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Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: Nackt

Ich sag nicht gerne ab, weil ich nicht gut nein sagen kann, aber einen Nachruf auf eine, die ein Werk verfasst hat, von dem ich bestenfalls ein Zehntel kenne, da passe ich und bitte um Nachsicht. Hinge was davon ab und wäre in einer Stunde Redaktionsschluss, dann wüsste ich immerhin, dass ich mit Brigitte Kronauer, bei aller Bewunderung, lange Zeit nicht warm geworden bin: Es können Leute schlicht zu gut sein, so gut, dass es auf mich mittelmäßigen Esel, der immer ein bisschen Pathos, vielleicht sogar Defizit zur Literatur benötigt, wie hermetische Kühle wirkt, nämlich „streng vor Temperament“, wie es im frühen Roman „Rita Münster“ heißt. Dass Kronauer, deren Beobachtung sowenig entgeht wie ihrer Formulierung, die Sprache selbst zur Sprache bringe, hat Eckhard Henscheid in einer frühen Rezension lobesvoll bemerkt, was aber auch heißen kann, dass Prosa, vom Signifikat sich letztlich emanzipierend, blank zieht, nicht mehr im öden Sinn bedeutet, sondern ist, ein Symbol ihrer selbst, das platonisch Absolute: „Was ist der Schimmer für sich allein wert? Er braucht die Dinge. Das glaube ich doch selbst nicht, der Schimmer, der Glanz kommt und geht, wie er will, und es gibt ihn irgendwo immer und für sich“ (ebd.).

Aber wieviel weniger hat Kronauer mit Benns verkniffener „absoluter Prosa“ zu tun als mit Jean Pauls singender, klingender, und man wird also einsehen, dass ich für derlei verluderten, auch sachlich falschen Quatsch nicht auch noch Zeilenhonorar kriegen kann. Jedenfalls hat Brigitte Kronauer 2005 jenen Büchnerpreis erhalten, den S. Lewitscharoff 2013 abgestaubt hat, und wenn wer um die Bedeutung des Wortes „Niedergang“ verlegen wäre, der hätte hier ein Beispiel. (Und apropos: „Die Sinnlichkeit und Vitalität ihrer Prosa wird durch die Klarheit des Ausdrucks gebändigt“, zitiert meine Taschenbuchausgabe von „Rita Münster“ die „Brigitte“, und das tät’ mich ja direkt interessieren, wie oft die „Brigitte“ nach 1983 noch Brigitte Kronauer empfohlen hat. Und wann zuletzt. Und was sie heute so empfiehlt.)

„Jetzt wieder, merkwürdig, in meinem Kopf kein Licht, kein Horizont, eine staubige Landschaft, über der es leise donnert.“ Brigitte Kronauer, 1983

Es ist allerdings nicht so, dass mich Nacktheit nicht faszinierte, und ich rede nicht von Porno. Die Nacktheit des Phänomens, wenn etwa auf dem Supermarktkassenband eine eingeschweißte Zeitschrift liegt, die tatsächlich „Playmobil pink“ heißt, auch durchweg pink ist und genau die Zielgruppe anpeilt, die vor mir steht: Achtjährige Mädchen in Pink, deren Eltern (hier war’s der Vater) es nicht besser wissen oder wissen wollen und mit denen irgendein kriminelles Marketing natürlich gerechnet hat. Und also „bedeutet“ eine unverstellte reaktionäre Unverschämtheit wie „Playmobil pink“ nicht irgend etwas Kapitalistisches, etwa Gewissenlosigkeit auf der einen und Ahnungslosigkeit auf der anderen Seite als sich gegenseitig bedingend und anfeuernd, bedeutet auch nicht, dass der Markt das letzte Wort hat und irgendein Gleichstellungsdiskurs allenfalls das vorletzte, bedeutet ebensowenig, dass Macht und ihre Verlängerung und Verhärtung in der kapitalistischen Transaktion so zuhause sind wie der Mops im Haferstroh, nein: Hier liegt, bis hin zur Einschweißfolie, die Sache an sich auf dem Band, und der ist der Überbau, ist Bedeutung scheißegal. Da können sie sich im Feuilleton ums Gendersternchen prügeln und im Wirtschaftsteil um Quoten, da können alte weiße Männer gegen junge nichtweiße Frauen stänkern und umgekehrt, da kann mir die weiße Mittelschichtsmami mit der Gewissheit im Ohr liegen, die Vorliebe des Töchterchens für den Puppenwagen habe klar genetische Gründe und nichts damit zu tun, dass man ihm einen Puppenwagen geschenkt hat (in Rosa) – alles letztlich völlig wurscht, denn es gibt „Playmobil pink“, und es wird natürlich gekauft, und dass es einer kauft, liegt daran, dass ich hinter ihm stehe und es natürlich nicht kaufe.

Falls ich es nicht doch kaufe, die Folie in den Fluss werfe und die Plastikfigur hinterher. Es ist ja nicht so, dass ich fürs Absolute überhaupt gar keine Ader hätte, und wenn Kaputtheit, dann bitte vollständig. Dass Boris Johnson britischer Premier wird, lässt sich ja anders gar nicht aushalten.




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Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Huhu, hessische FDP!

Zunächst hatten wir es ja auf das Unwissen des jungen Kandidaten bei uns im Viertel geschoben, aber spätestens zur Septembermitte dann verstanden, dass Dein eminenter Powerslogan für die gesamte hessische Landtagswahl tatsächlich »Feuer und Flamme für Hessen« lautet. Anschließend hatten wir gedacht, Ihr wärt vielleicht allesamt zu dumm oder unbelesen, um zu wissen, dass »Feuer und Flamme für diesen Staat« seit den frühen achtziger Jahren ein beliebter Schlachtruf von Linksradikalen und Autonomen war, gerade in Hessen, wo die Kämpfe um die Startbahn West blutig eskalierten.

