ein Mensch wie alle anderen auch. Aber einer, der stets gern aneckte, wo es bei anderen rund geht.

Der Name, der ihr (Madeleine Albright) in die Wiege gelegt wurde, kommt aus dem Englischen: Albright. "All" heißt "ganz" und "bright" heißt "hell", auf Deutsch wäre das also etwa "Mädelein Ganz Hell", bzw. noch deutscher: MAGDA GANZHELL. Auf Französisch hieße sie Cafégebäck Toutelle, auf Italienisch vielleicht Mademoiselles Albondigas, weil Europa längst ein "Schmelztigel" (Begriff aus dem Schulunterricht des vergangenen Jahrtausends) ist wie die USA. Dort aber wurde Frau Albright zu ihrem Glück geboren – so konnten von Anfang an viele in ihrer Umgebung ihren Namen krorekt aussprechen.

Ihre Familie hatte Geld, nicht zu viel, aber auch nicht zu wenig. Aber das ist ja oft total subjektiv. Sie war jedenfalls behütet genug, um Interessen zu finden, und herausgefordert genug, um Kampfgeist zu entwickeln. So fand sie früh über den Mittelweg in die Politik. In der Highschool bereits gewann sie einen Kompromisswettbewerb, indem sie sich trotz besserer Argumente zur Zweitplatzierten erklärte.

Später war sie Ministerin bei einem Bush oder Clinton oder Obama, wahrscheinlich Außenministerin. Aber daran erinnert man sich auch nur so halb, weil sie wenigstens nicht einer dieser tausend austauschbaren weißen Christenmänner ist, die unter einem Bush oder Clinton oder Obama Minister waren.

Zwischendurch fand sie Zeit, die Dinge zu tun, die amerikanische Politikerinnen tun. Sie hat Bücher geschrieben. Sie war in Talkshows (1984 erster Gastauftritt in der Fernsehsendung "Euer verrückter Steve", mit dem verrückten Steve). Sie hat Reden gehalten. Gespräche geführt. Ist zu Konferenzen geflogen. Aber auch mal gelaufen. Je nachdem, wie weit weg die Konferenzen waren. Sie wurde auch mal gefahren. Den Bus nahm sie dagegen selten. Sie soll mindestens einmal auf einem Schiff gewesen sein. Ihr Verhältnis zu Fahrrädern gilt dagegen als noch unzureichend erforscht. Skateboards, E-Bikes und diese kleinen Rollen für Schuhe, die eine Weile in waren, dürften ihr eher fremd geblieben sein.

Schrullig: Bis heute unterhält die eingefleischte Schottenrockträgerin eine Brieffreundschaft mit einem Shetlandpony (Quelle: "Encyclopedia of the most curios pen pals", vergriffen, eventuell zvab.com?), hier ein kleiner Auszug: 

Hü hott, Grüß Gott,

ich muss gerade an dich denken ;) Haha, und natürlich kannst du auch kein Wort von dem verstehen, das ich dir schreibe. Das wäre ja verrückt! Aber es tut mir einfach gut, auf diese Art meine Gedanken zu ordnen ... und deshalb möchte ich dich jetzt und hier fragen: Möchtest du mich heiraten? 

In galoppierender Liebe

Deine Maddie

Sie ist trotzdem Mutter von 3 Töchtern und 2 Söhnen – her Kids are Albright, heißt es.

*Elias Hauck und Tim Wolff, die diesmal sogar einmal kurz gegoogelt haben – wenn auch nichts zu Madeleine Albright

Nur diese Kategorie anzeigen:Das ahnungslose Portrait Eintrag teilenEintrag per Email versenden Mit Facebook-Freunden teilen Twittern mit Google+ teilen

Das ahnungslose Portrait (1)

Dimitri (oder Demetri?) Schostakowitsch, Komponist und Russe - was wir* über ihn wissen, was wir nicht wissen.


