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Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: Meide die Hochkultur

Ich versteh ja nichts von Theater; als in der Peter-Lustig- und Captain-Future-Wolle gefärbtes Kind des Fernsehzeitalters, das die zwei Dutzend Theaterbesuche seines Lebens deshalb so irritierend fand, weil es mit der Ostentation, mit der auf Bühnen Kunst getrieben wird, nichts mehr anfangen konnte. Fernsehen ist, wie Kino, eine bei allen Vulgär- und Aufgeregtheiten lakonische, weil serielle Angelegenheit: das Dargestellte noch im Autorenfilm ist einfach da und immer schon und später wieder, konkret wie eine Kuchengabel. Ein Mythos des Alltags, maximal, und es ist diese Profanität, die mich bis heute an Kulturindustrie wärmt, und umgekehrt läßt es mich kalt, wie Theater auf seinem auratischen „Kultwert“ (Benjamin), auf Singularität und der Wahrheit des Selbstausdrucks besteht, was sofort esoterisch wirkt in einer Welt, die sich unauratischer, serieller kaum denken läßt. (Auch der Theaterfreund, den das Regietheater nervt und der „einfach nur“ Tschechows „Möwe“ sehen will, besteht auf dieser Abrufbarkeit.) Theater, das ist in meinem Ressentiment das verzweifelt Handgemachte, verbissen Evozierende, augenrollend Eigentliche, das noch den konkretesten Furz an die bedeutungsvolle Abstraktion der Kulisse verliert; und wer lakonische Illusion gewohnt, durch sie beschädigt ist, dem wird noch das überzeugendste Bühnengelächter wie das reine Chargieren vorkommen.

"Wenn ich Fenster einwerfe, so geschieht es immer mit Dreigroschenstücken." Lichtenberg, 1775/76

Von Oper verstehe ich allerdings noch weniger, obwohl sie mir viel eher einleuchtet, dieweil Musik, wie Lenins Wahrheit, immer konkret ist. Wenn allerdings, wie jetzt in Düsseldorf geschehen, eine Wagner-Inszenierung zum Skandal gerät, weil der Regisseur im „Tannhäuser“ mit Nazi-Uniformierung, Deportation und Gaskammer operiert, will ich das trotzdem für genau den monströsen Kitsch halten, der in der theatralischen Abstraktion nun einmal lauert. Denn Kitsch ist das „Gefüge von Invarianten“ (Adorno), und die große Invariante des zeitgenössischen Theaters, mit Musik oder ohne, ist die „Aktualisierung“ als „Bezugnahme“ und ungünstigstenfalls „Provokation“. Der Haupteinwand gegen die Darstellbarkeit des Holocaust lautet, daß Abbildung Banalisierung bedeute; ein Abstraktions- und Bilderverbot also, das Claude Lanzmann in „Shoa“ mit der stunden- und aberstundenlangen Addition von Interviews mit Überlebenden ex negativo untermauert hat. Populärkulturelle Verfahren (Spielberg/Schindler) hätten immerhin für sich, daß sie das Gebot des Nichtvermittelns in der Illusion noch andeuten; ganz und gar abstoßend ist hingegen die triumphale Geste, die Vermittlung selbst in den Vordergrund zu rücken, indem ein Regisseur, auf „Wirkung“ zielend, eine Vergasung zum bühnenwirksamen „Einfall“ herabkaspert.

Daß Wagner ein schlimmer Antisemit war, hat schon der Wagnerianer Thomas Mann gewußt; es ist also nicht so sehr nötig, einen „Tannhäuser“ daraufhin zu dekonstruieren, wie überhaupt gelten müßte, daß ein Hakenkreuz auf einer Bühne nur dann etwas verloren hat, wenn es vom Autor und seinem Text so vorgesehen ist. Alles andere ist mindestens vulgär, vielleicht gar eine Instrumentalisierung von Auschwitz und jedenfalls zu nichts weiter nütze, als die Vorurteile eines Opfers der Popkultur zu bestätigen. Und das muß ja nun nicht sein.




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Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Ein Vorschlag, Clemens Tönnies …

Ein Vorschlag, Clemens Tönnies …

Während Ihrer Zeit im Aufsichtsrat bei Schalke 04 sollen Sie in der Halbzeitpause einmal wutentbrannt in die Kabine gestürmt sein und als Kommentar zur miserablen Mannschaftsleistung ein Trikot zerrissen haben. Dabei hätten Sie das Trikot viel eindrücklicher schänden können, als es bloß zu zerfetzen, Tönnies!

Sie hätten es, wie Sie es aus Ihrem Job kennen, pökeln, durch den verschmutzten Fleischwolf drehen und schließlich von unterbezahlten Hilfskräften in minderwertige Kunstdärme pressen lassen können.

Aber hinterher ist man immer schlauer, gell?

Dreht Sie gern durch den Satirewolf: Titanic

 Hey, »Dyn Sports«!

Bitte für zukünftige Moderationen unbedingt merken: Die Lage eines Basketballers, der nach einem Sturz »alle Viere von sich streckt«, ist alles Mögliche, aber bestimmt nicht »kafkaesk«. Sagst Du das bitte nie wieder?

Fleht Titanic

 Hallihallo, Michael Maar!

In unserem Märzheft 2010 mahnte ein »Brief an die Leser«: »Spannend ist ein Krimi oder ein Sportwettkampf.« Alles andere sei eben nicht »spannend«, der schlimmen dummen Sprachpraxis zum Trotz.

Der Literatur- ist ja immer auch Sprachkritiker, und 14 Jahre später haben Sie im SZ-Feuilleton eine »Warnung vor dem S-Wort« veröffentlicht und per Gastbeitrag »zur inflationären Verwendung eines Wörtchens« Stellung bezogen: »Nein, liebe Radiosprecher und Moderatorinnen. Es ist nicht S, wenn eine Regisseurin ein Bachmann-Stück mit drei Schauspielerinnen besetzt. Eine Diskussionsrunde über postmoderne Lyrik ist nicht S. Ein neu eingespieltes Oboenkonzert aus dem Barock ist nicht S.«

Super-S wird dagegen Ihr nächster fresher Beitrag im Jahr 2038: Das M-Wort ist ja man auch ganz schön dumm!

Massiv grüßt Sie Titanic

 Kurze Anmerkung, Benedikt Becker (»Stern«)!

»Wer trägt heute noch gerne Krawatte?« fragten Sie rhetorisch und machten den Rollkragenpullover als neues It-Piece der Liberalen aus, v. a. von Justizminister Marco Buschmann und Finanzminister Christian Lindner, »Was daran liegen mag, dass der Hals auf die Ampelkoalition besonders dick ist. Da hilft so eine Halsbedeckung natürlich, den ganzen Frust zu verbergen.«

Schon. Aber wäre es angesichts des Ärgers der beiden Freien Demokraten über SPD und Grüne nicht passender, wenn sie mal wieder so eine Krawatte hätten?

Ebenso stilistisch versiert wie stets aus der Mode: Titanic

 Warum, Internet?

Täglich ermöglichst Du Meldungen wie diese: »›Problematisch‹: Autofahrern droht Spritpreis-Hammer – ADAC beobachtet Teuer-Trend« (infranken.de).

Warum greifst Du da nicht ein? Du kennst doch jene Unsichtbar-Hand, die alles zum Kapitalismus-Besten regelt? Du weißt doch selbst davon zu berichten, dass Millionen Auto-Süchtige mit Dauer-Brummbrumm in ihren Monster-Karren Städte und Länder terrorisieren und zum Klima-Garaus beitragen? Und eine Lobby-Organisation für Immer-Mehr-Verbrauch Höher-Preise erst verursacht?

Wo genau ist eigentlich das Verständlich-Problem?

Rätselt Deine alte Skeptisch-Tante Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Gebt ihnen einen Lebenszyklus!

Künstliche Pflanzen täuschen mir immer gekonnter Natürlichkeit vor. Was ihnen da aber noch fehlt, ist die Fähigkeit zu verwelken. Mein Vorschlag: Plastikpflanzen in verschiedenen Welkstadien, damit man sich das Naserümpfen der Gäste erspart und weiterhin nur dafür belächelt wird, dass man alle seine Zöglinge sterben lässt.

Michael Höfler

 Gute Nachricht:

Letzte Woche in der Therapie einen riesigen Durchbruch gehabt. Schlechte Nachricht: Blinddarm.

Laura Brinkmann

 Im Institut für Virologie

Jeder Gang macht krank.

Daniel Sibbe

 Back to Metal

Wer billig kauft, kauft dreimal: Gerade ist mir beim zweiten Sparschäler innerhalb von 14 Tagen die bewegliche Klinge aus ihrer Plastikaufhängung gebrochen. Wer Sparschäler aus Kunststoff kauft, spart also am falschen Ende, nämlich am oberen!

Mark-Stefan Tietze

 Vom Feeling her

Es hat keinen Sinn, vor seinen Gefühlen wegzulaufen. Man muss sich schon auch mal hinter einem Baum verstecken und warten, dass die das nicht merken und an einem vorbeiziehen, sonst bringt das ja alles nichts.

Loreen Bauer

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
10.05.2024 Weil am Rhein, Kulturzentrum Kesselhaus Thomas Gsella
11.05.2024 Karlsruhe, Kabarett in der Orgelfabrik Thomas Gsella
12.05.2024 Frankfurt, Museum für Komische Kunst »Ach was – Loriot zum Hundertsten«
12.05.2024 Kleinschönach/Bodensee, Kunsthalle Thomas Gsella