Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: Paradies der Heuchelei
In Luxemburg, so das aufsehenerregende Ergebnis der Recherchen einer großen deutschen Tageszeitung, umgehen Weltfirmen, auch deutsche, per Briefkastendependancen Steuerpflichten, und daß da mal auf den Tisch gehauen werden mußte, ist verständlich: „Zynisch … illegitim … ungerührte Ignoranz gegenüber allen, zu deren Schaden das Ganze läuft … Fairneß und Solidarität … grotesk … unsolidarisch“, und es darf (und muß) erwartet werden, daß die Weltfirmen, darunter die Deutsche Bank und Eon, jetzt endlich einmal in sich gehen und fair in Deutschland ihre Steuern –
ach nein, Moment: Nicht das Kapital ist schuld, sondern das „Paradies der Unmoral“, Luxemburg nämlich oder steuerdumpende Länder wie Irland: „Es geht … darum, sich nicht auf Kosten der anderen Mitglieder zu bereichern, nicht auf illegale (Beihilfe zur Steuerhinterziehung) und auch nicht auf zynische Weise (Mißbrauch des Steuerrechts zur Abschöpfung im Nachbarland erwirtschafteter Unternehmensgewinne). Wahrlich nicht viel verlangt, aber offenkundig viel zu viel für die malade politische Moral in der Union.“ Von der, erwartbar, die politische Moral im Vaterland, das unsere Journalisten verläßlich einäugig verteidigen, wieder einmal absticht; denn die Möglichkeit für Unternehmen, Gewinne im Inland mit Verlusten im Ausland steuergünstig zu verrechnen, ist von der Regierung Schröder ganz legal und völlig unzynisch geschaffen worden, und daß Deutschland den bankrotten Griechen noch Panzer verkauft hat, von deutschem Kreditgeld, für dessen Rückzahlung nun griechischer Staatsbesitz und Vasili Normalverbraucheros samt Familie herhalten müssen, muß geradezu als moralische Großtat bewertet werden. Überhaupt, Griechenland, Spanien, Italien, auch Frankreich: stöhnt man da nicht seit Jahren über die deutsche Lohndumperei, gegen die, dank Gemeinschaftswährung, sich niemand mehr (per Abwertung der nationalen Währung) wehren kann? Und wie lange ist es Berlin scheißegal gewesen, daß an den europäischen Südgrenzen sich die Flüchtlinge (und Flüchtlingsleichen) stapelten? Drittstaatenregelung, es tut uns leid?
„Es ist geschichtlich einfach nicht denkbar, daß das deutsche Volk noch einmal seine frühere Stellung einnehmen könnte, ohne mit denen abzurechnen, die die Ursache und Veranlassung zu dem unerhörten Zusammenbruch gaben, der unseren Staat heimsuchte.“ Hitler, 1925
Aber zurück zur Steuer: Ist der Anteil der Unternehmenssteuern am deutschen Steueraufkommen seit den achtziger Jahren nicht von über 14 auf unter 2 Prozent zurückgegangen? Verdankt sich der deutsche Boom nicht der restlos zynischen Hartz-IV-Politik und also der ungerührten Ignoranz gegenüber allen, zu deren Schaden das Ganze läuft? Und ist also Luxemburg als kleines Verbrecherland nicht dasselbe wie die Gewerkschaft der Lokführer als kleine Verbrechergewerkschaft wie der allerkleinste sog. Hartz-IV-Abzocker als sowieso Verbrecher, ein Sündenbock für alle, die nach wie vor gern glauben, daß das Ausland, die Gewerkschaften, die Parasiten sie im Schwitzkasten haben und eben nicht die Deutsche Bank, der kommunale Hallenbäder und der Betreuungsschlüssel im Seniorenheim halt dreimal wo vorbeigehen?
Werweiß hab ich noch vierzig Jahre, und ob der nationale Journalist so dumm ist oder sich nur so dumm stellt: das wüßte ich am Ende schon noch gern.
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