Glanz und Elend des Kurtchen Sahne. Ein Wochenend-Fortsetzungsroman (26)
"Hast du vom Verlag ‘Paare Mutanten’ schon gekriegt?" fragte Fred, an Kurtchen gewandt, und legte die Unterarme übereinander, und einerseits fiel Kurtchen intern ein bißchen zusammen, weil der Umstand, daß er vor Minuten noch an einer peinlichen Investigation in puncto Petra vorbeigeschrammt war, es ja nun noch nicht rechtfertigte, das Ausbleiben der einen Peinlichkeit durch die nächste zu salvieren. Andererseits war ihm jedes Thema lieber als Petra; und außerdem war Gernolf ja auch gar nicht angesprochen, und Kurtchen wurde nicht schlau aus der Frage, ob das bloß der Tangentialbekanntschaft der beiden geschuldet war oder doch einer Bosheit, die der brave Fred bislang recht gut verborgen hatte.
"Ist jedenfalls noch nichts angekommen", sagte Kurtchen wahrheitsgemäß. "Bin gespannt. Ich wußte ja gar nicht, daß du's neuerdings mit Science Fiction hast."
"Nicht Science Fiction. Horror!" korrigierte Fred, und Kurtchen bemühte sich, gleichzeitig Fred anzusehen und Gernolf im Augenwinkel zu behalten.
"Ein Genrewechsel", erläuterte der Hollandfahrradfahrer und sah, wie um luftzuholen, auf seine Unterarme. "Ich dachte: Fred, natürlich kannst du jetzt die nächsten fünfzig Jahre deine Boy meets Girl-Stiefel schreiben." Er sah kurz über Kurtchens Kopf hinweg, riß den rechten Arm nach oben, spreizte Daumen, Zeige- und Mittelfinger ab und sprach lautlos ein "drei Bier" in die Luft, Gernolf war also offiziell anwesend.
"Ich weiß ja jetzt, wie es geht. Einmal im Jahr einen Riemen runterkloppen, im unteren Drittel der Spiegel-Bestseller landen, ab und zu mal in der FAZ stehen und auf der Buchmesse mit der Loverberg", Fred ließ seine Zunge andeutungshalber zwei Hügel in die Backe stoßen, Kurtchen hatte das abermals für ein Gerücht gehalten, da konnte man mal sehen; wenn's nicht eh gelogen war. Oder jedenfalls übertrieben. "Aber ihr wißt ja, wie es ist" – Fred seufzte, und Kurtchen bewunderte Freds bald ex-, bald inkludierende Taktik sehr –, "man wird nicht jünger, und eines morgens sitzt man wie all die anderen Trottel in der Küche und fragt sich: Kann das schon alles gewesen sein?"
Wieder brach am Kartentisch ein Lärmen los, aber Kurtchen war viel zu sehr damit beschäftigt, Freds Versuch zu folgen, Gernolf vorzuführen, und diesen Versuch auf einer Skala, die von "Sausack" bis "Feinstironiker" reichte, sauber einzutragen.
Gernolf grinste jetzt auf eine vage einverständige Art, was Kurtchen für ein Angebot hielt, die Sache tatsächlich ironisch zu verhandeln. Fred indes wollte wohl wirklich trumpfen, war vielleicht auch einfach schon hinüber, ab vier ging da der Kühlschrank auf, das war bekannt. "Ich meine, anfangen ist ja leicht. Starting up's the easiest thing. Da schimmert's noch, da wohnt ein Zauber inne und alles. Tödlich wird das erst", und Fred stieß ein bißchen auf, "wenn die Routine beginnt. Was würde ich darum geben", und Kurtchen hätte schwören können, daß halbsekundenweis' etwas sehr Dämonisches über Freds im übrigen argloses, graumeliert umwölktes Antlitz wischte, "wenn ich noch mal am Schreibtisch sitzen könnte, ein leeres Blatt Papier vor mir und tausend Ideen im Kopf. So frei bist du doch im Grunde nie wieder." Fred grinste jetzt, er hielt's wohl nicht mehr aus.
"Jetzt paß mal auf, du Arschloch", Gernolf hatte weder die Stimme noch den Blick gehoben, und Kurtchen, der stets für sich in Anspruch nahm, aus Alters- wie allgemein philosophischen Gründen dem Klammergriff der Neugier längst entkommen zu sein, fürchtete sich zwar ein bißchen, weil er es haßte, wenn Leute, die er mochte, sich zankten und er sich dazu verhalten mußte; freute sich aber auch sehr auf das, was jetzt folgen würde, denn er wußte es kein Stück. (wird fortgesetzt)
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