Newsticker

Nur diese Kategorie anzeigen:Gärtners Sonntagsfrühstück Eintrag teilenEintrag per Email versenden Mit Facebook-Freunden teilen Twittern mit Google+ teilen

Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: Uncool Germania

Man soll Benjamins Wort von der Katastrophe, die im Immer-so-weiter bestehe, ja nicht totzitieren; aber daß es stimmt, wissen der geschätzte Leser, die geschätzte Leserin ja. Wie lang ist das her, daß Verf. sich zum erstenmal (und schon damals aus hervorragenden Gründen) über das deutsche Berlin- und Hauptstadtgegrunze beschwert hat, und den Stern hat es einmal nicht gekümmert („Die Magie unserer Hauptstadt“, 2011), und jetzt kümmert es ihn wieder nicht: „Berlin, die coolste Hauptstadt der Welt“.

Um Gottes willen.

Daß wir uns verstehen: „Berlin, die coolste Stadt der Welt“ ist zwar auch Quatsch, wäre aber politisch unverdächtig, denn etwas cool oder uncool finden ist ja erst mal nicht verboten. Einen Regierungssitz, und sei’s über den Umweg des Cool, zum Weltmittelpunkt auszurufen ist allerdings ein volkscharakterlicher Defekt, und zwar der zentrale alte jenes „tiefbehinderten Landes“ (Botho Strauß schon 1984), das die Sache mit der Weltgeltung, dem Weltniveau, dem Wesen, an dem zu genesen sei, nicht und nicht aus der Birne kriegt. Der britische Schriftsteller Robert Harris läßt in seinem dystopisch-kontrafaktischen Thriller „Vaterland“ die Hauptfigur März mit seinem Sohn an einer Stadtrundfahrt durch die Reichshauptstadt teilnehmen: „,Nachdem wir den Triumphbogen verlassen haben, kommen wir in das mittlere Stück der Siegesallee. Die Allee wurde von Reichsminister Albert Speer entworfen und 1957 fertiggestellt. Sie ist 123 Meter breit und 5,6 Kilometer lang. Sie ist sowohl breiter als auch zweieinhalbmal länger als die Champs-Elysées in Paris.‘ – Höher, länger, größer, breiter, teurer … Selbst nach dem Sieg, dachte März, hat Deutschland einen Minderwertigkeitskomplex. Nichts stand für sich selbst. Alles mußte mit dem verglichen werden, was das Ausland hat.“ Mit dem Sieg wurde es bekanntermaßen nichts, aber bald war man wieder Exportweltmeister, Fußballweltmeister und Weltmeister im Aufrechnen, Auschwitzbedauern und Israelkritisieren, und Gremlizas Vorschlag, daß die Deutschen, nach allem, was sie mit vereinten Kräften angerichtet hatten, doch einfach mal das Maul halten könnten, blieb natürlich ungehört.

„Wodurch ist Deutschland groß als durch eine bewundernswürdige Volkskultur, die alle Teile des Reiches gleichmäßig durchdrungen hat? ... Gesetzt, wir hätten in Deutschland seit Jahrhunderten nur die beiden Residenzstädte Wien und Berlin oder gar nur eine, da möchte ich doch sehen, wie es um die deutsche Kultur stände.“ Goethe, 1828

Also haben sie jetzt nicht einfach nur eine beliebte, weil u.a. günstige Hauptstadt, sondern die coolste Hauptstadt der Welt, und das alles, während das Land unverdrossen immer uncooler wird: Vom „Discofox-Delirium einer Nation“ sprach, eine sog. Gala des sog. deutschen Comedypreises rezensierend, die SZ, bezugnehmend auf die wahren Worte der Moderatorin Kebekus, die Helene Fischer trefflich als „den Teufel“ ausmalte und die gute Frage stellte: „Wie kommen die jungen Leute darauf, Schlager zu hören? Gibt es keine Drogen mehr?“ Außer Landlust, Funktionskleidung und Fernsehen mit Hel. Fischer?

Und natürlich Berlin, die Welthauptstadt des Supercool, die das liberal verbrämte neugroßdeutsche Spießertum wettmachen soll, welches beim nämlichen Comedypreisabend die als Schauspielerin geführte A. Frier illustrierte, indem sie sich bei ihrem Ehemann fernsehöffentlich so bedankte: „Vielen Dank für den geilen Sex mit dir!“ So furchterregend locker sind die Landsleute nämlich, so zähnefletschend daseinsfroh und immer bereit, sich nicht für den Nabel der Welt zu halten. Aber den allercoolsten, den schönsten, den besten Nabel, den haben sie halt schon.




Eintrag versenden Newstickereintrag versenden…
Felder mit einem * müssen ausgefüllt werden.

optionale Mitteilung an den Empfänger:

E-Mail-Adresse des Absenders*:

E-Mail-Adresse des Empfängers*
(mehrere Adressen durch Semikolon trennen, max. 10):

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Hej, Gifflar!

