Meditation und Markt mit Dax Werner
Gib Reformen jetzt, Geiler!
Die Menschen vergessen zu schnell. Wer kann sich heute noch dran erinnern, dass Emmanuel Macron Frankreich und Europa 2017 mit seiner beispiellosen Bewegung En Marche vor der rechtsradikalen Marine Le Pen gerettet hat? Ich schon! Und auch daran, welchen Hustle und Spirit der liberale Beau seither hingelegt hat: Umverteilung von unten nach oben und coole Zitate, die den einfachen Franzosen von der Straße eigentlich bis unter die Haarspitzen motivieren müssten: "Der beste Weg, um sich einen Anzug kaufen zu können, ist arbeiten zu gehen!" oder "Französische Arbeiter sollten weniger auf die Barrikaden gehen, streiken und Fabriken blockieren, sondern sich lieber eine neue Arbeit suchen, wenn ihr Betrieb schließt!"
Schade, dass dieser regelrecht akzelerationistische Approach weder in Deutschland noch in Frankreich so richtig verstanden wird. Gut, hierzulande haben wir ohnehin keine Denker vom Format eines Macron, am ehesten vielleicht noch Frank Thelen. Aber auch in Frankreich formiert sich Protest: Über das Internet haben sich die Gelbwesten oder wie wir Frankreich-Kenner sagen: Le mouvement des gilets jaunes formiert und veranstalten seit drei Wochen entspannte Protest-Spaziergänge im ganzen Land. Das klappt bisher ganz gut! Vor allem, wenn man bedenkt, dass, sobald sich Deutsche in Facebookgruppen organisieren, am Ende immer so ungeile Sachen rauskommen wie der "Trauermarsch" in Chemnitz oder die Scharia Polizei in Wuppertal.
Was können wir Deutschen nun konkret tun, wo können wir unserem französischen Nachbarn in dieser wirren politischen Gemengelage helfen? Das können meiner Meinung nach ganz einfache Dinge sein: In Hamburg und Berlin organisieren sich beispielsweise zur Stunde G20-erprobte Twitter-Influencer_innen, die gemeinsam mit dem VW Bulli nach Paris fahren, um dort Sparkassen zu putzen – Prima! Und auch an einem anderen Geschenk führt meines Erachtens kein Weg mehr dran vorbei: Wenn es uns ernst ist mit der Deutsch-Französischen Freundschaft, wenn uns Macrons Worte von Ende November ("Frankreich liebt Deutschland!") irgendetwas bedeuten, dann müssen wir den Hamburger Polizeidirektor Hartmut Dudde wieder ausbuddeln und nach Paris schicken (als Geschenk). Ein gerader und ehrlicher Typ aus dem Norden: Nur er kann die Proteste demokratisch und mit Augenmaß wieder in geordnete Bahnen lenken.
Und zu guter Letzt: Gelassen bleiben. Auch online. Viele Journalist_innen haben jahrelang ihr Frankreich-Auskennertum (wirres Zeug über irgendwelche innenpolitischen Sachen; Namen, die keiner kennt; in jedem Artikel fünfmal Grande Nation erwähnen) zelebriert, Tweets ins Internet gedrückt und jahrelang sind die Dinger bei 4 bis 5 Likes verhungert. Jetzt schlägt ihre Stunde. Gönnen wir ihnen diesen Moment.
Und drücken wir die Daumen, dass Emmanuel Macron der Laden nicht um die Ohren fliegt. Das wäre kein gutes Signal für Europa.
Au revoir und bis in zwei Wochen,
Euer:
Dax Werner
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