Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: Leerlauf
Mir fällt zum Virus nichts ein. Mir fehlen auch die Telefonnummern von wichtigen, zugleich auskunftsbereiten Leuten, etwa dem stürmisch bestsellenden Oxford-Historiker Yuval Noah Harari („Eine kurze Geschichte der Menschheit“), der Trump für einen „kurzsichtigen, egoistischen Akt“ rügt (diesen einen da, Sie wissen schon), Angst vor „den inneren Dämonen der Menschheit, Hass und Gier“ hat und sich auf Anfrage die Welt nach Corona vorstellt: „Auf institutioneller Ebene könnte es zu dramatischen Veränderungen kommen. Mehr Menschen werden zu Hause arbeiten, Geschäftsreisen werden abnehmen, es wird mehr Jobs geben, bei denen man ausschließlich online arbeitet“; andererseits und zwei Spalten später: „Ich glaube nicht, dass wir eine fundamentale Veränderung im Sozialverhalten der Menschen erleben werden … Menschen sind soziale Wesen, wir mögen Kontakt“, nur eben nicht auf Geschäftsreisen und auf institutioneller Ebene, wo es, vielleicht, zu dramatischen, ja drastischen, sogar massiven Veränderungen kommt oder auch nicht kommt, mehr dazu in einem neuen Buch, das ich leider nicht lesen kann, weil ich mich erst noch durch den Camus arbeiten muss.
Falls mich nämlich wer anruft (unwahrscheinlich!) und wissen will, wie ich, in der Krise, „Die Pest“ lese, und ich würde antworten: Mit Mühe, Existentialismus hat seine beste Zeit ja doch womöglich so hinter sich wie ich das Abitur, „nicht das Gesetz zählt, sondern die Strafe. Wir können nichts dazu“, puh! „Diese Trupps halfen unseren Mitbürgern, weiter auf die Pest einzugehen“, und da ja jetzt der Buchhandel wieder öffnet, müsste ich’s mal im Original nachsehen, ob da Mitbürger ebenfalls auf die Pest eingehen; und säße ich im Feuilleton, würde ich aber eh Herrn Jackopp anrufen, der hat nämlich „,den Camus gelesen’, und Herr Jackopp betonte dabei eigenartig ,Camus’ auf der ersten Silbe, so dass es fast wie Gummi klang, ,ich habe den Mythos des Sisyphos gelesen. Es ist ein unheimliches Buch. Du kennst es?’ … ich sagte, ja, ich würde das Werk kennen, und ein Satz daraus habe mir besonders gefallen: ,Der Ausdruck beginnt da, wo das Denken aufhört.’“ (Henscheid, Die Vollidioten)
„In der Erinnerung derer, die sie miterlebt haben, erscheinen die schrecklichen Tage der Pest nicht als grandiose und grausame hohe Flamme, sondern eher als ein endloser Leerlauf, der alles zermalmte.“ Camus, 1947
Und darum gibt’s auch einen, wie ich voraussetze, unbedingt nötigen Corona-Internet-Roman von Marlene Streeruwitz, den der ORF staunend so zusammenfasst: „Wenn das Verschwinden einzelner Socken nach dem Waschen oder der schmutzige Küchenboden zur Katastrophe werden und ein falscher Klick im Onlineformular zu Tränenströmen führt: Der Covid-19-Roman ,So ist die Welt geworden’ erzählt von der aus den Fugen geratenen Innen- und Außenwelt.“ Aus den Fugen scheint mir eine Welt freilich eh zu sein, die Jammerquatsch von Leuten, deren Welt aus den Fugen gerät, wenn das Kaffeehaus schließt, sicher begeistert weglesen wird; und besser wird nach der Krise aber eh alles, schon weil, die SZ hat’s schamfrei hingepinnt, die kommende Mundschutzpflicht die Gräben in der Gesellschaft zu schließen verspricht und weil der Journalismus halt sehen muss, wie er seine Zeitungen jeden Tag sauber vollkriegt.
Und da versteh ich ihn sogar; und hab’s aber viel besser. Ich kann nämlich zum „guten“ Beschluss einfach meinen Corona-Lieblingswitz mitteilen, der auf meinem Nicht-Corona-Lieblingswitz basiert, wie ich ihn mir vor Zeiten mit Mag. O. Nagel, München, selbst ausgedacht habe, denn schließlich: Lachen ist gesund! „Treffen sich ein Russe, ein Engländer, vier Bayern, zwölf Franzosen, noch ein Russe, zwei Österreicher (Niederösterreich), ein Schweizer, extrem viele Holländer und fünf Bulgarinnen in der Straßenbahn. Sagt der Schaffner: ,Die Fahrausweise bitte, krankes Pack!’“
Fühl ich mich gleich viel besser!
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