Du bist das Zimtgebäck eines schwedischen Backwarenherstellers und möchtest mit einer Plakatkampagne den deutschen Markt aufrollen. Doch so sehr wir es begrüßen, wenn nicht mehr allein Köttbullar, Surströmming und Ikeas Hotdogs die schwedische Küche repräsentieren, so tief bedauern wir, dass Du mit Deinem Slogan alte Klischees reproduzierst: »Eine Schnecke voll Glück«? Willst Du denn für alle Ewigkeiten dem Stereotyp der schwedischen Langsamkeit hinterherkriechen? Als regierten dort immer noch Sozialdemokraten, Volvo und Schwedenpornos?

Damit wirst Du nie der Lieblingssnack der Metropolenjugend!

Sagen Dir Deine Zimt- und Zuckerschnecken von Titanic

 Eher unglaubwürdig, »dpa«,

erschien uns zunächst Deine Meldung, Volker Wissing habe nach dem tödlichen Busunglück auf der A9 bei Leipzig »den Opfern und Hinterbliebenen sein Beileid ausgesprochen«. Andererseits: Wer könnte die Verstorbenen auf ihrem Weg ins Jenseits noch erreichen, wenn nicht der Bundesverkehrsminister?

Tippt aufs Flugtaxi: Titanic

 Gute Frage, liebe »Süddeutsche«!

»Warum haben wir so viele Dinge und horten ständig weiter? Und wie wird man diese Gier wieder los?« teast Du Dein Magazin an, dasselbe, das einzig und allein als werbefreundliches Vierfarb-Umfeld für teuren Schnickschnack da ist.

Aber löblich, dass Du dieses für Dich ja heißeste aller Eisen anpackst und im Heft empfiehlst: »Man kann dem Kaufimpuls besser widerstehen, wenn man einen Schritt zurücktritt und sich fragt: Wer will, dass ich das haben will?«

Und das weiß niemand besser als Du und die Impulskundschaft von Titanic

 Hallihallo, Michael Maar!

In unserem Märzheft 2010 mahnte ein »Brief an die Leser«: »Spannend ist ein Krimi oder ein Sportwettkampf.« Alles andere sei eben nicht »spannend«, der schlimmen dummen Sprachpraxis zum Trotz.

Der Literatur- ist ja immer auch Sprachkritiker, und 14 Jahre später haben Sie im SZ-Feuilleton eine »Warnung vor dem S-Wort« veröffentlicht und per Gastbeitrag »zur inflationären Verwendung eines Wörtchens« Stellung bezogen: »Nein, liebe Radiosprecher und Moderatorinnen. Es ist nicht S, wenn eine Regisseurin ein Bachmann-Stück mit drei Schauspielerinnen besetzt. Eine Diskussionsrunde über postmoderne Lyrik ist nicht S. Ein neu eingespieltes Oboenkonzert aus dem Barock ist nicht S.«

Super-S wird dagegen Ihr nächster fresher Beitrag im Jahr 2038: Das M-Wort ist ja man auch ganz schön dumm!

Massiv grüßt Sie Titanic

 Könnte es sein, »ARD-Deutschlandtrend«,

dass Dein Umfrageergebnis »Mehrheit sieht den Frieden in Europa bedroht« damit zusammenhängt, dass seit über zwei Jahren ein Krieg in Europa stattfindet?

Nur so eine Vermutung von Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Finanz-Blues

Wenn ich bei meiner langjährigen Hausbank anrufe, meldet sich immer und ausnahmslos eine Raiffeisenstimme.

Theobald Fuchs

 100 % Maxx Dad Pow(d)er

Als leidenschaftlicher Kraftsportler wünsche ich mir, dass meine Asche eines Tages in einer dieser riesigen Proteinpulverdosen aufbewahrt wird. Auf dem Kaminsims stehend, soll sie an mich erinnern. Und meinen Nachkommen irgendwann einen köstlichen Shake bieten.

Leo Riegel

 Die wahre Strafe

Verhaftet zu werden und in der Folge einen Telefonanruf tätigen zu müssen.

Fabio Kühnemuth

 Gute Nachricht:

Letzte Woche in der Therapie einen riesigen Durchbruch gehabt. Schlechte Nachricht: Blinddarm.

Laura Brinkmann

 Gebt ihnen einen Lebenszyklus!

Künstliche Pflanzen täuschen mir immer gekonnter Natürlichkeit vor. Was ihnen da aber noch fehlt, ist die Fähigkeit zu verwelken. Mein Vorschlag: Plastikpflanzen in verschiedenen Welkstadien, damit man sich das Naserümpfen der Gäste erspart und weiterhin nur dafür belächelt wird, dass man alle seine Zöglinge sterben lässt.

Michael Höfler

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
30.04.2024 Hamburg, Kampnagel Martin Sonneborn mit Sibylle Berg