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Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: Und der Zukunft zugewandt

Zu meiner kleinen DDR-Bibliothek gehört ein Buch eines Prof. Heinz Heitzer: „DDR. Geschichtlicher Überblick“ (Berlin/DDR, 1979/1989), ein natürlich restlos parteiisches Werk, und das ist hübsch zu lesen, wenn man ein Faible für derlei hat: „Der VII. Parteitag der SED im April 1967 stellte fest, daß die Bedingungen und die Notwendigkeit herangereift seien, in dem neuen geschichtlichen Abschnitt alle Bereiche der Gesellschaft, wie Politik, Ökonomie, Kultur und Ideologie, Wissenschaft, Landesverteidigung und andere, gleichermaßen und proportional zueinander zu entwickeln.“ Ob man nun unbedingt Zeithistoriker in der DDR gewesen sein will, steht auf einem anderen Blatt.

Dann doch lieber als Historikerin in Greifswald und ehemalige Stipendiatin der „Bundesstiftung zur Ausarbeitung“ – Freudscher Verschreiber – „Aufarbeitung der SED-Diktatur“ der Westpresse zuarbeiten und, so demokratisch wie phrasenfern, per Gastbeitrag in der SZ an den „mutigen Pfarrer Oskar Brüsewitz“ erinnern, „der sich aus Wut über das SED-Regime vor 40 Jahren selber verbrannte“: „Dieser Mann schlug alle Vorsicht in den Wind und verwies mit wunderlichen Aktionen auf den alltäglichen Aberwitz des SED-Regimes … gegen die staatliche Dominanz … erhob er das Wort gegen die Machthaber … Zu den unsinnigen Wahlen erschien er allenfalls, um dem verblüfften Wahlvolk zuzurufen: ,Ich habe schon gewählt, nämlich Jesus Christus!’“ Klar, daß die Tochter „kein Abitur machen durfte. Statt dessen teilten die Behörden das zierliche Mädchen zu einer Lehre als Gleisbauarbeiterin ein.“

So war das; wie Forschung ja immer dann am dankbarsten ist, wenn man vorher weiß, was rauskommt. Aber kann man wen zu einer Lehre „einteilen“? Und lassen sich „verweisen“ und „hinweisen“ wirklich synonym verwenden? Doch werden wir nicht nicklig und sparen uns auch die Prüfung der Frage, wie sinnvoll unsere Wahlen (West) denn sind (schon gar, seit es die Ost-Alternative nicht mehr gibt); wer in diesem Land nicht zum Abitur gelangt und warum nicht; welche Schikanen das Hartz-IV-Deutschland so auf Lager hat oder ob Adorno speziell ans SED-Diktaturregime dachte, als er über die totale Produktionswelt und den „Aberwitz ihrer Einrichtung“ schrieb.

„Für sicher hält er: In allem steckte ein Sinn; in allem steckt ein Sinn.“ Hermann Kant, 1972

Die Dame ist mein Jahrgang, heißt Hedwig Richter, und mit ihr marschiert die alte Zeit, in der die frischgeduschten Hedwigs, ausgestattet mit Bundesmitteln, sich natürlich nicht fragen, ob, was am Realsozialismus schlecht war, ohne die Feindschaft des Westens besser hätte sein können; und ob der kapitalistische Sieger für sich in Anspruch nehmen kann (noch überhaupt will), was Prof. Heitzer für seinen Sozialismus in Anspruch nahm: „Der Sozialismus garantiert nicht nur in Worten, sondern in der Realität das Recht auf Arbeit, auf eine hohe Bildung und ein kulturvolles Leben. Er hat Wesentliches geleistet, um die Gleichberechtigung der Frau zu verwirklichen.“ Im Boomjahr 2016 beziehen 6 Millionen Menschen in Deutschland Sozialgeld oder Hartz IV, 7,5 Millionen gelten als funktionale Analphabeten, und Kochmagazine heißen Mutti kocht am besten. Das ist freilich kein alltäglicher Aberwitz, sondern soziale Marktwirtschaft.

