Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: Stimmung!
Jetzt kippt sie wieder, die Stimmung; aber wer macht die Stimmung? „Chaotische Ermittlungen“ überschreibt die Morgenzeitung einen Bericht über die polizeiliche Arbeit nach den Silvesterkrawallen, denn „die Ermittlungen nach den sexuellen Übergriffen gestalten sich zunehmend chaotisch“, wobei das zunehmende Chaos im Text dann aber bloß darin bestand, daß ein Staatsanwalt zwei Tatverdächtige wieder laufen ließ. Eine „desaströse Informationspolitik“, heißt es nebenan, hätten den Abgang des Kölner Polizeipräsidenten unausweichlich gemacht; dabei hatte der sich bloß nicht getraut, dem Volke mitzuteilen, Kanaken seien über deutsche Frauen hergefallen. Er ahnte, was folgen mußte. „Integration haben wir uns anders vorgestellt“ (Anja Reschke, Tagesthemen).
„Die Silvesternacht“, heißt es im frischen Spiegel – Titel, natürlich: „Auf der Kippe“ – „markiert einen Wendepunkt, weil sich in ihr das Unbehagen über staatliche Untätigkeit kristallisiert hat.“ Mein Unbehagen hat sich nicht kristallisiert. Ich habe gar kein Unbehagen, jedenfalls nicht wegen staatlicher Untätigkeit. Wie soll er denn tätig werden, der Staat? Verstehe: Keine Kanaken mehr hereinlassen. „Die Szenerie auf der Platte zwischen Dom und Hauptbahnhof war kaum anders als symbolisch zu betrachten: Der Platz wurde zum Ort der Rechtlosigkeit, der Ohnmacht der Staatsgewalt, aber Randale, Raketen, Rabauken überall.“
Kaum passiert es einer Polizei, daß sie nicht in die Zukunft sehen kann – und schließlich waren die Kölner Vorfälle, wir lesen es überall, ohne Beispiel –, wird aus Europens sommermärchenhafter Musterdemokratie mit allerorten bestaunter Verwaltung ein umfassend ohnmächtiges Chaosland, das gegen Randale und Rabauken keine Chance hat, mindestens dann nicht, wenn die Rabauken migrantische sind. Die werden nämlich, anders als Einheimische, nicht einfach straffällig, nein: Die treten unsere Grundwerte mit Füßen, deren heiligster ist, daß Frauen keinesfalls molestiert werden dürfen, außer vielleicht auf dem Oktoberfest, im Karneval oder wenn sie es auf der Karriereleiter zu eilig haben. (Das zeichnet den Spiegel ja aus, daß er immer Engelchen und Teufelchen zugleich ist: „In jeder Großraumdisco tanzen Grapscher, auf jeder Fanmeile tummeln sich Fummler, und beim Karneval, dieser sehr deutschen Angelegenheit, verschwimmen regelmäßig die Grenzen zwischen närrischem Spiel und bösem Ernst. Fast 60 Prozent der Frauen in Deutschland haben laut einer Studie aus dem Jahr 2004 angegeben, schon einmal sexuell belästigt worden zu sein. 60 Prozent, das sind so viele Frauen, daß die Täter garantiert nicht alle Nordafrikaner sein konnten.“)
„An wen wenden wir uns? An die Ohnmächtigen. Wen rufen wir um Hilfe an? Die Hilflosen.“ Brecht, o.J.
Aber die Stimmung kippt, muß kippen, denn „zur Wahrheit gehört auch, daß das Zusammmenleben in Deutschland ungemütlicher wird“, und „wenn sich die Wähler, wie es sich in diesen Wochen anfühlt“, u.a. weil es so in unseren Stimmungsblättern steht, „von den Regierungsparteien der Großen Koalition in dieser Frage nicht ernstgenommen fühlen, werden sie sich Antworten bei anderen, radikaleren Gruppierungen suchen“.
Der Spiegel, ein deutsches Bildungsblatt, denn was ist noch gleich „Insinuation“? Der Cordt Schnibben tut es gern noch mal exemplifizieren: „Im Kopf vieler Deutscher fügen sich die üblen Taten allerdings zu einem düsteren Blick in die Zukunft eines entfremdeten Deutschland, zu einer Art Geiselnahme, die nicht nur die Frauen im Bahnhof bedroht“, sondern das deutsche Vaterland im ganzen, das sich über- und von sich entfremdet sieht, wenn der Ausländer mit seiner brünstigen Negerkultur als Geiselnehmer des ganzen Volkes in Erscheinung tritt. (Da regen sie sich über „Mein Kampf“ auf, dabei steht dasselbe doch im Spiegel!)
Wäre meine Frau in Köln oder Hamburg zum Opfer geworden, ich müßte gleich zweimal speien: über den Mob dort und über unsere halbseidenen Stimmungskanonen beim Stürmer, halt: in Hamburg.
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