So schön war die Zeit (II)
Einmal kam der damalige Verteidigungsminister Rudolf Scharping auf eine Stippvisite vorbei. Nun muß man wissen, daß dessen Lebensgefährtin, Gräfin Pilati, zu jener Zeit als Sexsymbol galt und also in fast jedem Spind unserer Kaserne aufgehängt war. Es wurde daher befohlen, vor dem Eintreffen des Ministers sämtliche Pilati-Pin-ups zu entfernen. Ich hatte diese Order leider überhört, und so kam es, daß der hohe Besuch bei seinem Rundgang justament vor meinem geöffneten Spind stehen blieb und seine Gräfin vor sich sah. Trockener Kommentar Scharpings: "Na, zu meiner Zeit hatten Soldaten aber einen besseren Geschmack..."
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Nach dem Vorbilde unserer Großväter wollten wir zumindest ein Mal, wenn nicht in Frankreich oder Polen, so wenigstens irgendwo einmarschieren. Meine Kumpels Fliese, Kurti, Ralle und ich nahmen also eine Woche Urlaub und machten uns auf den Weg zur niederländischen Insel Texel, um diese im Handstreich zu erobern. Per Zug, Schlauchboot und pedes kamen wir irgendwann an, stellten aber fest, daß wir weder Flagge noch Standarten dabei hatten, so daß wir uns damit begnügten, mit einem Stock das Bundeswehrkreuz in den Sand zu scharren. Als uns ein Einheimischer wissen ließ, daß wir uns nicht auf Texel, sondern auf der ostfriesischen, mithin deutschen Insel Norderney befanden, war der Frust groß. Immerhin: Wir verloren infolge des anschließenden Frust-Saufgelages einen Kameraden. Ralle hatte sich besoffen ins Wattenmeer gelegt und den Tidenhub nicht bedacht.
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Man kann über den Nutzen der Wehrpflicht sagen was man will, aber fest steht, daß man in diesem Lebensabschnitt Freundschaften schließt, die ein ganzes Leben lang halten. Man lernt, was Zusammenhalt und Kameradschaft wirklich bedeuten. Noch heute denke ich an meine besten Kumpel Gunni und Jörn. Oder Jörg? Nein, falsch: Jürgen. Genau, und auch nicht Gunni, sondern Torsten. Halt, das kann nicht sein, Torsten war ja ich. Wer war dann Gunni? Ach ja, richtig, der hieß eigentlich Ansgar und war ein total mieses Arschloch, dem ich zu Recht mehrmals in die Trinkflasche uriniert habe, hähä. Gott, bin ich froh, diesen degenerierten Haufen nie wieder sehen zu müssen!
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