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Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: Kinderkram (2)

Man braucht, kitschte Picasso, sehr lang, um jung zu werden, aber wofür man allerlängstens 46 Jahre braucht, ist zu wissen, was die Welt zusammenhält, nämlich Dialektik.

Als ich geboren wurde, galt das Stillen von Kindern im Mainstream als unterbelichtet und rückschrittlich, heute ist es auf fast schon aggressive Weise umgekehrt. Was die Betreuung von Kindern angeht, durfte man den Widerstand von Konservativen gegen zu frühe und zu aushäusige Betreuung, wie er sich im sog. Betreuungsgeld („Herdprämie“) äußerte, zuletzt für gebrochen halten, da beschwert sich in der „Zeit“ eine anonym bleiben wollende Freiberuflerin, ihre Entscheidung, die Tochter bis zum Kindergarten zuhause zu lassen, werde in ihren Großstadtkreisen beargwöhnt. Dann Zitat Experte, es sei ein Unglück, Kinder von den Eltern zu trennen (dabei hatte man sich gerade gemerkt: Kinder brauchen Kinder, und dass es für die Kindererziehung ein ganzes Dorf benötige), dann die zahlreichen Unglücksbeispiele aus der Bekanntschaft (überforderte Kinder und Fachkräfte), dann ein Schlagwort („Fremdbetreuungswahn“), dann natürlich die DDR (alle bis heute traumatisiert wg. Krippe); und der Fehler, die Tochter in einer Kita angemeldet zu haben, die Eltern am zweiten Tag nach Hause schickt, wenn das Kind vor Trennungsangst schreit, endet nicht simpel im Wechsel der Einrichtung, sondern in einer neuen Weltanschauung:

„Priorität ist im Moment, maximal viel Zeit für den Menschen zu haben, der in mein Leben gekommen ist. Ich sehe jetzt schon, wie unser Leben wieder Fahrt aufnimmt und die Zauberblase, in der ich am Anfang schwebte, langsam dem Alltag weicht. Die magische Zeit mit meiner Kleinen währt nicht ewig. Deshalb investiere ich bewusst jeden Tag.“ Es ist mir ziemlich wurscht, wenn jemand aus freien Stücken den Nachwuchs zuhause betreut, und natürlich ist die Rundumversorgung auch bloß eine Reaktion auf kapitalistische Diktate und nicht per se was gottweißwie Humanes. Verdächtig gleichwohl, wie maximal hier schon wieder gelabert wird: „Ich finde es viel zu schön, die Entwicklung meiner Tochter selbst zu erleben, ich möchte nicht verpassen, wie sie Puppenbabys bekommt, wie sie zum hundertsten Mal ihr Schaukelpferd aufzäumt, Bücher selbst mit Inbrunst vorliest, mir in ihrer Kinderküche einen Kaffee kocht, Rollenspiele mit zwei Klötzchen veranstaltet, sich die Sprache erschließt und ganz wild oder ganz ruhig in meiner Nähe ist. Ich halte es im Moment noch nicht gut aus, wenn wir länger als ein paar Stunden getrennt sind. Ich fange an, meine Tochter körperlich zu vermissen. Bin ich denn so anders?“

„Aber etwas ganz Richtiges gibt es nicht.“ Dubslav v. Stechlin, 1898

Anders als etwa ich auf jeden Fall, der sich für Rollenspiele mit Klötzchen, bei aller väterlichen Liebe, letztlich doch weniger interessiert als für ein paar Stunden ungestörtes Arbeiten und der magische Zauberblasen alles in allem geringer schätzt als ausreichend Schlaf. „Ich frage mich, wie es all den anderen Eltern damit geht, ihre Kinder – nachdem sie sie so wie ich fast ein Jahr lang eng vor dem Bauch in der Trage getragen haben – so leicht herzugeben.“ Einfach die Trage weglassen, dann geht das sehr gut. „Und ich wünsche mir, dass es selbstverständlicher wird, die spannende Entwicklung in den ersten Jahren selbst intensiver mitzuerleben und mitzugestalten“ – gute Güte, sie werden groß, halb mit, halb ohne uns, und „spannend“ und „intensiv“ ist ja doch wieder bloß die verkitschte Sprache derer, deren Widerstand stets mehr mit Hausgeburt als mit etwas zu tun hat, was die dumme „Zeit“ zuallerletzt gutheißt.

Wer mit sehr jungen Kindern über der Schulter spätabends in der Zauberblase sitzt und sich die Zeit, bis die Blähungen vorbei sind, mit alten Fernsehkrimis vertreibt, dem wird auffallen, dass die Frauen darin sehr oft und selbstverständlich Hausfrauen sind. Spannend und intensiv ist ihr Leben nicht. Die Kinder nerven, und wenn Matula kommt, werden sie auf ihr Zimmer geschickt. „Wann bedeutet unsere Zuwendung mehr als jetzt? Aus der gemeinsamen Zeit könnte ein Fundus entstehen, aus dem Kinder und Eltern viele Jahre schöpfen können.“

Möchte sein, ich schöpfe heute noch.




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Briefe an die Leser

 Boah ey, Natur!