"Musigg-Schorsch" oder auch "Schotze", wie ihn seine Freunde am Ende nannten, wurde am Anfang in ärmlichste Verhältnissen geboren. Seine Mutter war Gerberin. Sein Vater nicht mal das. So blieb dem kleinen Dimetri nur die Musik. Er entdeckte sie überall: in Tropfen, die in die Regentonne fielen, in den gequälten Aufschreien seiner Katzen oder im Grammophon, wenn er es abspielte.

Dann ging plötzlich alles ganz schnell: Revolution, Kommunismus, Sowjetunion. Und wer machte die Musik dazu? Natürlich der Demitri. Er komponierte wie ein Rohrspatz: Serenaden, Sinfonien, Ohrwürmer, Seifenopern und annähernd 400 musikalische Scherze ("Komikoff Komikon").

So weit das Berufliche. Doch wie war er privat? Er ging bis ins hohe Alter barfuß, das soll ihm oft das Leben gerettet haben. Er galt unter Homosexuellen als heterosexuell und unter Heterosexuellen als heterosexuell. In einem Brief an seine Schwester vom 8. Dezember 1932 beschrieb er sich selbst als Hundenarr und exzessiven Haschischraucher.

Trotzdem wurde Schostakowitsch nicht von Josef Stalin in den Tod geschickt – was nicht jeder von sich behaupten kann. Obwohl ... alle derzeit lebenden Menschen können von sich behaupten, nicht von Josef Stalin in den Tod geschickt worden zu sein. Andererseits ist Schostakowitsch bereits tot. Hier wird die Forschung wohl noch einiges zu leisten haben.

Eins steht jedenfalls fest: Von einem Tag auf den anderen konnte Schostakowitsch keine Musik mehr hören – sein Nachbar hatte ihm das Grammophon (bekannt aus dem ersten Absatz) gestohlen. Und im Radio liefen immer nur Bach und Rebroff. Sowjetunion halt.

Unsicher ist, ob das berühmte Sprichwort "Schosta, bleib bei deinem Kowitsch" von ihm selbst stammt. Darin steht übrigens Kowitsch für eine Art Callboy (derb) und Schosta für Schosta eben. Typischer Schosta-Humor eigentlich!

Sein letztes Hemd kaufte er sich während einer musikalischen Reise durch den Harz. Beim Hineinschlüpfen traf ihn der Schlag, zum anfänglichen Amüsement seiner Begleitung Lilo Pulver – war er doch für seine makaberen Späße bekannt. Er starb plötzlich wie ein König, wurde wie ein Edelmann bestattet und wie ein Bettler zu Grabe getragen. Danke, Schorsch, dass es dich gab.

Und gibt! Denn in den Köpfen großer Künstler lebt der tote Dumatri munter weiter: Anfang des Jahres wurde die Veranstaltung "Dieter Hallervorden trifft Schostakowitsch" (Kammermusiksaal Berlin) vom 14. Januar 2020 auf den 9. November verlegt. Es gibt noch Karten.


*Elias Hauck und Tim Wolff - die sich auch mal besser informieren könnten

1 2 3 4 5 6 7 8

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Eher unglaubwürdig, »dpa«,

erschien uns zunächst Deine Meldung, Volker Wissing habe nach dem tödlichen Busunglück auf der A9 bei Leipzig »den Opfern und Hinterbliebenen sein Beileid ausgesprochen«. Andererseits: Wer könnte die Verstorbenen auf ihrem Weg ins Jenseits noch erreichen, wenn nicht der Bundesverkehrsminister?

Tippt aufs Flugtaxi: Titanic

 Hello, Grant Shapps (britischer Verteidigungsminister)!

Eine düstere Zukunft haben Sie in einem Gastbeitrag für den Telegraph zum 75jährigen Bestehen der Nato skizziert. Sie sehen eine neue Vorkriegszeit gekommen, da sich derzeit Mächte wie China, Russland, Iran und Nordkorea verbündeten, um die westlichen Demokratien zu schwächen. Dagegen hülfen lediglich eine Stärkung des Militärbündnisses, die weitere Unterstützung der Ukraine und Investitionen in Rüstungsgüter und Munition. Eindringlich mahnten Sie: »Wir können uns nicht erlauben, Russisch Roulette mit unserer Zukunft zu spielen.«

Wir möchten aber zu bedenken geben, dass es beim Russisch Roulette umso besser fürs eigene Wohlergehen ist, je weniger Munition im Spiel ist und Patronen sich in der Trommel befinden.

