Pro und Kontra Killerspiele
ProMenschen erschießen ist ein absolutes No-Go. Punkt! Darüber kann und darf es keine Diskussion geben, außer vielleicht in der Türkei, auf diversen Parteitagen und in meinem privaten Internetforum. Wenn ich allerdings am heimischen Rechner virtuellen Menschen auf die Genitalien ziele, sie anschieße, lange leiden lasse und schließlich mit einer gepflegten Handgranate zerfetze, tut das niemandem weh. Hier kann ich Aggressionen abbauen, die ich in der Berufsschule mühsam unterdrücken muß, hier kann ich ausleben, was ich meinem Chef gerne mal persönlich ins Gesicht ballern würde. Bevor mich nun jemand als geisteskrank abstempelt: Nein, ich finde es nicht schön, was ich da am Bildschirm manches Mal zu sehen bekomme. Die Grafik ist trotz meines High-End-Prozessors oft noch kantig, die Gore-Effekte teilweise unausgereift. Trotzdem meine ich, daß Killerspiele ein Segen für die Menschheit sind, Amokläufe eher verhindern, als sie auszulösen. Könnte ich meine Wut auf die Menschheit nicht an empfindungslosen Pixelhaufen auslassen, wäre ich sicher schon mit Maschinengewehr und Laserkanone durch die Fußgängerzone gerannt oder hätte einen Karatekurs gemacht. Dank der Spiele gelingt es mir, meinen Haß auf mich und andere, der jeden Tag ein bißchen mehr wächst, in geregelte Bahnen zu feuern. Deshalb: Killerspiele zum Pflichtfach in der Schule machen; Mathe, Deutsch und Geschi abschaffen!
Valentin Witt, seit 24 Monaten in Therapie
ContraAls ich Anfang der Neunziger zum ersten Mal Super Mario gespielt habe, war auch ich sofort Feuerwaffe und Flammenwerfer. Kleinen braunen Watschelkastanien heimtückisch auf den Rücken zu springen, Feinde mit Schildkrötenpanzern zu bewerfen oder Iggy Koopa in kochend heiße Lava zu stoßen - das brachte übelst Fun und mich auf die Idee, das auch mal im "RL" zu versuchen. Ich war vier und hatte Flausen im Kopf, aber auch Milchzähne im Mund, war noch zu schwach. Ich begnügte mich vorerst mit Konsolenmord, und meine Ellies waren stolz, wenn ich in höhere Level vordrang, Verantwortung übernahm. Bald jedoch wurden die Spiele skrupelloser, Sonic The Hedgehog, Kirby‘s Dreamland, Pac-Man, to name a few. Wer solch gewaltverherrlichendem, kreaturverachtendem Bullshit tagtäglich ausgesetzt ist, betrachtet irgendwann auch im richtigen Leben jeden feuerspeienden Drachen als Todfeind, jede noch so konziliante Schildkröte als zu tötenden Endgegner, jede zerplatzende Kastanie als Kollateralschaden. Sie ahnen es, ich spreche in Metaphern: Meinen ersten Totschlag beging ich mit sieben, ein heimtückischer Mord folgte mit neun, ein Kapitalanlagebetrug mit 21, und das alles noch im ersten Leben! Hätte ich bloß die Finger von den Killerspielen gelassen und mich stattdessen im Fußballverein angemeldet - womöglich wäre ich ein harmloser, homophober Stiernacken mit Junggesellenabschiedsface und peinlichen Tätowierungen geworden. Und all dies nur, weil ich Prinzessin Peach befreien wollte. Sie ahnen es, ich spreche in Metaphern.
David Schuh, sitzt seit 24 Monaten in Heiko‘s Castle ein
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