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Meditation und Markt mit Dax Werner

Augmented reality

Liebe Leser_innen,

bitte einmal kurze Rückmeldung per Mail: Wer von euch war damals auch so Pokémon-Go-süchtig? Wir erinnern uns: Man lief stundenlang mit Smartphone und Powerbank durch die Gegend und ständig erschienen aus dem Nichts wilde Evoli, Karpadors und Pummeluffs. Pokéball draufgecurved, in den Pokédex registriert und weiter ging die geile Jagd! Das Geheimnis des Pokémon-Go-Erfolgs: Die App legte sozusagen einen neuen, viel spannenderen Layer über die bis dahin bekannte Realität. Stichwort augmented reality.

Der große Pokémon-Hype ist zwar fürs Erste schon wieder vorbei, aber das Prinzip der erweiterten Realität ist geblieben. Zum Beispiel mit der Corona-Warn-App ("Funktioniert sie oder funktioniert sie nicht? Hab ich’s vielleicht schon gehabt? Aufregend!"), aber auch in Bezug auf Verschwörungstheorien (oder wie wir im Internet inzwischen woker sagen: Verschwörungsmythos!). Noch das Bedeutungsloseste sieht man mithilfe von Verschwörungsmythen plötzlich in einem zwar komplett ausgedachten, dennoch viel phantasievolleren Bedeutungszusammenhang, 5G-Masten werden von Einrichtungen des neuesten Mobilfunkstandards zu Covid-19-Verstärkern, Donald Trump zum Retter der Menschheit und Bill Gates zum Impf-Endgegner: Für Verschwörungsmystiker_innen ist die Welt in Zeiten der Pandemie ein riesiges interaktives Rollenspiel geworden.

Dieses Live-Action-Roleplay (LARP) ist nun aber spätestens seit der Corona-Pandemie kein Exklusiv-Zeitvertreib von ohnehin auch sonst wenig zurechnungsfähigen Zeitgenossen mehr: Bei der Anti-Corona-Demo in Berlin am vergangenen Wochenende tummelte sich neben QAnons, Hippies, Rechtsextremen und Nudisten eben auch das pensionierte Lehrer-Ehepaar aus Stuttgart-Zuffenhausen, durch die explosive Mischung aus Lockdown-Langeweile und Youtube-Algorithmus binnen Wochen von den besten Volker-Pispers-Auftritten über die Nachdenkseiten zu KenFM und Coronaverschwörung hochgelevelt. Oder wie man auch sagen könnte: Gamifiziert.

Und noch bevor du factcheck buchstabieren kannst, findest du dich an einem heißen Samstag auf der Straße des 17. Juni neben einem in Pluderhose und Merinowolle-Oberteil gegen 5G-Masten anflötenden Medizinmann wieder und tanzt dich zu Heiko Schrangs Enthüllungen in Trance.

Schwamm drüber, kann passieren. Auch ich verbringe manchmal viel Zeit im Internet. Wenn man den intellektuellen Vordenker_innen der Republik glauben darf (und ich will ihnen glauben), ist es für uns Netflix-Globalisten und hyperironische Internet-Satiriker jetzt nicht an der Zeit für die üblichen Reflexe (Memes, Faktenchecks, change.org-Petitionen), die inzwischen nur noch so hilflos wirken wie Trumps Covid-19-Krisenmanagement; nein, für uns steht jetzt ein bullet point ganz oben auf der To-Do-Liste: Wir müssen das Gespräch mit denen suchen, die noch nicht ganz abgedriftet sind, die aufgewachten Schafe wieder einfangen und neues Feuer entfachen für das faktenbasierte liberale Projekt. Wenn wir die Deutschland AG nach den jüngsten Katastrophen-Quartalszahlen wieder auf Kurs bringen wollen, ja wenn Peter Altmaiers Traum vom wiedereinsetzenden Wirtschaftswachstum ab Oktober nicht bloß Traum bleiben soll, dann müssen wir zuallererst eines akzeptieren: Der Ball liegt in unserer Spielhälfte. Es geht um unser Land.

