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Nur kein Gedäh! – von Martin Knepper

Alles in Dutt

Aufgewachsen bin ich in einer kleinen Stadt im Bergischen, die durch den Einfluss des nahen und sektenfrohen Wuppertal über eine starke evangelisch-freikirchliche Gemeinde gebietet. Auch die protestantische Amtskirche am Ort war von reformierter Strenge gekennzeichnet; in meinem Katechumenenunterricht gab es keine Gitarren oder Prophetensammelkarten, das war knallharter Drill; noch bis heute, dem Glauben lange entwachsen, schießen mir bei kirchlichen Anlässen (die in zunehmendem Maß Beerdigungen sind) plötzlich komplette zwölfstrophige Preisgesänge in den ergrauenden Schädel zurück, die ich dann aus sportivem Stolz ohne Blick in das Gesangbuch zu schmettern vermag. Doch die demütig zur Schau getragene Spröde vieler Gottesdienstbesucherinnen der Hauptkirche wurde stets getoppt durch die Freikirchlerinnen, oft Damen der bergischen Hautevolee, schon von weitem erkennbar an ihren Farbmixen aus grau- und stuhlfarbenen, zuweilen auch blaukarierten Grobstofflichkeiten, deren einzig freiliegendes Körperteil, den Kopf, oft noch ein Kopftuch barg. Und unter diesem herauswulstend: DER DUTT. Als Kind dachte ich, er müsse die Heimstatt lichtscheuer Kerbtiere sein; stand man jedoch einmal beim Bäcker hinter einer der spröden Gesellschaftsdamen, sah man ein Geflecht aus Haarklammern, das jegliches Leben im Keim erstickte.

Nach meinem Auszug aus der Stadt der Bibelarbeiterinnen hätte ich den Haarbalg fast aus den Augen verloren. Doch er war, so scheint es, nie tot, und findet sich in miniaturisierter Form längst auf vielen Köpfen wieder. Es gibt ironische Brillen, ironische Kopfbedeckungen, viel zu viele ironische T-Shirts, aber der Haarknoten ist eigentlich immer unironisch, er ist sogar die dinggewordene Ernsthaftigkeit. Eine ins Haarige gewendete Zwei-Reiche-Lehre: Hie Welt der Arbeit, gewissenhaft wird jegliches Haupthaar aus dem durch Zugkräfte gleich mitgestrafften Antlitz nach hinten gerafft; dort die Stunden der Freizeit, in denen kundige Hände den Knoten herausoperieren, und das Haar in die Sinnlichkeitsbereitschaft zurückführen. (Vergleichbar hiermit der Pferdeschwanz, Schnauzbartäquivalent aller Polizistinnen.) "Eine (…) Blüte erlebte der Haarknoten in den 1940er Jahren, als in der Kriegsindustrie arbeitende Frauen ihre Haare im Knoten trugen, um sie während der Arbeitszeit zu schützen." (Wiki) Heutzutage, im Zeitalter zwar unverknoteter Verteidigungsministerinnen, ist die Dienstbereitschaft in die freigelegten Gesichter eingeschrieben: Keine Catherine Deneuve, keine Gudrun Ensslin kaschiert mehr ihre Herzensabgründe hinter dem langen Vorhang ihrer seidigen Haare, während sie über unverlattetem Kaffee Notizen ihrer Liebhaber oder Anschlagsziele durchforstet; Gesichter, offen wie moderne Steakhausküchen, die vornehme Blässe verstärkt durch das Licht ihrer Handtelefone, markieren heute die Stunden angespannter Straffung, einem Abend entgegenlebend, da mit dem Lösen des Ballerinen- und sonstigen Knotens Weichheitsreste in die Antlitze der doppeltbelasteten Kriegsarbeiterinnen zurückfinden. Doch schweig ich noch von dem, was ärger als der Tod: Den Man-Bun, den Herrenhaartumor zu geißeln, bedarf es unerschrockenerer Schreiber, als ich es bin; hebe ich nur zu einem Gedanken an, so durchbohrt es meine Finger wie mit 1000 Haarnadeln – Darum muß der Kluge zur selben Zeit schweigen; denn es ist eine böse Zeit. (Amos 5,13. Wer kriegt sie noch aufgezählt, die kleinen Propheten?)

Kategorie: Meinung



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Briefe an die Leser

 Damit hast Du nicht gerechnet, »Zeit online«!

Als Du fragtest: »Wie gut sind Sie in Mathe?«, wolltest Du uns da wieder einmal für dumm verkaufen? Logisch wissen wir, dass bei dieser einzigen Aufgabe, die Du uns gestellt hast (Z+), erstens der zweite Summand und zweitens der Mehrwert fehlt.

Bitte nachbessern: Titanic

 Sie, Romancier Robert Habeck,

Sie, Romancier Robert Habeck,

nehmen Ihren Nebenjob als Wirtschaftsminister wohl sehr ernst! So ernst, dass Sie durch eine Neuauflage Ihres zusammen mit Ihrer Ehefrau verfassten Romans »Der Tag, an dem ich meinen toten Mann traf« versuchen, fast im Alleingang dem darniederliegenden Literaturmarkt auf die Sprünge zu helfen. Könnten Sie sich als Nächstes das Zeitschriftensterben vorknöpfen?

