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Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: Luftnummer

Durch die Welt, lesen wir allenthalben, geht ja ein Riss, ob es nun um Trump geht, Gender-Toiletten oder die Corona-Maßnahmen: Die einen sind dafür, die anderen dagegen, und weil sich alle nur mehr in ihren Internetblasen bewegen und mit Gleichgesinnten zu tun haben, redet niemand mehr über den Graben hinweg. Ganze Familien sollen über Trump, Genderklos oder die Corona-Maske auseinandergegangen sein.

Dass das kein reiner Pressequatsch ist, höre ich jetzt von einer Freundin, die mit einer nahen Verwandten nicht mehr redet, weil sie wegen der Masken über Kreuz sind. Dazu fällt mir am Telefon ein, dass ich, als ich Geburtstag hatte, mit meinem besten Schulkumpel telefonierte, der das Corona-Gewese seinerseits für übertrieben hält, schon weil er Leute entlassen muss. Die Freundin hadert, weil sie Leute beim Theater kennt, die nicht wissen, wie sie die Miete zahlen sollen, und Ärzte, die Masken für Unsinn halten.

In beiden Fällen käme mir nicht in den Sinn, die Freundschaft zu kündigen, zumal da ich ja nicht darauf bestehe, in Sachen Corona die Wahrheit zu kennen; ich finde, was da Maßnahme heißt, bloß plausibel und sähe überdies einen Widerspruch darin, das Vaterland einerseits für eine rücksichtslose Agentur der Bourgeoisie zu halten und ihm andererseits zuzutrauen, der Volkswirtschaft ohne Not einen dreistelligen Milliardenschaden zuzumuten. Das Schweinesystem, so lautet mein Argument, hat die Leute via I-Phone, Glotze, Amazon ohnehin im Griff; es braucht den inszenierten Durchgriff nicht. Trotzdem gilt natürlich, dass man nicht jeder Zahl, jeder Statistik trauen soll, und wenn ich’s bei der Arbeitslosenstatistik nicht tue, kann ich streng genommen auch der Johns-Hopkins-Uni zutrauen, die US-amerikanischen Zahlen eher zu übertreiben, um Trump zu schaden.

„Give it a rest, will you? / Pipe down. / Park your mouth. / Shut your pie hole!“ Mögl. Übersetzungen für „Jetzt halt mal die Luft an!“

Der deutsche Großschriftsteller D. Kehlmann, wohnhaft in New York, ist seit Seuchenbeginn ein gefragter Gesprächspartner. Er warnte früh vor Hysterie und einer „dystopischen Welt“ aus staatlichem Zwang und willfährig gemachten Menschen und ätzt im Gespräch mit der „Welt“ noch immer gegen das „Hygienetheater“, verfügt aber über genügend Bonhomie, um sich, wo nötig, zu korrigieren: „Ich habe mit der Dystopie nicht recht gehabt … Wir haben uns doch unser normales Leben zu einem großen Teil wieder zurückgeholt. Ich habe gesehen, dass der ursprüngliche Drang des Menschen zur Freiheit und zu einem selbstbestimmten Leben doch stärker ist als die Angst … Wenn man eine Gesellschaft will wie Nordkorea, dann braucht man auch den Gulag. Ein freiwilliges Nordkorea, das funktioniert nicht.“

Dass der ursprüngliche Drang des Menschen zur Freiheit und einem selbstbestimmten Leben im Spüleck von Kehlmanns Lieblings-Diner schon genauso endet wie überall, wo die übergroße Mehrheit der Menschen nicht Millionen mit dem persönlichen Hobby verdient, sondern sehr viel weniger mit Knochenarbeit, kümmert Kehlmann nicht. Das Leben, das wir uns zurückgeholt haben, ist nach wie vor seines, nämlich eins, in dem Leute das Bett machen, in das sich Kehlmann legt, schlimmstenfalls sogar das auf den Intensivstationen, die in New York voll und in Deutschland leer sind, vielleicht sogar des Hygienetheaters wegen. Freiheit, das ist für unsere Liberalen immer die Freiheit, beim Geldausgeben nicht behelligt zu werden, ebenso wie die Freiheit, dass jeder sein Geld so verdient, wie es ihm recht geschieht. Das Gegenteil davon – und wahrlich meisterlich, wie Kehlmann das hier fallenlässt – ist der Stasi-Gulag, der hinter der Atemmaske lauert, uns freien Weltbürgern und -bürgerinnen die Luft abzuschneiden, egal in welchem Slum wir hausen.