Wieder einmal machen die entrepreneurs in den Staaten und dem Silicon Valley vor, wie es gehen kann: Während in Deutschland noch heiß debattiert wird, ob Thalia die Bücher von Attila Hildmann verkaufen darf, generiert Amazon-Boss Jeff Bezos mit den bahnbrechenden Studien Heiko Schrangs ("Die Jahrhundertlüge, die nur Insider kennen", 24,90 €, gebunden, bitte so schnell es geht mit Prime an mich) und der QAnon-Bibel "An Invitation to The Great Awakening" (führte letztes Jahr die Amazon-Toplisten an) an Cancel-Twitter vorbei ein nicht gerade kleines passives Nebeneinkommen. If you can't beat them, join them. Hoffentlich hat Bezos bald genug verdient, um sein Raumschiff zu bauen!

Vielleicht müssen wir diesen ganzen Wahnsinn einfach proaktiv umarmen, so wie der reichste Mann der Welt. Mehr noch: Vielleicht endet das Spiel ja in dem Augenblick, wenn Fr. Merkel laissez-faire in einem ihrer Regierungspodcasts verkündet, dass alles, was sich die truther so ausdenken, wirklich wahr ist. Dass sie die ganze Zeit – mit was auch immer – Recht hatten. Dann hätten sie ihr Spiel gewonnen, wir unsere Ruhe und wir könnten uns alle gemeinsam wieder dem widmen, was wirklich wichtig ist: Wertschöpfung und Innovation für den Wirtschaftsstandort Deutschland.

Der Pokémon-Go-Hype endete damals für mich, als die Arenakämpfe immer verbissener wurden. Lasst uns die ideologischen Waffen ablegen und zusammen in eine neue sonnige Zukunft blinzeln.

Pack ma's, euer Dax Werner

Kategorie: Meinung



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Briefe an die Leser

 Ciao, Luisa Neubauer!

»Massendemonstrationen sind kein Pizza-Lieferant«, lasen wir in Ihrem Gastartikel auf Zeit online. »Man wird nicht einmal laut und bekommt alles, was man will.«

Was bei uns massenhaft Fragen aufwirft. Etwa die, wie Sie eigentlich Pizza bestellen. Oder was Sie von einem Pizzalieferanten noch »alles« wollen außer – nun ja – Pizza. Ganz zu schweigen von der Frage, wer in Ihrem Bild denn nun eigentlich etwas bestellt und wer etwas liefert bzw. eben gerade nicht. Sicher, in der Masse kann man schon mal den Überblick verlieren. Aber kann es sein, dass Ihre Aussage einfach mindestens vierfacher Käse ist?

Fragt hungrig: Titanic

 Wow, Instagram-Kanal der »ZDF«-Mediathek!

In Deinem gepfefferten Beitrag »5 spicy Fakten über Kim Kardashian« erfahren wir zum Beispiel: »Die 43-Jährige verdient Schätzungen zufolge: Pro Tag über 190 300 US-Dollar« oder »Die 40-Jährige trinkt kaum Alkohol und nimmt keine Drogen«.

Weitergelesen haben wir dann nicht mehr, da wir uns die restlichen Beiträge selbst ausmalen wollten: »Die 35-Jährige wohnt nicht zur Miete, sondern besitzt ein Eigenheim«, »Die 20-Jährige verzichtet bewusst auf Gluten, Laktose und Pfälzer Saumagen« und »Die 3-Jährige nimmt Schätzungen zufolge gerne das Hollandrad, um von der Gartenterrasse zum Poolhaus zu gelangen«.

Stimmt so?

Fragen Dich Deine Low-Society-Reporter/innen von Titanic

 Boah ey, Natur!

»Mit der Anpflanzung von Bäumen im großen Stil soll das Klima geschützt werden«, schreibt der Spiegel. »Jetzt zeigen drei Wissenschaftlerinnen in einer Studie: Die Projekte können unter Umständen mehr schaden als nützen.« Konkret sei das Ökosystem Savanne von der Aufforstung bedroht. Mal ganz unverblümt gefragt: Kann es sein, liebe Natur, dass man es Dir einfach nicht recht machen kann? Wir Menschen bemühen uns hier wirklich um Dich, Du Diva, und am Ende ist es doch wieder falsch!

Wird mit Dir einfach nicht grün: Titanic

 Persönlich, Ex-Bundespräsident Joachim Gauck,

nehmen Sie inzwischen offenbar alles. Über den russischen Präsidenten sagten Sie im Spiegel: »Putin war in den Achtzigerjahren die Stütze meiner Unterdrücker.« Meinen Sie, dass der Ex-KGBler Putin und die DDR es wirklich allein auf Sie abgesehen hatten, exklusiv? In dem Gespräch betonten Sie weiter, dass Sie »diesen Typus« Putin »lesen« könnten: »Ich kann deren Herrschaftstechnik nachts auswendig aufsagen«.

