Meditation und Markt mit Dax Werner
Bitte betäube mich
Liebe Leser_innen,
es gab vor ein paar Jahren mal so einen Trend, ich weiß gar nicht so richtig, was daraus geworden ist, aber er nannte sich "Konstruktiver Journalismus". Die Idee: den Menschen da draußen weniger problemorientierten, dafür umso mehr lösungsorientierten Content an die Hand geben. Als Entrepreneur und Investor habe ich diesen damaligen Paradigmenwechsel natürlich mehr als begrüßt: Mit konstruktivem Journalismus ließ sich die aus meiner Sicht unnötige gesellschaftliche Debatte über technische Lösungen für soziale Probleme prima skippen, indem einfach ein Startup mit einem Geschäftsmodell gegen diesen oder jenen Missstand vorgestellt wird, denn Probleme, das wissen wir jetzt hoffentlich inzwischen alle, sind am Ende auch nur dornige Chancen. En passant bot sich uns Unternehmern ein neues, viel werbefreundlicheres Umfeld, in dem wir unsere CTAs (Call-to-actions), dieses oder jenes Produkt einzukaufen oder Kredite aufzunehmen, viel besser arbeiten konnten. Kurz gesagt: Das ganze Ding hat mir seinerzeit richtig Bock auf Zukunft gemacht!
Leider hat uns die Zukunft einen Strich durch die Rechnung gemacht. Als um Neujahr herum erst das Krefelder Affenhaus und dann ganz Australien in Flammen stand, hätten wir schon ahnen können, dass dieses Jahr besonders wird, doch wäre 2020 eine Netflix-Serie, ich wäre spätestens nach der Märzfolge ausgestiegen. Neulich habe ich eine echte Fernsehserie angeguckt, in der eine Familie einfach nur normal Weihnachten gefeiert hat (übrigens absoluter Serientipp: "Bonusfamiljen"), und ich musste auf einmal weinen. Auch das damalige konstruktiv-journalistische Vorzeigeprojekt "Perspective Daily" veröffentlicht inzwischen zum großen Teil Listicles im erweiterten Themenspektrum von Missständen, Mangel und Katastrophen "unserer Zeit". Klickt halt geiler.
Deswegen muss ich an dieser Stelle ehrlich gestehen: Inzwischen sehne ich mich fast in die gute alte, circa 2 Wochen andauernde Ära des echten konstruktiven Journalismus zurück. Und das sage ich nicht als Entrepreneur, sondern als Mensch. Mit echten Gefühlen. Emotions. Können wir diesen neuen lösungsorientierten approach nicht einfach wiederbeleben? First as a marketing stunt, then aber ernstgemeint? Denn eigentlich möchte ich nur noch von konstruktivem Content betäubt werden.
Euer: Dax Werner
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