Glanz und Elend des Kurtchen Sahne. Ein Wochenend-Fortsetzungsroman (16)
Natürlich wedelte der Mann, der so schnaufend und dellinghaft vor Kurtchens Türe stand, nicht mit dem Penis; ja hatte ihn nicht einmal entborgen, wie Kurtchen, der sich gern im Kontrafaktischen erging und sich vorstellte, wie es wäre, wenn es anders wäre als es war, dann doch nicht ohne Erleichterung zur Kenntnis nahm. Für fremde Penisse interessierte er, Kurtchen, sich schließlich nur bedingt bis eigentlich überhaupt nicht, erst recht nicht, wenn sie an solch mediokren Figuren wie diesem Herrn hier baumelten. Gut also, daß sie nicht baumelten.
"Ich bin", faßte der Mann, der sich mit einem Taschentuch über die hohe Stirn wischte, mählich wieder Tritt, "von der Blawag, Ihrem freundlichen Energiedienstleister."
"Aha", machte Kurtchen und fand es amüsant, daß dem freundlichen Dienstleister vor lauter Überanstrengung das Guten Tag entfallen war.
"Ich wollte mich mal erkundigen", erkundigte sich der Mann, der jetzt tatsächlich ein freundliches Gesicht machte, "wie zufrieden Sie mit Ihrem aktuellen Energieversorger sind."
"Sehr", antwortete Kurtchen, der spontan gar nicht wußte, von wem er Strom und Gas bezog und dem das eigentlich auch egal war.
"Das ist schön", log der Mann pflichtgemäß. "Darf ich fragen, wie hoch Ihr aktueller Tarif ist?"
Kurtchen sah über den Kopf des Mannes hinweg durch das Dachfenster überm Treppenhaus, wo eine Wolke so aussah wie eine Wolke, die unbedingt so aussehen wollte wie eine Wolke, die wie ein Schaf aussah. Ein sehr wolkenähnliches Schaf zwar, aber doch ein Schaf.
Kurtchen erschrak ein bißchen, als er feststellte, daß dieser kleine Gedankenausflug nicht lange genug gedauert hatte, um den Mann mit den lästigen Tariffragen den Mut zum Ausharren zu nehmen. Ein Vollprofi, kein Zweifel.
"Mittelhoch", sagte Kurtchen, der jetzt wirklich lieber ferngesehen hätte und vage überlegte, ob er den Mann im Anzug, den er mit derlei Geplänkel aus der Tür zu eimern versuchte, nicht als Vorwand nehmen könnte, den Kneipenabend doch noch abzublasen.
"Verstehe", sagte der Mann, und Kurtchen wußte nicht, ob er wirklich verstand, also ob er, der Mann, ihn, Kurtchen für den überlegenen, TV-süchtigen Spötter hielt, der er war, oder für einen der wahrscheinlich zahlreichen Idioten, die das Wort Kilowattstunde noch nie gehört hatten und deswegen immer in Tränen ausbrachen, wenn Peter Zwegat bei ihnen auf dem Sofa saß.
"Hätten Sie denn vielleicht Ihre letzte Stromrechnung da? Dann könnten wir mal einen Blick drauf werfen und schauen, ob da noch Luft nach oben ist."
Nach unten, korrigierte Kurtchen still, der zwar nicht wenig Lust hatte, den Blödsinn noch eine Weile mit- und auszuspielen – nicht zuletzt, um dem Mann ein paar hübsche Phrasen herausrudern zu hören, etwa "Geld in die Hand nehmen" oder "kein Thema" –, den Wurstl aber auch nicht ohne Not in seine Wohnung lassen wollte, um ihn dabei zusehen zu lassen, wie Kurtchen sich durch seine Stromrechnungen wühlte.
"Die ist", sagte Kurtchen, der es jetzt als sportliche Herausforderung nahm, den Blawag-Mann möglichst schnell und möglichst geräuschlos loszuwerden, "bei meinem Steuerberater, tut mir leid, normalerweise mach ich ja immer Kopien, aber ich hab mir neulich mal gedacht, Stromrechnungen, die brauch man doch eigentlich nie, und deswegen sind die Originale weg, tut mir leid. Ich könnte aber", ritt Kurtchen jetzt der Teufel, "bei meinem Kumpel anrufen und fragen, was der so verbraucht, ich meine, wir sind gleich alt und die Wohnungen ähnlich, da ist der Verbrauch wahrscheinlich gleich. Also, sein neuer Flachbildfernseher verbraucht am Ende mehr als meine Röhrenmöhre, dafür dusche ich öfter. Mein Kumpel hat immer diese Angst um seinen Säureschutzmantel, und von daher..."
"Kein Thema", retournierte der Mann glänzend und schien aber trotzdem bei der Einsicht angelangt, für eine wer weiß wie lachhafte Provision doch nicht alles mitzumachen. (wird fortgesetzt)
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