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Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: Unter Aufsicht

Daß man in den USA „so selten Kinder sieht, die sich irgendwo rumtreiben“, war dem SZ-Korrespondenten in Washington, D.C., eine Reportage wert: „Weder in Bussen noch im Wald noch vor dem Supermarkt. Im Schwimmbad sowieso nicht.“ Immer stünden sie unter Aufsicht, und da eine solche nicht ganztägig zu gewährleisten sei, sei Suburbia wo nicht menschen-, so doch kinderleer: „Nirgends Mädchen mit Zöpfen. Keine Jungs mit aufgeschlagenen Knien. Keine Kreidezeichnungen am Boden, lachende Sonnen und Marienkäfer auf zwei Beinen. Kein Geschrei zu hören, kein ,18-90-20, ich kommeeee’. In der typisch amerikanischen Vorstadt ist es so gespenstisch leer wie in einem Roland-Emmerich-Film über die Postapokalypse.“

Ich könnte mir jetzt die Mühe machen und eine Stunde durch mein deutsches Bioeltern-Stadtviertel spazieren, auf der Suche nach minderjährigen Mittelschichtsrumtreibern, aufgeschrammten Knien und Kreidezeichnungen auf Fußwegen; ich kann es mir aber auch sparen und die Feststellung wagen, daß sich die Grenze zwischen einer behüteten und einer überwachten Kindheit auch hierzulande verschoben hat. Andernfalls Schulen den Eltern nicht geradezu verbieten müßten, ihre Kinder allmorgendlich mit dem (Gelände-)Wagen heranzuschaffen.

„,If you need help, Don,’ the clown said, ,help yourself to a balloon.’ And it offered the bunch it held in one hand. ,They float,’ the clown said. ,Down here all we float; pretty soon your friend will float, too.’“ Stephen King, 1986

Daß es fast immer schlimmer geht, ist da entweder Trost oder Zukunftsmusik: „In Connecticut überhörte Maria Hasankolli eines Morgens im November ihren Wecker, worauf sich ihr Sohn, acht Jahre alt, allein auf den Weg machte. Zwei Polizisten hielten ihn an, begleiteten ihn zur Schule, fuhren daraufhin zur verschlafenen Mutter zurück und legten ihr Handschellen an. Die Anklage lautete, sie habe ihr Kind willentlich in Gefahr gebracht, es war von einer zehnjährigen Gefängnisstrafe die Rede. Hasankolli kam gegen 2500 Dollar Kaution wieder frei. Sie geht jetzt jeden Abend mit der Angst ins Bett, sie könnte den Wecker noch einmal überhören, schreibt sie: ,Dann nehmen sie mir meinen Sohn weg.’“ Derlei Wahnsinn hat nicht nur mit dem US-amerikanischen Hang zu moralfester Drakonik zu tun und nur vordergründig mit der massenmedial befeuerten Hysterie in puncto Kindesentführung, -mord und -totschlag; wie diese ist er Ausdruck der Klassensituation, denn daß das allzeit bedrohte Mittelschichtskind stellvertretend für die sich bedroht wähnende Mittelschicht selbst steht, versteht sich. Weshalb „in den Schwarzenvierteln von D.C., Chicago oder Baltimore … Kinder ohne Aufsicht auf Gerüste und Bäume [klettern], weil ihre Eltern gar keine Zeit haben, sich um sie zu kümmern“, und weil die Eltern in den Schwarzenvierteln eh längst da sind, wohin andere noch um keinen Preis absteigen wollen. Im vergleichsweise sozialdemokratischen Kanada, das wissen wir von Michael Moore, schließen die Leute nicht einmal ihre Haustüren ab. Man fühlt sich in Sicherheit, oder man tut es eben nicht.

Und hier? Statt allein spielende Kinder mit blutigen Knien zu suchen, könnte ich die Zahl der Kletterhallen mit unbedingt sicherem Kinderangebot googeln oder die der unfallfreien Indoor-Spielplätze mit Elternecke; könnte eine Liste anlegen all der Empfehlungen, die aus einem Kinderbuch oder -puzzle ein Förderprogramm für Kognition und Kreativität machen. Die Pippi-Langstrumpf-Kalle-Blomquist-Kindheit aus Abenteuer, Loch im Kopf, geklauten Kirschen und so barfuß wie autonom verbrachtem Sommer spielte in einem ideal sozialdemokratischen Schweden; heute ist alles Angst, und daß die Zeitung insinuiert, es sei dies ein Problem der USA, wollen wir ihr nachsehen. Sie ist auf einem Auge blind.




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Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Ganz schön unentspannt, Giorgia Meloni!

Ganz schön unentspannt, Giorgia Meloni!

Nachdem Sie eine Klage wegen Rufschädigung eingereicht haben, wird nun voraussichtlich ein Prozess gegen den britischen Rockstar Brian Molko eingeleitet. Dieser hatte Sie bei einem Konzert seiner Band Placebo in Turin als Nazi und Faschistin bezeichnet.