Die DDR hat, schreibt Dietmar Dath zum Tode Hermann Kants, „diejenigen mit ihrer Wirklichkeit gequält …, die ihr als ihre Bewohnerinnen und Bewohner nicht dienen wollten, weil sie von einer anders sozialistischen (oder gleich einer bürgerlich-demokratischen) Republik träumten“. So kann man selbst im bürgerlichen Blatt über den toten Sozialismus schreiben, wenn man nicht auf einem Auge blind ist und weder einfältig noch korrupt genug zu glauben, daß das, was ist, im Ernst schon alles sei. „Es muß doch mehr geben als arbeiten und eine Familie haben“, zitiert das Kernstück meiner Ostbibliothek (Windmöller/Höpker: Leben in der DDR. Hamburg 1977) einen Ost-Regisseur. „Man muß doch etwas tun, die Welt verändern, Spuren hinterlassen. Dieser Gedanke scheint mir unter den Menschen hier, die nachdenken, verbreiteter zu sein als bei Ihnen“, also bei Dr. Richter, in München oder auf Faz.net, wo unter Daths Nachruf ein Dr. Andreas Frick dem toten Kant sofort „Zuträger der Stasi“ hinterherschrie.

Daß ich von derlei Zukunftsfestigkeit mal zwei Wochen Urlaub nehmen muß: man möge es verstehen.

Liebe Leserin, liebe Leser: Ihr Sonntagsfrühstück ist am 11. September wieder für Sie da.




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Briefe an die Leser

 Deine Fans, Taylor Swift,

Deine Fans, Taylor Swift,

sind bekannt dafür, Dir restlos ergeben zu sein. Sie machen alle, die auch nur die leiseste Kritik an Dir äußern, erbarmungslos nieder und nennen sich bedingt originell »Swifties«. So weit ist das alles gelernt und bekannt. Was uns aber besorgt, ist, dass sie nun auch noch geschafft haben, dass eine der deutschen Stationen Deiner Eras-Tour (Gelsenkirchen) ähnlich einfallslos in »Swiftkirchen« umbenannt wird. Mit Unterstützung der dortigen Bürgermeisterin und allem Drum und Dran. Da fragen wir uns schon: Wie soll das weitergehen? Wird bald alles, was Du berührst, nach Dir benannt? Heißen nach Deiner Abreise die Swiffer-Staubtücher »Swiffties«, 50-Euro-Scheine »Sfifties«, Fische »Sfischties«, Schwimmhallen »Swimmties«, Restaurants »Swubway« bzw. »SwiftDonald’s«, die Wildecker Herzbuben »Swildecker Herzbuben«, Albärt »Swiftbärt« und die Modekette Tom Tailor »Swift Tailor«?

Wenn das so ist, dann traut sich auf keinen Fall, etwas dagegen zu sagen:

Deine swanatische Tayltanic

 Mmmh, Futterparadies Frankfurt a. M.!

Du spielst in einem Feinschmecker-Ranking, das die Dichte der Michelin-Sterne-Restaurants großer Städte verglichen hat, international ganz oben mit: »Laut einer Studie des renommierten Gourmet-Magazins Chef’s Pencil teilen sich in der hessischen Metropole 77 307 Einwohner ein Sterne-Restaurant.«

Aber, mal ehrlich, Frankfurt: Sind das dann überhaupt noch echte Gourmet-Tempel für uns anspruchsvolle Genießer/innen? Wird dort wirklich noch köstlichste Haute Cuisine der allerersten Kajüte serviert?

Uns klingt das nämlich viel eher nach monströsen Werkskantinen mit übelster Massenabfertigung!

Rümpft blasiert die Nase: die Kombüsenbesatzung der Titanic

 Gesundheit, Thomas Gottschalk!

In Ihrem Podcast »Die Supernasen« echauffierten Sie sich mit einem fast schon dialektischen Satz zu Ihrer eigenen Arbeitsmoral über die vermeintlich arbeitsscheuen jungen Leute: »Es gab für mich nie eine Frage – ich war nie in meinem Leben krank, wenn ich im Radio oder im Fernsehen aufgetreten bin. Ich habe oft mit Schniefnase irgendwas erzählt.«

Das hat bei uns zu einigen Anschlussfragen geführt: Wenn Sie »nicht krank«, aber mit Schniefnase und im Wick-Medinait-Delirium vor einem Millionenpublikum zusammenhanglose Wortfetzen aneinandergereiht haben – war das nicht eine viel dreistere, weil höher bezahlte Form der Arbeitsverweigerung als eine Krankmeldung?