Fragt Titanic

 Ganz, ganz sicher, unbekannter Ingenieur aus Mittelsachsen,

dass Du Deine Verteidigungsstrategie nicht überdenken willst? Unter uns, es klingt schon heftig, was Dir so alles vorgeworfen wird: Nach einem Crash sollst Du einem anderen Verkehrsteilnehmer gegenüber handgreiflich geworden sein, nur um dann Reißaus zu nehmen, als der Dir mit der Polizei kommen wollte.

Die beim wackeren Rückzug geäußerten Schmähungen, für die Du nun blechen sollst, wolltest Du vor dem Amtsgericht Freiberg dann aber doch nicht auf Dir sitzen lassen. Weder »Judensau« noch »Heil Hitler« willst Du gerufen haben, sondern lediglich »Du Sau« und »Fei bitter«. Magst Du das nicht noch mal mit Deinem Rechtsbeistand durchsprechen? Hast Du im fraglichen Moment nicht vielleicht doch eher Deinen Unmut über das wenig höfische Verhalten des anderen Verkehrsteilnehmers (»Kein Ritter!«) geäußert, hattest Deinen im selben Moment beschlossenen Abschied von den sozialen Medien (»Bye, Twitter!«) im Sinn, oder hast gar Deiner verspäteten Freude über die olympische Bronzemedaille des deutschen Ruder-Achters von 1936 (»Geil, Dritter!«) Ausdruck verliehen?

Nein? Du bleibst dabei? Und würdest dafür sogar ins Gefängnis gehen (»Fein, Gitter!«)?

Davor hat fast schon wieder Respekt: Titanic

 Keine Übertreibung, Mathias Richling,

sei die Behauptung, dass die Ampel »einen desaströsen Eindruck bei jedermann« hinterlasse, denn in den vielen Jahren Ihrer Karriere, so schilderten Sie’s den Stuttgarter Nachrichten, hätten Sie es noch nie erlebt, »dass ohne jegliche pointierte Bemerkung allein die bloße Nennung des Namens Ricarda Lang ein brüllendes Gelächter auslöst«.

Aber was bedeutet das? »Das bedeutet ja aber, zu Mitgliedern der aktuellen Bundesregierung muss man sich nichts Satirisches und keinen Kommentar mehr einfallen lassen.« Nun beruhigt uns einerseits, dass Ihr Publikum, das sich an Ihren Parodien von Helmut Kohl und Edmund Stoiber erfreut, wohl immerhin weiß, wer Ricarda Lang ist. Als beunruhigend empfinden wir hingegen, dass offenbar Sie nicht wissen, dass Lang gar kein Mitglied der aktuellen Bundesregierung ist.

Muss sich dazu nichts Satirisches und keinen Kommentar mehr einfallen lassen: Titanic

 Huhu, »HNA« (»Hessische/Niedersächsische Allgemeine«)!

Mit großer Verblüffung lesen wir bei Dir in einem Testbericht: »Frischkäse ist kaum aus einem Haushalt in Deutschland wegzudenken.«

Och, Menno! Warum denn nicht? Und wenn wir uns nun ganz doll anstrengen? Wollen wir es denn, HNA, einmal gemeinsam versuchen? Also: Augen schließen, konzentrieren und – Achtung: hui! – weg damit! Uuuund: Futschikato! Einfach aus dem eigenen Haushalt weggedacht. Und war doch überhaupt nicht schlimm, oder?

Es dankt für die erfolgreiche Zusammenarbeit und hofft, einen kleinen Denkanstoß gegeben zu haben, wenn nicht gar einen Wegdenkanstoß: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Dilemma

Zum Einschlafen Lämmer zählen und sich täglich über einen neuen Rekord freuen.

Michael Höfler

 3:6, 6:7, 0:6

Der Volontär in der Konferenz der Sportredaktion auf die Bitte, seine Story in drei Sätzen zu erzählen.

Ronnie Zumbühl

 Süße Erkenntnis

Für jemanden, der Pfirsich liebt, aber Maracuja hasst, hält die Welt viele Enttäuschungen bereit.

Karl Franz

 Hellseherisch

Morgen ist einfach nicht mein Tag.

Theo Matthies

 Nachwuchs

Den werdenden Eltern, die es genau mögen, empfehle ich meinen Babynamensvorschlag: Dean Norman.

Alice Brücher-Herpel

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
29.11.2023 Stuttgart, Theaterhaus Max Goldt
30.11.2023 Erfurt, Franz Mehlhose Max Goldt
30.11.2023 Friedrichsdorf, Forum Friedrichsdorf Pit Knorr & Die Eiligen Drei Könige
01.12.2023 Hamburg, Centralkomitee Hauck & Bauer