Wir finden, da könnten Sie sich mal etwas lockermachen. Wer soll denn bitte noch durchblicken, ob Sie gerade »Post-«, »Proto-« oder »Feelgood-« als Präfix vor »Faschistin« bevorzugen? Und: Wegen solcher Empflichkeiten gleich vor Gericht zu gehen, kostet die Justiz so viel wertvolle Zeit. Die könnte sie doch auch nutzen, um Seenotretter/innen dingfest zu machen oder kritische Presse auszuschalten. Haben Sie darüber schon mal nachgedacht, Sie Snowflake?

Schlägt ganz gelassen vor: Titanic

 Vielen Dank, Claudia Schiffer!

Vielen Dank, Claudia Schiffer!

Die Bunte zitiert Sie mit der Aussage: »Um zu überleben, muss man gesund sein, und wenn man am gesündesten ist, sieht man einfach auch am jüngsten aus!« Gut, dass Sie diese Erkenntnis an uns weitergeben!

Geht jetzt zur Sicherheit bei jeder neuen Falte, Cellulitedelle und grauen Strähne zum Arzt:

Ihre greise Redaktion der Titanic

 Hej, Gifflar!

Du bist das Zimtgebäck eines schwedischen Backwarenherstellers und möchtest mit einer Plakatkampagne den deutschen Markt aufrollen. Doch so sehr wir es begrüßen, wenn nicht mehr allein Köttbullar, Surströmming und Ikeas Hotdogs die schwedische Küche repräsentieren, so tief bedauern wir, dass Du mit Deinem Slogan alte Klischees reproduzierst: »Eine Schnecke voll Glück«? Willst Du denn für alle Ewigkeiten dem Stereotyp der schwedischen Langsamkeit hinterherkriechen? Als regierten dort immer noch Sozialdemokraten, Volvo und Schwedenpornos?

Damit wirst Du nie der Lieblingssnack der Metropolenjugend!

Sagen Dir Deine Zimt- und Zuckerschnecken von Titanic

 Gute Frage, liebe »Süddeutsche«!

»Warum haben wir so viele Dinge und horten ständig weiter? Und wie wird man diese Gier wieder los?« teast Du Dein Magazin an, dasselbe, das einzig und allein als werbefreundliches Vierfarb-Umfeld für teuren Schnickschnack da ist.

Aber löblich, dass Du dieses für Dich ja heißeste aller Eisen anpackst und im Heft empfiehlst: »Man kann dem Kaufimpuls besser widerstehen, wenn man einen Schritt zurücktritt und sich fragt: Wer will, dass ich das haben will?«

Und das weiß niemand besser als Du und die Impulskundschaft von Titanic

 Eher unglaubwürdig, »dpa«,

erschien uns zunächst Deine Meldung, Volker Wissing habe nach dem tödlichen Busunglück auf der A9 bei Leipzig »den Opfern und Hinterbliebenen sein Beileid ausgesprochen«. Andererseits: Wer könnte die Verstorbenen auf ihrem Weg ins Jenseits noch erreichen, wenn nicht der Bundesverkehrsminister?

Tippt aufs Flugtaxi: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Spielregeln

Am Ende einer Mensch-ärgere-dich-nicht-Partie fragt der demente Herr, ob er erst eine Sechs würfeln muss, wenn er zum Klo will.

Miriam Wurster

 Immerhin

Für mich das einzig Tröstliche an komplexen und schwer zugänglichen Themen wie etwa Quantenmechanik, Theodizee oder den Hilbertschen Problemen: Letztlich ist das alles keine Raketenwissenschaft.

Michael Ziegelwagner

 Gebt ihnen einen Lebenszyklus!

Künstliche Pflanzen täuschen mir immer gekonnter Natürlichkeit vor. Was ihnen da aber noch fehlt, ist die Fähigkeit zu verwelken. Mein Vorschlag: Plastikpflanzen in verschiedenen Welkstadien, damit man sich das Naserümpfen der Gäste erspart und weiterhin nur dafür belächelt wird, dass man alle seine Zöglinge sterben lässt.

Michael Höfler

 Back to Metal

Wer billig kauft, kauft dreimal: Gerade ist mir beim zweiten Sparschäler innerhalb von 14 Tagen die bewegliche Klinge aus ihrer Plastikaufhängung gebrochen. Wer Sparschäler aus Kunststoff kauft, spart also am falschen Ende, nämlich am oberen!

Mark-Stefan Tietze

 Konsequent

Die Welt steckt in der Spermakrise. Anzahl und Qualität der wuseligen Eileiter-Flitzer nehmen rapide ab. Schon in wenigen Jahren könnten Männer ihre Zeugungsfähigkeit vollständig verlieren. Grund hierfür sind die Verkaufsschlager aus den Laboren westlicher Großkonzerne. Diese Produkte machen den Schädling platt, das Plastik weich und das Braterlebnis fettfrei und wundersam. Erfunden wurden diese chemischen Erfolgsverbindungen von – Überraschung – Y-Chromosom-Trägern. Toll, dass sich Männer am Ende doch an der Empfängnisverhütung beteiligen.

Teresa Habild

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
02.05.2024 Dresden, Schauburg Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
03.05.2024 Mettingen, Schultenhof Thomas Gsella
03.05.2024 Stuttgart, Im Wizemann Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
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