Glanz und Elend des Kurtchen Sahne. Ein Wochenend-Fortsetzungsroman (1)
Ich habe zu lange gewartet, dachte Kurtchen Sahne und kratze sich halb melancholisch, halb, weil es juckte, am Kopf. Vergangene Woche hatte er die ersten grauen Haare entdeckt und es ohne Erschrecken, eher mit Erstaunen und einer gewissen Erleichterung registriert; hatte er doch, wie es schien, den Gipfel seines Lebens (und damit notwendigerweise Wartens) erreicht und konnte jetzt der Fahrt bergab, wenn des Strampelns weniger wäre, gewiß den einen oder anderen Augenblick der Muße und, wenn es gut lief, sogar der Einsicht abgewinnen.
Mein ganzes Leben ist immer nur Warten gewesen, dachte er; und jetzt, wo ich die Hälfte hinter mir habe, fürchte ich mich noch immer davor, daß es nichts anderes geben könnte als warten. Aufstehen, Zähne putzen, frühstücken, und dann warten bis zum Abendbrot und sich in den Schlaf trinken, weil der Schlaf kein Warten kennt. Und macht es das Warten einfacher, wenn man weiß, worauf?
Mit einem Seufzer stieg Kurtchen von der Leiter, wo ihn die kleine Meyerdonk schon erwartete. „So, Leonie, eure Gastherme ist in Ordnung, bloß ein bißchen Wasser hat gefehlt. Sagst der Mama, der nächste Wartungstermin ist dann erst wieder nächstes Jahr.“ Leonie nickte ergeben. Allein daran, daß sie durch ihn hindurch schielte, merkte er, daß sie schon wieder an der Grenze des Akzeptablen besoffen war; nach Schnaps roch sie nie, dafür war der Ammoniakgeruch, den ihr Diabetes auspestete, zu stark. (wird fortgesetzt)
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