Den Revolver überhaupt vom eigenen Kopf fernhalten, empfehlen Ihre Croupiers von der Titanic

 Clever, »Brigitte«!

Du lockst mit der Überschrift »Fünf typische Probleme intelligenter Menschen«, und wir sind blöd genug, um draufzuklicken. Wir lernen, dass klug ist: wer mehr denkt, als er spricht, wer sich ungeschickt im Smalltalk anstellt, wer sich im Job schnell langweilt, wer sich mit Entscheidungen schwertut, wer bei Streit den Kürzeren zieht und wer ständig von Selbstzweifeln geplagt wird.

Frustriert stellen wir fest, dass eigentlich nichts von alledem auf uns zutrifft. Und als die Schwachköpfe, die wir nun einmal sind, trauen wir uns fast gar nicht, Dich, liebe Brigitte, zu fragen: Waren das jetzt nicht insgesamt sechs Probleme?

Ungezählte Grüße von Deiner Titanic

 Weiter so, uruguayischer Künstler Pablo Atchugarry!

Eine angeblich von Ihnen geschaffene Bronzeskulptur im englischen Cambridge soll an Prinz Philip erinnern, der dort von 1977 bis 2011 Kanzler der Universität war. Allerdings wird das Kunstwerk, das im Auftrag eines reichen Bauträgers angefertigt wurde, von vielen als verunglückt empfunden und zieht seit nunmehr zehn Jahren Spott auf sich.

Dass Sie mittlerweile die Urheberschaft leugnen, um Ihr Renommee als Künstler zu schützen, ist zwar verständlich, aber aus unserer Sicht völlig unnötig. Wenn sich das Konzept durchsetzt, lästige Promis, die uns über Jahrzehnte viel Zeit, Geld und Nerven gekostet haben, mit langlebigen Schrott-Monumenten zu schmähen, werden Sie sich vor Aufträgen bald kaum noch retten können. Und das Beste: Weil andere Großkopferte sich mit ihren Eskapaden zurückhalten würden, um nicht von Ihnen verewigt zu werden, sorgten Sie auch noch für Ruhe und gesellschaftlichen Frieden.

Hofft, dass dieser Vorschlag einen Stein ins Rollen bringt: Titanic

 Könnte es sein, »ARD-Deutschlandtrend«,

dass Dein Umfrageergebnis »Mehrheit sieht den Frieden in Europa bedroht« damit zusammenhängt, dass seit über zwei Jahren ein Krieg in Europa stattfindet?

Nur so eine Vermutung von Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Vom Feeling her

Es hat keinen Sinn, vor seinen Gefühlen wegzulaufen. Man muss sich schon auch mal hinter einem Baum verstecken und warten, dass die das nicht merken und an einem vorbeiziehen, sonst bringt das ja alles nichts.

Loreen Bauer

 Immerhin

Für mich das einzig Tröstliche an komplexen und schwer zugänglichen Themen wie etwa Quantenmechanik, Theodizee oder den Hilbertschen Problemen: Letztlich ist das alles keine Raketenwissenschaft.

Michael Ziegelwagner

 Mitgehört im Zug

»Prostitution ist das älteste Gewerbe der Welt!« – »Ja, aber das muss es ja nicht bleiben.«

Karl Franz

 Finanz-Blues

Wenn ich bei meiner langjährigen Hausbank anrufe, meldet sich immer und ausnahmslos eine Raiffeisenstimme.

Theobald Fuchs

 Die wahre Strafe

Verhaftet zu werden und in der Folge einen Telefonanruf tätigen zu müssen.

Fabio Kühnemuth

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
03.05.2024 Mettingen, Schultenhof Thomas Gsella
03.05.2024 Stuttgart, Im Wizemann Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
04.05.2024 Gütersloh, Die Weberei Thomas Gsella
04.05.2024 Jena, F-Haus Martin Sonneborn mit Sibylle Berg