Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: Wir schulden den Müllmännern mehr Wertschätzung
Wen interessiert schon, was in Angehörigen der städtischen Müllabfuhr vorgeht? Es sollte uns interessieren, denn sie arbeiten hart für uns.
Was fehlt, ist ein echtes Interesse der demokratischen Mitte unserer Gesellschaft an den Menschen, die diesen Dienst für die Sauberkeit unseres Landes erfüllen. Wissen wir eigentlich, wer sie sind und was sie bewegt? Sie sind es, die unser ehrliches Interesse verdient haben. Wissen wir etwas über ihre Motive, ihre Hoffnungen, ihre Sorgen und Fragen? Müllwerker sind Menschen, die willens und in der Lage sind, ihre Leistungen stets und überall mit höchster Zuverlässigkeit abzurufen.
Fragen nach dem Sinn des konkreten Auftrages, des Dienstes allgemein, aber auch nach dem des Lebens, Fragen an die Politik, an ihre Gesellschaft, der sie dienen, stellen sich auch Müllmänner. Sie sind vor allem auch Menschen, die es verdient haben, als solche wahr- und ernst genommen zu werden.
Anders als Spitzensportlern fehlt ihnen allerdings nahezu jede Anerkennung, nahezu jede Wertschätzung von außen. Mag die jeweilige Sportart ein vom breiten öffentlichen Interesse noch so abseitiges Dasein fristen – eine kleine Fangemeinde gibt es immer. Diese gibt es natürlich auch für alles, was mit Müll zu tun hat, aber nicht jede Fangemeinde ist von ihren Motiven und Haltungen her zu begrüßen.
„Ehre, wem Ehre gebührt.“ Volksweisheit
Der Applaus nur aus der falschen Fankurve lässt den fehlenden Applaus aus der eigenen um so deutlicher spüren. Die Wahrheit ist: Die breite demokratische Mitte unserer Gesellschaft, in deren Auftrag und Interesse die Menschen in unseren Müllkräften dienen, nimmt keine Notiz von ihnen. Einerseits kann sie es auch kaum, denn die Müllmänner und ihre täglich erbrachten Leistungen bleiben fast gänzlich anonym. Haben wir uns aber jemals gefragt, was das mit den Menschen auf dem Müllauto macht? Nicht ausgeschlossen, dass sich da manche in falschen Ideologien und Gedankenwelten Ersatz für einen verlorengegangenen Sinn für das eigene Tun suchen.
Das ist freilich nicht zu akzeptieren oder zu entschuldigen, aber wir dürfen mögliche Zusammenhänge und Einflüsse nicht übersehen. Es ist an der Zeit, dass wir uns als gesellschaftliche Mitte selbst einmal fragen müssen, welchen Stellenwert der Dienst dieser Menschen für uns, für unsere Freiheit, für unsere Wegwerfmentalität eigentlich hat.
Die Verantwortung für die Antwort darauf dürfen wir nicht nur an die jeweiligen Dezernate abschieben. Es ist freilich bequemer, die Verantwortung für unsere Entsorgungsinteressen nicht selbst zu übernehmen, sondern sie der entsorgungspolitischen Szene zu überlassen. Den Müllmännern sind wir aber als Gesellschaft aus unserem freiheitlich-demokratischen Selbstverständnis heraus eine Antwort schuldig.
Eine regelmäßige öffentliche Würdigung der Müllleute durch den Bundespräsidenten, den Bundestag oder die Bundeskanzlerin hat es bisher nie gegeben. Es wäre an der Zeit. Diejenigen, die diesen anspruchsvollen Dienst tagtäglich erbringen, sind es wert. Geben wir ihnen etwas zurück – ganz einfach deshalb, weil sie tagtäglich Großartiges leisten und weil sie die Anerkennung der Gesellschaft, der sie mit Leib und Leben dienen, wirklich verdienen.
Anmerkung: Diesen Text hat Pascal Kober, FDP-MdB und ehemaliger Militärseelsorger, in der FAZ veröffentlicht. Das Sonntagsfrühstück hat sich leichtere Kürzungen erlaubt, „Kommando Spezialkräfte“ durch „Müllmänner“ u.ä. ersetzt und die Eloge an wenigen Stellen angepasst. So ist sie nämlich auch sehr schön.
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