Gärtners kritisches Vorweihnachtsfrühstück: Dasselbe in Grün
Wenn man etwas lernt als kritischer Kolumnist, dann gegen die Wand zu reden oder in den Wind, und was Kollege Mentz vor Jahren ahnte, dass nämlich „Olli Dittrich jetzt immer mal wieder im Fernsehen sitzt und Witzfiguren bis zur Kenntlichkeit unentstellt lässt“, das werde ich nicht aufhalten; aushalten freilich auch nicht. „Frust“ heißt die neuste, in der Mediathek der ARD abrufbare Magazinsparodie, in der gescheiterte Promis wie der Tierfilmer Andreas Baeseke zu Wort kommen, der, ein Relotius der Tierfilmerwelt, am Nordpol ein Polarzebra und in der Südsee eine Luftqualle gesehen haben will. Der Tierfilmer nun sieht aus wie ein Tierfilmer, der Moderator sieht aus und heißt („Sören Lorenz“) wie ein Moderator, es ist alles haargenau wie in echt, und deswegen ist sogar der eigentlich gute Holger Gertz von der SZ mal wieder begeistert.
Mentz hat zum Fall das Nötige gesagt; doch war’s nicht wiederum Adorno, der gegen die Parodie einzuwenden hatte, dass sie im Gewande der Verlächerlichung das Parodierte feiere? Selbst wenn man das nicht unterschreiben will, ist das, was Dittrich macht, ja nicht mal Parodie (und diesen Fehler merkt er sowenig wie alle anderen), denn eine Parodie ist nie dasselbe in Grün; sie ist dasselbe in anders, sie verzerrt, und falls nicht, redet man besser von einem Pastiche, einer Kopie also, die (um ein verlässliches Adorno-Zitat anzubringen) das „So-Sein“ ist, und davon gibt es doch weiß Gott genug.
„Olli Dittrich übertreibt nie, er sieht einfach nur genau hin. Er reproduziert die Realität und offenbart so ihre Absurdität“, war „Spiegel online“ zu einer früheren Bemühung eingefallen, und meine damals in „Konkret“ gestellte Frage, ob man dann nicht gleich das Original nehmen könnte, blieb natürlich unbeantwortet. Dittrich ist kein Reaktionär, aber seine kopistische Leidenschaft hat etwas Reaktionäres da, wo die Absicht, für ein reines Wiedererkennen zu sorgen, die komische (als potentiell subversive) unterläuft: Ein Polarzebra will unser Tierfilmer gesehen haben, ein Einfall, der stark nach Kinderbuch riecht und über Bande mitteilt, dass diese medienkritische Tür vielleicht doch ein wenig weit offensteht. Dabei ist, anders als das Wort von der „Realsatire“ suggeriert, nie die Realität schuld, wenn sie wer nicht komisch zurechtzurücken versteht; die Geissens etwa sind in ihrer „Switch“-Parodie tatsächlich echter als in echt und sehr viel lustiger. Den Witz muss man freilich machen wollen, zwecks Erleichterung, Widerstand und Herausforderung; will man ihn nicht machen, ja, was will man dann eigentlich?
„Hölle Hölle Hölle Hölle“ Wolfgang Petry, 1996
Die Frage ist so gut, dass weder Dittrich noch sein Team (noch gar das Feuilleton) sie sich stellen wollen, und das wäre dann der Moment, in dem ein ästhetischer Einwand in den politischen kippt: Die Welt als Endlosschleife braucht nur der, der keine andere kennen will, und aus der Hölle des Immergleichen würde einzig das Lachen befreien, das anzeigte, dass noch ein Ausweg sei. Dittrichs Imitationen indes „dienen, als mühsam verhohlene Selbstreferentialitäten, zu praktisch gar nichts“ (Mentz): Sie sind die totale Immanenz gerade darum, weil sie (und für alle Welt scheint’s glaubhaft) das Gegenteil behaupten, und mit etwas weihnachtlich gutem Willen ließe sich finden, dass der Witz just in dem Nachweis besteht, dass sich die Hölle nicht parodieren, allenfalls seriell ad infinitum verlängern lässt, nicht weil sie der Witz schon ist, sondern eben die Hölle. Der Witz wäre also das so ausdrücklich wie stur wiederholt Witzlose, und ob das funktioniert, können Sie, liebe Leserin, lieber Leser, an Weihnachten gern ausprobieren.
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