Glanz und Elend des Kurtchen Sahne. Ein Wochenend-Fortsetzungsroman (14)
Trotz seiner Neigung, das Altern nicht für eine Katastrophe zu nehmen, beunruhigte Kurtchen der Gedanke an die nächsten zwanzig Jahre in dieser – so groß konnte der Gout des Wortes „Stilaltbau“ gar nicht sein, um das nicht zuzugeben – wohnmaschinellen Katastrophe, deren Vorteil sich in ihrer, das war die Dialektik, vollendeten Naturhaftigkeit, welche sich in der getreulichen Abbildung der klimatischen Verhältnisse vor den Fenstern manifestierte (im Sommer heiß, im Winter kalt), tatsächlich erschöpfen mochte. Ah; dachte Kurtchen. Und: fuck. Und dann: daß er jetzt Gernolf anrufen wollte.
Nach dem zweiten Klingeln hob Gernolf ab.
„Kurtchen!“ schrie er. „Altes Wichsgesicht! Alte Wurstsemmel!“
„Genau“, sagte Kurtchen und überlegte kurz, ob ihm das nicht zuviel der guten Laune wäre; aber da er nichts zum Lesen im Haus hatte (den neuen Handke hatte er gestern glücklich gegen einen Kasten Bier eingetauscht, nur Astra zwar, aber es war ja auch bloß der neue Handke) und Gernolf ja auch von seinem autobiographischen Projekt Mitteilung machen wollte, entsorgte er den Gedanken und stellte Gernolf wie geplant einen Kneipenabend in Aussicht.
„Je-der-zeit“, replizierte der und pustete Luft in die Muschel; er rauchte wohl. „Die Frage wäre nur, wo – der Leberkloß hat zu, soweit ich weiß, da ist nämlich das Klo verstopft, weil der Peter doch da gestern alles vollgekotzt hat, der hat sich doch so besoffen nach dem Telefonat mit seiner Tochter, die neuerdings Edelprostituierte werden will, mußt du dir mal vorstellen! Also jetzt nicht aus Quatsch, sondern ganz im Ernst! Und der Peter soll ihr das anfinanzieren, sie muß wohl gesagt haben, in ihrer Hartz-Bude, da werde sie niemals Edelprostituierte, und sie wär', paß auf“, Gernolfs Stimme überschlug sich fast, und unwillkürlich rückte Kurtchen sich den Hörer etwas vom Leib, „sie wär' ja schließlich keine Nutte! Und der Peter muß dann wohl alleine eine Flasche Obstler ausgetrunken und ziemlich desaströs gekotzt haben, und die Irmi, die dumme Nuß, hat das alles mit Küchenrolle aufgeputzt und komplett im Klo versenkt, und der Andi“ – das war der Wirt – „schreit noch, Irmi, du blöde Fut, du verstopfst mir das ganze Scheißhaus, und das andere ist doch schon kaputt! Und die Irmi hat wohl zurückgeschrien, das wär ihr scheißegal, sie scheiße nämlich langsam auf den Laden und überhaupt auf die ganze Scheiße insgesamt, und immer weiter am Schaufeln, na ja, die ganze Suppe muß wohl beim ersten Spülen oben wieder rausgekommen sein, also, in den Leberkloß können wir jedenfalls nicht!“
Wenn die Metaphysik im Eimer sei, heiße es, sich mit ihr zu solidarisieren, erinnerte sich Kurtchen halb; und bevor er rückfragen konnte, ob Andi denn keinen Pömpel habe, klingelte es an der Tür. (wird fortgesetzt)
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