Aber Du, FDP, hast den Slogan gewiss mit Bedacht und einem kräftigen Augenzwinkern gewählt, denn Du besitzt ja auch einen anarcho-libertären Flügel, der jede staatliche Ordnung abschaffen und alle Belange vom Markt regeln lassen will, also vom Gesetz des Stärkeren.

Und dass Du diese gewaltversessenen Hooligans zur Wahl noch mal vor unseren inneren Augen durch die Straßen Frankfurts marodieren lässt, dafür danken Dir die gesetzlosen Chaot/innen von der Titanic

 Grüß Dich, Stachelbeere!

Von Dir dachten wir bisher, wir wüssten einigermaßen Bescheid. Keine Ahnung hatten wir! Bis wir die NZZ in die Hände bekamen: »Die Stachelbeere galt lange als spießigste aller Sommerbeeren.« Wie konnte das an uns vorbeigehen? »Im Gegensatz zu ihrem Namen tut ihr Stachel gar nicht weh.« Toll, Du bist die erste Beere der Naturgeschichte, deren Name wehtut. »Stachelbeeren werden geputzt, indem der Stiel und die Blütenenden mit einer Küchenschere abgeschnitten und dann kurz mit Wasser abgebraust werden.« Dann sind zwar Stiel und Blütenenden nass, aber wie wirst Du davon sauber? »Der Gaumen erinnert sich beim Verspeisen an einen süßen Sirup, der als Kind besonders gut geschmeckt hat.« Außer, der Gaumen ist etwas zerstreut und hat vergessen, dass der Sirup mal ein Kind war.

»Stachelbeeren haben einen schönen Knack.« Wir aber haben jetzt einen schönen Knacks, Stachelbeere, nämlich einen Stachelbeeren-Knacks, und rühren Dich bizarres Früchtchen auf keinen Fall mehr an. Oder zumindest nicht die NZZ-Kulinarikseiten. Die machen nämlich Sodbrennen.

Stichelt gern: Titanic

 Ob das eine gute Idee ist, British Telecommunications?

Als einer von Großbritanniens größten Kommunikationsdienstleistern betreibst Du unter anderem die berühmten roten Telefonzellen, die allerdings außer für Lösegeldforderungen und Rauschmitteldeals keinem Zweck mehr dienen. Darum hast Du nun angekündigt, die pittoresken Blickfänger für einen symbolischen Betrag den britischen Kommunen zu verkaufen, damit diese einen neuen Verwendungszweck für sie finden. Es ist also nur eine Frage der Zeit, bis wir lesen werden, dass die Tories die erste Telefonzelle in eine Mehrbettunterkunft für Geflüchtete umgewandelt haben.

Orakeln Deine politischen Hellseher/innen von Titanic

 Haha, Daniel Günther!

Haha, Daniel Günther!

Sie haben tatsächlich im Juni dieses Jahres auf der Kieler Woche »Layla« mitgegrölt? Auf der Bühne euphorisch »Schöner, jünger, geiler!« ins Mikro gejohlt? Also unsereins hat ja schon eine lange Leitung, wenn uns das bis jetzt entgangen ist. Aber mit einer solchen Verzögerung und mit beiden Beinen ins Vorjahres-Fettnäpfchen zu springen, da können wir nicht mithalten – Chapeau!

Rechnen mit einer Reaktion in zwei bis drei Werkjahren:

Ihre Puffmütter von Titanic

 Erinnerst Du Dich, Adobe,

an das Titelbild unserer letzten Ausgabe? Wir nämlich schon, und da fragen wir uns glatt, ob Du neuerdings die Betreffzeilen für Deine Werberundmails ungeprüft vom Digitalisierungs-Ausschuss der AfD übernimmst!

Nichts für ungut. Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Präzision

Fine-Dining-Restaurants schließen nicht, sie fermétieren.

Ronnie Zumbühl

 After-Life-Hack

Auf meinem Organspendeausweis ist vermerkt, dass ich posthum nur ausgeschlachtet werden darf, wenn mein Ableben, egal wie mysteriös, blutrünstig, effektvoll, erheiternd, generationenkonfliktelösend, krebsheilend oder die messianische Zeit einläutend es auch stattgefunden haben werden mag, niemals in einem True-Crime-Podcast vorkommen darf.

Sebastian Maschuw

 Verödungsalarm

Deutliches Zeichen dafür, dass ein Ort langsam stirbt: Wenn im kommunalen Veranstaltungskalender eine Blutspende-Aktion unter »Events« angekündigt wird.

Jürgen Miedl

 Rentner mit Humor

Ich bin im Bus für einen deutlich Jüngeren aufgestanden.

Uwe Becker

 In between lifestyles

Silberner BMW, quer über die Heckscheibe der Schriftzug »Moskovskaya«, vorn auf der Ablage: Anwohner-Parkausweis Nr. 05.

Frank Jakubzik

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
08.10.2023 Frankfurt, Elfer Hauck & Bauer mit Julia Mateus
08.10.2023 Berlin, BAIZ Katharina Greve
10.10.2023 Cuxhaven, Ringelnatz-Museum Thomas Gsella
10.10.2023 Frankfurt am Main, Club Voltaire »TITANIC-Peak-Preview«