Wünscht Ihnen nachträglich gute Besserung: Titanic

 Du, »MDR«,

gehst mit einer Unterlassungserklärung gegen die sächsische Linke vor, weil die im Wahlkampf gegen die Schließung von Kliniken plakatiert: »In aller Freundschaft: Jede Klinik zählt.« Nun drohen juristische Scharmützel nebst entsprechenden Kosten für beide Seiten. Wie wäre es, wenn die Linke ihr Plakat zurückzieht und im Gegenzug nur eine einzige Klinik schließt? Die Ersparnisse dürften gewaltig sein, wenn die Sachsenklinik erst mal dichtgemacht hat.

Vorschlag zur Güte von Deinen Sparfüchsen von Titanic

 Hello, Herzogin Kate!

Hello, Herzogin Kate!

Ihr erster öffentlicher Auftritt seit Bekanntmachung Ihrer Krebserkrankung wurde von der Yellow Press mit geistreichen Überschriften wie »It’s just Kate to see you again« oder »Kate to have you back« bedacht.

Und bei solchen Wortspielen darf unsereins natürlich nicht fehlen! Was halten Sie von »Das Kate uns am Arsch vorbei«, »Danach Kate kein Hahn« oder »Das interessiert uns einen feuchten Katericht«?

Wie immer genervt vom royalen Kateöse: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Claims texten, die im Kopf bleiben

Ist »Preissturz bei Treppenliften« wirklich eine gute Catchphrase?

Miriam Wurster

 Lifehack von unbekannt

Ein Mann, der mir im Zug gegenüber saß, griff in seine Tasche und holte einen Apfel heraus. Zu meinem Entsetzen zerriss er ihn mit bloßen Händen sauber in zwei Hälften und aß anschließend beide Hälften auf. Ich war schockiert ob dieser martialischen wie überflüssigen Handlung. Meinen empörten Blick missdeutete der Mann als Interesse und begann, mir die Technik des Apfelzerreißens zu erklären. Ich tat desinteressiert, folgte zu Hause aber seiner Anleitung und zerriss meinen ersten Apfel! Seitdem zerreiße ich fast alles: Kohlrabi, Kokosnüsse, anderer Leute Bluetoothboxen im Park, lästige Straßentauben, schwer zu öffnende Schmuckschatullen. Vielen Dank an den Mann im Zug, dafür, dass er mein Leben von Grund auf verbessert hat.

Clemens Kaltenbrunn

 Räpresentation

Als Legastheniker fühle ich mich immer etwas minderwertig und in der Gesellschaft nicht sehr gesehen. Deshalb habe ich mich gefreut, auf einem Spaziergang durch Darmstadt an einer Plakette mit der Aufschrift »Deutscher Legastheniker-Verband« vorbeizukommen. Nur um von meiner nichtlegasthenischen Begleitung aufgeklärt zu werden, dass es sich dabei um den »Deutschen Leichtathletik-Verband« handele und und umso teifer in mein Loch züruckzufalllen.

Björn Weirup

 Guesslighting

Um meine Seelenruhe ist es schlecht bestellt, seit mich ein erschütternder Bericht darüber informierte, dass in Hessen bei Kontrollen 70 Prozent der Gastronomiebetriebe widerlichste Hygienemängel aufweisen (s. Leo Riegel in TITANIC 07/2022). Neben allerhand Schimmel, Schleim und Schmodder herrscht allüberall ein ernsthaftes Schadnagerproblem, die Küchen sind mit Mäusekot nicht nur kontaminiert, sondern praktisch flächendeckend ausgekleidet. Vor lauter Ekel hab ich sofort Herpes bekommen. Nun gehe ich vorhin in meine Küche, und auf der Arbeitsplatte liegen grob geschätzt 30 kleine schwarze Kügelchen. Ich bin sofort komplett ausgerastet! Zehn hysterische Minuten hat es gedauert, bis mir klar wurde, dass der vermeintliche Kot die Samen eines dekorativen Zierlauchs waren, der einen Blumenstrauß krönte, den eine liebe Freundin mir geschenkt hat. Ich hätte ihn einfach nicht noch einmal anschneiden sollen … Hysterie off, Scham on.

Martina Werner

 Zeitsprung

Dem Premierenpublikum von Stanley Kubricks »2001: Odyssee im Weltraum« wird der Film 1968 ziemlich futuristisch II vorgekommen sein.

Daniel Sibbe

Vermischtes

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Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
03.08.2024 Kassel, Caricatura-Galerie Miriam Wurster: »Schrei mich bitte nicht so an!«
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst Die Dünen der Dänen – Das Neueste von Hans Traxler
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