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Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: Richtig falsch

Das einzige, was noch langsamer ist als eine Wochenkolumne, ist eine monatliche, und das Unbehagen, das der Virusnotstand im Feuilleton auslöst, lässt sich bis Ende April nicht konservieren. Es muss mithin schnell, umfassend und ggf. auch hart gehandelt werden, aber was ich hier treibe, bedroht die sog. offene Gesellschaft ja sowieso nicht.

Es ist also auch egal, ob mir das wer glaubt, dass ich es gesagt habe, bevor es z.B. im Morgenblatt stand: dass Corona der Herrschaft gerade recht kommt, weil sie hier exerzieren kann, was sie exekutieren müssen wird, wenn’s mal dicke kommt, ohne dass es aus China kommt, und sich etwa Unter- und erschöpfte Mittelschicht auf jene Barrikaden begeben, die sich per Ausgangssperre wertlos machen lassen. Dass die Bundeswehr bereitsteht, wie die Verteidigungsministerin wissen lässt, und zwar ausdrücklich auch, um „polizeiliche Aufgaben“ zu übernehmen, lässt die Erfüllung des alten Traums vom Armee-Einsatz im Inneren in jene Nähe rücken, die uns anderen verboten ist, und dass der Polizist, vom Fernsehen befragt, ganz arglos mitteilte, er müsse, gehe es um die Durchsetzung des Versammlungsverbots, auch „Widerstände brechen“, klang wie Zukunfts- und Vergangenheitsmusik zugleich.

Das Schlimme (oder, je nach Perspektive, Glückliche) daran ist, dass es wenig Anlass gibt zu glauben, dies alles sei unnötig, wenn sie in Italien die Leichen schon per Lastwagen aus der Stadt karren müssen. Der Rest ist Mathematik, und wer die Corona-Party steigen lässt, streitet vielleicht für das demokratische Recht auf Versammlungsfreiheit, tötet aber um sieben Ecken die Oma am Stadtrand, was, wer mag, als Metapher lesen kann dafür, dass das demokratische Recht auf Versammlungsfreiheit, als nämlich kapitalistisches, sowieso tötet, wenn auch anderswo. Möchte also sein, dass sich hier zwei Wahrheiten so überlagern, wie sie es in jenem Fall tun, der an dieser Stelle zuletzt verhandelt worden ist. Denn von dem, was ich zum Fall Allen gesagt habe, muss ich nichts wegnehmen, um nicht doch festzustellen, dass, wer mir zustimmte, sehr viel häufiger männlich als weiblich war, was die Kolumne nicht falsch macht, sondern Licht auf Verhältnisse wirft, in denen eine Vergewaltigung noch immer das annähernd perfekte Verbrechen ist. Es ist völlig richtig, auf dem ordentlichen Verfahren zu bestehen; es ist ebenso richtig, sich klarzumachen, wie selten es zu dem ordentlichen Verfahren kommt. Dem „Rechtsstaat so viel Ehre und Raum geben, wie er es für angemessen hielte, wenn er selbst beschuldigt würde, ein Monster zu sein“, verlangt auf Spiegel.de Richter Fischer von jedem, der seine Empörung ins Praktische verlängern will. Richtig wiederum; aber solange die Dunkelziffern so hoch sind, wie sie sind, und bei Verurteilungsquoten im einstelligen Prozentbereich ist auch das  (weibliche) Gefühl der Ohnmacht plausibel, wenn sich der Eindruck einstellt, es komme wieder einer davon.

„Es gibt kein richtiges Leben im falschen.“ Adorno, 1944

Es ist nicht falsch, wenn die Armee Zelte für Schwerkranke aufstellt; falsch daran ist, dass es die Armee jenes Kapitals ist, das, beim geldzentrierten Gesundheitssystem angefangen, erst Verhältnisse schafft, in denen diese Zelte nötig werden. Es ist nicht falsch, Widerstände zu brechen, wo sie eine Gefahr für die Allgemeinheit sind; falsch ist, dass die Definitionsmacht, was eine solche Gefahr sei, die der (falschen) Herrschaft bleibt. Dass ein Land, dem die Alten, Kranken, Schwachen eher egal sind, jetzt näherungsweise stillsteht, um die Alten und Kranken zu schützen, ist vielleicht Ironie; aber die Fabriken stehen nicht still, um die Arbeiterinnen zu schützen, sondern weil gerade niemand den Quatsch kaufen mag. Falsche Gesellschaft wird nicht richtig dadurch, dass sie je und je das Richtige tut, und das Patriarchat ist nicht weniger im Unrecht, nur weil auch Männer manchmal recht haben.