Allerdings hielten Sie sich bei dessen Antrittsbesuch im Schloss Bellevue dann »natürlich« doch an die »diplomatischen Gepflogenheiten«, hätten ihm aber »schon zu verstehen gegeben, was ich von ihm halte«. Das hat Putin wahrscheinlich sehr erschreckt. So richtig Wirkung entfaltet hat es aber nicht, wenn wir das richtig lesen können. Wie wär’s also, Gauck, wenn Sie es jetzt noch mal versuchen würden? Lassen Sie andere Rentner/innen mit dem Spiegel reden, schauen Sie persönlich in Moskau vorbei und quatschen Sie Putin total undiplomatisch unter seinen langen Tisch.

Würden als Dank auf die Gepflogenheit verzichten, Ihr Gerede zu kommentieren:

die Diplomat/innen von der Titanic

 Hallo, faz.net!

»Seit dem Rückzug von Manfred Lamy«, behauptest Du, »zeigt der Trend bei dem Unternehmen aus Heidelberg nach unten. Jetzt verkaufen seine Kinder die Traditionsmarke für Füller und andere Schreibutensilien.« Aber, faz.net: Haben die Lamy-Kinder nicht gerade davon schon mehr als genug?

Schreibt dazu lieber nichts mehr: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 No pain, no gain

Wem platte Motivationssprüche helfen, der soll mit ihnen glücklich werden. »There ain’t no lift to the top« in meinem Fitnessstudio zu lesen, das sich im ersten Stock befindet und trotzdem nur per Fahrstuhl zu erreichen ist, ist aber wirklich zu viel.

Karl Franz

 Treffer, versenkt

Neulich Jugendliche in der U-Bahn belauscht, Diskussion und gegenseitiges Überbieten in der Frage, wer von ihnen einen gemeinsamen Kumpel am längsten kennt, Siegerin: etwa 15jähriges Mädchen, Zitat: »Ey, ich kenn den schon, seit ich mir in die Hosen scheiße!«

Julia Mateus

 Die Touri-Falle

Beim Schlendern durchs Kölner Zentrum entdeckte ich neulich an einem Drehständer den offenbar letzten Schrei in rheinischen Souvenirläden: schwarzweiße Frühstücks-Platzmatten mit laminierten Fotos der nach zahllosen Luftangriffen in Schutt und Asche liegenden Domstadt. Auch mein Hirn wurde augenblicklich mit Fragen bombardiert. Wer ist bitte schön so morbid, dass er sich vom Anblick in den Fluss kollabierter Brücken, qualmender Kirchenruinen und pulverisierter Wohnviertel einen morgendlichen Frischekick erhofft? Wer will 365 Mal im Jahr bei Caffè Latte und Croissants an die Schrecken des Zweiten Weltkriegs erinnert werden und nimmt die abwischbaren Zeitzeugen dafür sogar noch mit in den Urlaub? Um die Bahn nicht zu verpassen, sah ich mich genötigt, die Grübelei zu verschieben, und ließ mir kurzerhand alle zehn Motive zum Vorteilspreis von nur 300 Euro einpacken. Seitdem starre ich jeden Tag wie gebannt auf das dem Erdboden gleichgemachte Köln, während ich mein Müsli in mich hineinschaufle und dabei das unheimliche Gefühl nicht loswerde, ich würde krachend auf Trümmern herumkauen. Das Rätsel um die Zielgruppe bleibt indes weiter ungelöst. Auf die Frage »Welcher dämliche Idiot kauft sich so eine Scheiße?« habe ich nämlich immer noch keine Antwort gefunden.

Patric Hemgesberg

 Überraschung

Avocados sind auch nur Ü-Eier für Erwachsene.

Loreen Bauer

 Einmal und nie wieder

Kugelfisch wurde falsch zubereitet. Das war definitiv meine letzte Bestellung.

Fabian Lichter

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
20.04.2024 Eberswalde, Märchenvilla Max Goldt
20.04.2024 Itzehoe, Lauschbar Ella Carina Werner
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt