Nur kein Gedäh! – von Martin Knepper
Die Milch der frommen Denkungsart
Zuweilen fährt im Supermarkt die Verantwortung in mich ein wie ein guter Geist in die brache Seele, und ich kaufe die einzige Packung Milch aus biologischem Anbau, mit fairen Preisen für Milchbauern, gentechnikfrei aus Weidefütterung in vollständig kompostierbarer Verpackung; aufgrund naturnaher Verarbeitung haltbar noch drei Tage vom Datum des Kaufs an - was zugleich bedeutet, dass wir sie bei unserem Milchgebrauch, der sich auf einen Schuss in den Kaffee und eine gelegentliche Müslieinweichung beschränkt, niemals vollständig bis zum Zeitpunkt inneren Grusels (der etwa zwei Tage nach diesem Termin liegt) aufgebraucht bekommen haben werden. Bedauerlich bei einer Milch, die preislich 30 Cent über der Industriemilch liegt, doch sie dauert mich, wie sie da so vereinzelt, unbeachtet im Regal steht, als einzige Rotverpackte unter ihren blauen Schwestern auch farblich ein Paria, den es mich drängt, zum höchstens halben Verzehr in den Gnadenhof unseres Kühlschranks zu überführen, mir, der Milch und der Welt zum Guten. Doch natürlich scherze ich, wie es sich für eine heitere Kolumne ziemt: In Wahrheit habe ich nur deshalb zu diesem edelfairen Weißsaft gegriffen, weil das Kühlregal mit der sündigen Massenmilch durch andere Kunden umstellt war, und ich den Körperkontakt mit ihnen um jeden Preis vermeiden wollte. Und dieser Preis kommt jetzt wahrscheinlich irgendwelchen Freien Wählern aus Niederbayern zugute. "Tu was du willst, es wird dich gereuen."
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