Dass jetzt auch er, Kehlmann, einmal keine Luft bekommen soll, ist, Leo Fischer sieht’s, der Skandal, und dass man über alles reden können müsse, wird spätestens da zur Lüge, wo die Insinuation lautet, dass es die anderen sind, die uns am Reden hindern. Denn worüber zu reden wäre, davon reden Liberale nicht, wenn sie davon reden, wovon zu reden sei.

Statt dass sie mal die Luft anhielten.




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Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Wussten wir’s doch, »Heute-Journal«!

Deinen Bericht über die Ausstellung »Kunst und Fälschung« im Kurpfälzischen Museum in Heidelberg beendetest Du so: »Es gibt keine perfekte Fälschung. Die hängen weiterhin als Originale in den Museen.«

Haben Originale auch schon immer für die besseren Fälschungen gehalten:

Deine Kunsthistoriker/innen von der Titanic

 Persönlich, Ex-Bundespräsident Joachim Gauck,

nehmen Sie inzwischen offenbar alles. Über den russischen Präsidenten sagten Sie im Spiegel: »Putin war in den Achtzigerjahren die Stütze meiner Unterdrücker.« Meinen Sie, dass der Ex-KGBler Putin und die DDR es wirklich allein auf Sie abgesehen hatten, exklusiv? In dem Gespräch betonten Sie weiter, dass Sie »diesen Typus« Putin »lesen« könnten: »Ich kann deren Herrschaftstechnik nachts auswendig aufsagen«.

Allerdings hielten Sie sich bei dessen Antrittsbesuch im Schloss Bellevue dann »natürlich« doch an die »diplomatischen Gepflogenheiten«, hätten ihm aber »schon zu verstehen gegeben, was ich von ihm halte«. Das hat Putin wahrscheinlich sehr erschreckt. So richtig Wirkung entfaltet hat es aber nicht, wenn wir das richtig lesen können. Wie wär’s also, Gauck, wenn Sie es jetzt noch mal versuchen würden? Lassen Sie andere Rentner/innen mit dem Spiegel reden, schauen Sie persönlich in Moskau vorbei und quatschen Sie Putin total undiplomatisch unter seinen langen Tisch.

Würden als Dank auf die Gepflogenheit verzichten, Ihr Gerede zu kommentieren:

die Diplomat/innen von der Titanic

 Nicht zu fassen, »Spiegel TV«!

Als uns der Youtube-Algorithmus Dein Enthüllungsvideo »Rechtsextreme in der Wikingerszene« vorschlug, wären wir fast rückwärts vom Bärenfell gefallen: In der Wikingerszene gibt es wirklich Rechte? Diese mit Runen tätowierten Outdoorenthusiast/innen, die sich am Wochenende einfach mal unter sich auf ihren Mittelaltermärkten treffen, um einer im Nationalsozialismus erdichteten Geschichtsfantasie zu frönen, und die ihre Hakenkreuzketten und -tattoos gar nicht nazimäßig meinen, sondern halt irgendwie so, wie die Nazis gesagt haben, dass Hakenkreuze vor dem Nationalsozialismus benutzt wurden, die sollen wirklich anschlussfähig für Rechte sein? Als Nächstes erzählst Du uns noch, dass Spielplätze von Kindern unterwandert werden, dass auf Wacken ein paar Metalfans gesichtet wurden oder dass in Flugzeugcockpits häufig Pilot/innen anzutreffen sind!

Nur wenn Du versuchst, uns einzureden, dass die Spiegel-Büros von Redakteur/innen unterwandert sind, glauben Dir kein Wort mehr:

Deine Blauzähne von Titanic

 Hallo, faz.net!