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Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Persönlich, Ex-Bundespräsident Joachim Gauck,

nehmen Sie inzwischen offenbar alles. Über den russischen Präsidenten sagten Sie im Spiegel: »Putin war in den Achtzigerjahren die Stütze meiner Unterdrücker.« Meinen Sie, dass der Ex-KGBler Putin und die DDR es wirklich allein auf Sie abgesehen hatten, exklusiv? In dem Gespräch betonten Sie weiter, dass Sie »diesen Typus« Putin »lesen« könnten: »Ich kann deren Herrschaftstechnik nachts auswendig aufsagen«.

Allerdings hielten Sie sich bei dessen Antrittsbesuch im Schloss Bellevue dann »natürlich« doch an die »diplomatischen Gepflogenheiten«, hätten ihm aber »schon zu verstehen gegeben, was ich von ihm halte«. Das hat Putin wahrscheinlich sehr erschreckt. So richtig Wirkung entfaltet hat es aber nicht, wenn wir das richtig lesen können. Wie wär’s also, Gauck, wenn Sie es jetzt noch mal versuchen würden? Lassen Sie andere Rentner/innen mit dem Spiegel reden, schauen Sie persönlich in Moskau vorbei und quatschen Sie Putin total undiplomatisch unter seinen langen Tisch.

Würden als Dank auf die Gepflogenheit verzichten, Ihr Gerede zu kommentieren:

die Diplomat/innen von der Titanic

 Mmmmh, Thomas de Maizière,

Mmmmh, Thomas de Maizière,

über den Beschluss der CDU vom Dezember 2018, nicht mit der Linkspartei oder der AfD zusammenzuarbeiten, an dem Sie selbst mitgewirkt hatten, sagten Sie bei Caren Miosga: »Mit einem Abgrenzungsbeschluss gegen zwei Parteien ist keine Gleichsetzung verbunden! Wenn ich Eisbein nicht mag und Kohlroulade nicht mag, dann sind doch nicht Eisbein und Kohlroulade dasselbe!«

Danke für diese Veranschaulichung, de Maizière, ohne die wir die vorausgegangene Aussage sicher nicht verstanden hätten! Aber wenn Sie schon Parteien mit Essen vergleichen, welches der beiden deutschen Traditionsgerichte ist dann die AfD und welches die Linke? Sollte Letztere nicht eher – zumindest in den urbanen Zentren – ein Sellerieschnitzel oder eine »Beyond Kohlroulade«-Kohlroulade sein? Und wenn das die Alternative zu einem deftigen Eisbein ist – was speist man bei Ihnen in der vermeintlichen Mitte dann wohl lieber?

Guten Appo!

Wünscht Titanic

 Eine Frage, Miriam Meckel …

Im Spiegel-Interview sprechen Sie über mögliche Auswirkungen künstlicher Intelligenz auf die Arbeitswelt. Auf die Frage, ob die Leute in Zukunft noch ihr Leben lang im gleichen Beruf arbeiten werden, antworten Sie: »Das ist ja heute schon eher die Ausnahme. Ich zum Beispiel habe als Journalistin angefangen. Jetzt bin ich Professorin und Unternehmerin. Ich finde das toll, ich liebe die Abwechslung.« Ja, manchmal braucht es einfach einen beruflichen Tapetenwechsel, zum Beispiel vom Journalismus in den Fachbereich Professorin! Aber gibt es auch Berufe, die trotz KI Bestand haben werden? »Klempner zum Beispiel. Es gibt bislang keinen Roboter mit noch so ausgefeilter KI auf der Welt, der Klos reparieren kann.«

Das mag sein, Meckel. Aber was, wenn die Klempner/innen irgendwann keine Lust mehr auf den Handwerkeralltag haben und flugs eine Umschulung zum Professor machen? Wer repariert dann die Klos? Sie?

Bittet jetzt schon mal um einen Termin: Titanic

 Ach, Taube,

Ach, Taube,

die Du in Indien wegen chinesischer Schriftzeichen auf Deinen Flügeln acht Monate in Polizeigewahrsam verbracht hast: Deine Geschichte ging um die Welt und führte uns vor Augen, wozu die indische Fashion-Polizei fähig ist. Aufgrund Deiner doch sehr klischeehaften Modetattoos (chinesische Schriftzeichen, Flügel) fragen wir uns aber, ob Du das nicht alles inszeniert hast, damit Du nun ganz authentisch eine Träne unter dem Auge oder ein Spinnennetz auf Deinem Ellenbogen (?) tragen kannst!

Hat Dein Motiv durchschaut: Titanic

 Erwischt, Bischofskonferenz!

In Spanien haben sich Kriminelle als hochrangige Geistliche ausgegeben und mithilfe künstlicher Intelligenz die Stimmen bekannter Bischöfe, Generalvikare und Priester nachgeahmt. Einige Ordensfrauen fielen auf den Trick herein und überwiesen auf Bitten der Betrüger/innen hohe Geldbeträge.

In einer Mitteilung an alle kirchlichen Institutionen warntest Du nun vor dieser Variante des Enkeltricks: »Äußerste Vorsicht ist geboten. Die Diözesen verlangen kein Geld – oder zumindest tun sie es nicht auf diese Weise.« Bon, Bischofskonferenz, aber weißt Du, wie der Enkeltrick weitergeht? Genau: Betrüger/innen geben sich als Bischofskonferenz aus, raten zur Vorsicht und fordern kurz darauf selbst zur Geldüberweisung auf!

Hat Dich sofort durchschaut: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Überraschung

Avocados sind auch nur Ü-Eier für Erwachsene.

Loreen Bauer

 Frühlingsgefühle

Wenn am Himmel Vögel flattern,
wenn in Parks Familien schnattern,
wenn Paare sich mit Zunge küssen,
weil sie das im Frühling müssen,
wenn überall Narzissen blühen,
selbst Zyniker vor Frohsinn glühen,
Schwalben »Coco Jamboo« singen
und Senioren Seilchen springen,
sehne ich mich derbst
nach Herbst.

Ella Carina Werner

 Die Touri-Falle

Beim Schlendern durchs Kölner Zentrum entdeckte ich neulich an einem Drehständer den offenbar letzten Schrei in rheinischen Souvenirläden: schwarzweiße Frühstücks-Platzmatten mit laminierten Fotos der nach zahllosen Luftangriffen in Schutt und Asche liegenden Domstadt. Auch mein Hirn wurde augenblicklich mit Fragen bombardiert. Wer ist bitte schön so morbid, dass er sich vom Anblick in den Fluss kollabierter Brücken, qualmender Kirchenruinen und pulverisierter Wohnviertel einen morgendlichen Frischekick erhofft? Wer will 365 Mal im Jahr bei Caffè Latte und Croissants an die Schrecken des Zweiten Weltkriegs erinnert werden und nimmt die abwischbaren Zeitzeugen dafür sogar noch mit in den Urlaub? Um die Bahn nicht zu verpassen, sah ich mich genötigt, die Grübelei zu verschieben, und ließ mir kurzerhand alle zehn Motive zum Vorteilspreis von nur 300 Euro einpacken. Seitdem starre ich jeden Tag wie gebannt auf das dem Erdboden gleichgemachte Köln, während ich mein Müsli in mich hineinschaufle und dabei das unheimliche Gefühl nicht loswerde, ich würde krachend auf Trümmern herumkauen. Das Rätsel um die Zielgruppe bleibt indes weiter ungelöst. Auf die Frage »Welcher dämliche Idiot kauft sich so eine Scheiße?« habe ich nämlich immer noch keine Antwort gefunden.

Patric Hemgesberg

 Teigiger Selfcaretipp

Wenn du etwas wirklich liebst, lass es gehen. Zum Beispiel dich selbst.

Sebastian Maschuw

 Kehrwoche kompakt

Beim Frühjahrsputz verfahre ich gemäß dem Motto »quick and dirty«.

Michael Höfler

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg