Glanz und Elend des Kurtchen Sahne. Ein Wochenend-Fortsetzungsroman (80)
Sie stiefelten durch die Vorstadt. Die Sonne wärmte golden und lag faul auf Klinker und Rauhputz, ein fuchsfarbenes Kätzchen stob unter einen breitbereiften Sportaudi mit Kinderwagenabteil. Auf an Vorgartentüren angebrachten Plastikschildern wachten Hunde, vor einer Trinkhalle namens "Zum Grieche" hielten Durstige Bierflaschen ins helle Nichts des Tages. Sie sprachen undeutlich, die Politik kam nicht gut weg. Ein Friseurgeschäft hieß "Haare Up", an einem verhärmten grauen Häuschen hingen graue Tapeten hinter Einscheibenglasfenstern, dahinter (wahrscheinlich) eine Oma nebst Mindestrente und Bullerofen. Nebenan war wieder alles in Ordnung, das Haus war eingerüstet, die Isolierplatten lagen schon im Vorgarten. Etwas später war ein Fenster zur Straße offen, an der Stubenwand spielten sich in schneller Folge unnötige Szenen ab. Das Leben ging insgesamt seinen Gang.
Kurtchen wollte Gernolf schon fragen, wie lange es wohl noch dauere, er hatte jetzt tatsächlich Durst und konnte sich ans vergangene Herlaufen partout nicht erinnern, was wohl als Hinweis gelten durfte, daß es nicht allzulang gedauert haben konnte; und es ginge ja auch nicht schneller, wenn er es wüßte. Also fragte er nicht, zog aber die Jacke aus und faßte sie unter.
Dann waren sie auch schon da. Kurtchen entdeckte als erstes Petra, die in einem roten Polo-Shirt steckte, ihre Jacke neben sich auf der Bierbank; ihr gegenüber Fred, der, die Unterarme parallel zur Tischkante geschichtet, halb über dem Tisch hing, als gebe es Vertrauliches zu besprechen. Der vorgebeugte Fred gab den Blick auf Irgendwie-Heiner frei, der hinter ihm saß, Kurtchen erkannte ihn gleich an seiner groß geratenen Hipster-Hornbrille; wer neben Petra saß, war nicht zu erkennen.
Neben Petra saß niemand, sie waren zu dritt und jetzt, mit dem Eintreffen der Freunde, zu fünft.
"Hee!" machte Fred fröhlich und strahlte, und Kurtchen wurde ein wenig unwohl, wie immer, wenn er argwöhnte, etwas verpaßt zu haben. Und irgend etwas verpaßt hatte er ja nun garantiert, das war ja gar nicht zu vermeiden. "Das war ja wohl irgendwie klar", sagte Irgendwie-Heiner rätselhaft, indem er sich aus seiner blauen Trainingsjacke arbeitete.
"Tja", sagte Gernolf kongenial und schob sich hinter Petra auf den Platz neben ihr, Irgendwie-Heiner gegenüber, so daß Kurtchen jetzt etwas unbestellt an der Stirnseite des Biertisches stand und, das paarweis vollzählige Ensemble vor sich, eine Platzwahl treffen mußte, die, schon weil er sich als fünftes Rad an den Wagen schrauben mußte, keine Ideallösung zuließ. Er hatte nur die Wahl, sich entweder Petra oder Heiner direkt auszusetzen, und beides war ihm nicht recht, wenn auch aus völlig unterschiedlichen Gründen; aber die Zeiten, in denen er lieber eine Figur wie Heiner ertragen hätte, bloß um den Eindruck zu vermeiden, er lege Wert auf die Nähe einer Dame, waren dann doch zu lange vorbei, und schließlich hatte ihn Petra ja auch ausdrücklich in Kenntnis gesetzt und dabei haben wollen. Und Kurtchen bedeutete Fred souverän, neben sich Platz zu machen. (wird fortgesetzt)
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