»Seit dem Rückzug von Manfred Lamy«, behauptest Du, »zeigt der Trend bei dem Unternehmen aus Heidelberg nach unten. Jetzt verkaufen seine Kinder die Traditionsmarke für Füller und andere Schreibutensilien.« Aber, faz.net: Haben die Lamy-Kinder nicht gerade davon schon mehr als genug?

Schreibt dazu lieber nichts mehr: Titanic

 Dear Weltgeist,

das hast Du hübsch und humorvoll eingerichtet, wie Du an der Uni Jena Deiner dortigen Erfindung gedenkst! Und auch des Verhältnisses von Herr und Knecht, über das Hegel ebenfalls ungefähr zur Zeit Deiner Entstehung sinnierte. Denn was machst Du um die 200 Jahre später, lieber Weltgeist? Richtest an Deiner Alma Mater ein Master-Service-Zentrum ein. Coole Socke!

Meisterhafte Grüße von Deiner Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Nichts aufm Kerbholz

Dass »jemanden Lügen strafen« eine doch sehr antiquierte Redewendung ist, wurde mir spätestens bewusst, als mir die Suchmaschine mitteilte, dass »lügen grundsätzlich nicht strafbar« sei.

Ronnie Zumbühl

 Die Touri-Falle

Beim Schlendern durchs Kölner Zentrum entdeckte ich neulich an einem Drehständer den offenbar letzten Schrei in rheinischen Souvenirläden: schwarzweiße Frühstücks-Platzmatten mit laminierten Fotos der nach zahllosen Luftangriffen in Schutt und Asche liegenden Domstadt. Auch mein Hirn wurde augenblicklich mit Fragen bombardiert. Wer ist bitte schön so morbid, dass er sich vom Anblick in den Fluss kollabierter Brücken, qualmender Kirchenruinen und pulverisierter Wohnviertel einen morgendlichen Frischekick erhofft? Wer will 365 Mal im Jahr bei Caffè Latte und Croissants an die Schrecken des Zweiten Weltkriegs erinnert werden und nimmt die abwischbaren Zeitzeugen dafür sogar noch mit in den Urlaub? Um die Bahn nicht zu verpassen, sah ich mich genötigt, die Grübelei zu verschieben, und ließ mir kurzerhand alle zehn Motive zum Vorteilspreis von nur 300 Euro einpacken. Seitdem starre ich jeden Tag wie gebannt auf das dem Erdboden gleichgemachte Köln, während ich mein Müsli in mich hineinschaufle und dabei das unheimliche Gefühl nicht loswerde, ich würde krachend auf Trümmern herumkauen. Das Rätsel um die Zielgruppe bleibt indes weiter ungelöst. Auf die Frage »Welcher dämliche Idiot kauft sich so eine Scheiße?« habe ich nämlich immer noch keine Antwort gefunden.

Patric Hemgesberg

 Einmal und nie wieder

Kugelfisch wurde falsch zubereitet. Das war definitiv meine letzte Bestellung.

Fabian Lichter

 Treffer, versenkt

Neulich Jugendliche in der U-Bahn belauscht, Diskussion und gegenseitiges Überbieten in der Frage, wer von ihnen einen gemeinsamen Kumpel am längsten kennt, Siegerin: etwa 15jähriges Mädchen, Zitat: »Ey, ich kenn den schon, seit ich mir in die Hosen scheiße!«

Julia Mateus

 Frühlingsgefühle

Wenn am Himmel Vögel flattern,
wenn in Parks Familien schnattern,
wenn Paare sich mit Zunge küssen,
weil sie das im Frühling müssen,
wenn überall Narzissen blühen,
selbst Zyniker vor Frohsinn glühen,
Schwalben »Coco Jamboo« singen
und Senioren Seilchen springen,
sehne ich mich derbst
nach Herbst.

Ella Carina Werner

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
20.04.2024 Eberswalde, Märchenvilla Max Goldt
20.04.2024 Itzehoe, Lauschbar Ella Carina Werner
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt