Meditation und Markt mit Dax Werner
Das Heinsberg-Protokoll
Liebe Leser*innen,
nennt mich altmodisch, aber ich steh' auf Netiquette im Web. Auch und gerade in Zeiten von Corona. Egal, ob wir unseren eigenen Brand nun auf Facebook, Twitter oder Fortnite promoten: Ein liebes Wort oder eine kleine Geste von Herzen haben noch nie geschadet.
Leider habe ich in den letzten Tagen – trotz der wichtigsten kirchlichen Feiertage! – davon besonders wenig erleben dürfen. Im Gegenteil: In der Causa Heinsberg-Studie gibt es für meine lieben Berliner Freund*innen bei der PR-Agentur "Storymachine" gerade mächtig Gegenwind auf der digitalen Datenautobahn. 80 Millionen Corona-Experten machten sich kurz nach Erscheinen der zweiseitigen Mammut-Studie mit der besonders kritischen Lupe daran, das Haar in der Suppe zu suchen, obwohl die frohe Botschaft des Viren-Beau Prof. Dr. Hendrik Streeck von Kai Diekmann, Philipp Jessen und Co. doch zeitgleich und vollumfänglich in die sozialen Netzwerke gedonnert wurde: Nach Ostern rollen wir den Elektrogrill wieder raus!
Und als wäre das noch nicht genug, wird in typisch deutscher Nichtsgönner-Manier darauf herumgeritten, dass die PR-Profis ihre magischen Internet-Fähigkeiten völlig selbstlos in den Dienst der guten Sache gestellt haben. Ganz ehrlich: Welchen Vorteil soll denn eine PR-Agentur daraus ziehen, dass sie kostenlos die erste große Studie zur Jahrhundert-Pandemie veröffentlicht? Da fehlt mir einfach die Fantasie. Der Druck wurde jedoch schnell so groß, dass "Storymachine"-Chef Jessen zum Interview-Termin bei der – das ist bekannt – besonders Diekmann-kritischen Plattform Meedia.de antanzen musste. Jetzt wird’s ungemütlich. Meedia erinnert uns im Intro zum Interview nochmal an das jahrhundertealte Gesetz bei "Storymachine": "Die Devise bei Storymachine ist klar: Über Kunden wird nicht geredet." Zeig mir einen Deutschen, der diese Storymachine-Devise nicht kennt, und ich zeige dir einen Lügner. Danach geht es im Interview zur Sache: "Welche Herausforderungen gibt es bei der Zusammenarbeit?", "Wie kam es zu der Zusammenarbeit mit Prof. Streeck und dem Universitätsklinikum Bonn?" und "Wird Storymachine zukünftig mehr Einblicke in die eigene Arbeit und Projektbeteiligungen geben?". Egal, wie sehr eine(r) was verbockt hat: Niemand hat es verdient, in einem E-Mail-Interview derart rufschädigend auseinandergenommen zu werden. Ich werde erstmals in der jahrhundertealten Geschichte dieser Kolumne eine Beschwerde beim Deutschen Presserat einreichen.
Vielleicht sind die Nörgler, Nichtsgönner und Internet-Rambos da draußen erst zufrieden, wenn gar keine Studien mehr veröffentlicht werden. Ich weiß es nicht.
Wütende Grüße: Euer Dax Werner
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