»Mit der Anpflanzung von Bäumen im großen Stil soll das Klima geschützt werden«, schreibt der Spiegel. »Jetzt zeigen drei Wissenschaftlerinnen in einer Studie: Die Projekte können unter Umständen mehr schaden als nützen.« Konkret sei das Ökosystem Savanne von der Aufforstung bedroht. Mal ganz unverblümt gefragt: Kann es sein, liebe Natur, dass man es Dir einfach nicht recht machen kann? Wir Menschen bemühen uns hier wirklich um Dich, Du Diva, und am Ende ist es doch wieder falsch!

Wird mit Dir einfach nicht grün: Titanic

 Sie, Victoria Beckham,

Sie, Victoria Beckham,

behaupteten in der Netflix-Doku »Beckham«, Sie seien »working class« aufgewachsen. Auf die Frage Ihres Ehemanns, mit welchem Auto Sie zur Schule gefahren worden seien, gaben Sie nach einigem Herumdrucksen zu, es habe sich um einen Rolls-Royce gehandelt. Nun verkaufen Sie T-Shirts mit dem Aufdruck »My Dad had a Rolls-Royce« für um die 130 Euro und werden für Ihre Selbstironie gelobt. Wir persönlich fänden es sogar noch mutiger und erfrischender, wenn Sie augenzwinkernd Shirts mit der Aufschrift »My Husband was the Ambassador for the World Cup in Qatar« anbieten würden, um den Kritiker/innen so richtig den Wind aus den Segeln zu nehmen.

In der Selbstkritik ausschließlich ironisch: Titanic

 Wieso so eilig, Achim Frenz?

Wieso so eilig, Achim Frenz?

Kaum hast Du das Zepter im Kampf um die Weltherrschaft der Komischen Kunst auf Erden in jüngere Hände gelegt, da schwingst Du Dich nach so kurzer Zeit schon wieder auf, um in den höchsten Sphären für Deine Caricatura zu streiten.

Mögest Du Dir auch im Jenseits Dein beharrliches Herausgeber-Grummeln bewahren, wünscht Dir zum Abschied Deine Titanic

 Vielleicht, Ministerpräsident Markus Söder,

sollten Sie noch einmal gründlich über Ihren Plan nachdenken, eine Magnetschwebebahn in Nürnberg zu bauen.

Sie und wir wissen, dass niemand dieses vermeintliche High-Tech-Wunder zwischen Messe und Krankenhaus braucht. Außer eben Ihre Spezln bei der Baufirma, die das Ding entwickelt und Ihnen schmackhaft gemacht haben, auf dass wieder einmal Millionen an Steuergeld in den privaten Taschen der CSU-Kamarilla verschwinden.

Ihr Argument für das Projekt lautet: »Was in China läuft, kann bei uns nicht verkehrt sein, was die Infrastruktur betrifft.« Aber, Söder, sind Sie sicher, dass Sie wollen, dass es in Deutschland wie in China läuft? Sie wissen schon, dass es dort mal passieren kann, dass Politiker/innen, denen Korruption vorgeworfen wird, plötzlich aus der Öffentlichkeit verschwinden?

Gibt zu bedenken: Titanic

 Kurz hattet Ihr uns, liebe Lobos,

Kurz hattet Ihr uns, liebe Lobos,

als Ihr eine Folge Eures Pärchenpodcasts »Feel the News« mit »Das Geld reicht nicht!« betiteltet. Da fragten wir uns, was Ihr wohl noch haben wollt: mehr Talkshowauftritte? Eine Homestory in der InTouch? Doch dann hörten wir die ersten zwei Minuten und erfuhren, dass es ausnahmsweise nicht um Euch ging. Ganz im Sinne Eures Formats wolltet Ihr erfühlen, wie es ist, Geldsorgen zu haben, und über diese Gefühle dann diskutieren. Im Disclaimer hieß es dann noch, dass Ihr ganz bewusst über ein Thema sprechen wolltet, das Euch nicht selbst betrifft, um dem eine Bühne zu bieten.

Ihr als Besserverdienerpärchen mit Loft in Prenzlauer Berg könnt ja auch viel neutraler und besser beurteilen, ob diese Armutsängste der jammernden Low Performer wirklich angebracht sind. Leider haben wir dann nicht mehr mitbekommen, ob unser Gefühl, Geldnöte zu haben, berechtigt ist, da wir gleichzeitig Regungen der Wohlstandsverwahrlosung und Realitätsflucht wahrnahmen, die wir nur durch das Abschalten Eures Podcasts loswerden konnten.

Beweint deshalb munter weiter den eigenen Kontostand: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Kapitaler Kalauer

Da man mit billigen Wortspielen ja nicht geizen soll, möchte ich hier an ein großes deutsches Geldinstitut erinnern, das exakt von 1830 bis 1848 existierte: die Vormärzbank.

Andreas Maier

 Parabel

Gib einem Mann einen Fisch, und du gibst ihm zu essen für einen Tag. Zeig ihm außerdem, wie man die Gräten entfernt, und er wird auch den folgenden Morgen erleben.

Wieland Schwanebeck

 Neulich

erwartete ich in der Zeit unter dem Titel »Glückwunsch, Braunlage!« eigentlich eine Ode auf den beschaulichen Luftkurort im Oberharz. Die kam aber nicht. Kein Wunder, wenn die Überschrift des Artikels eigentlich »Glückwunsch, Braunalge!« lautet!

Axel Schwacke

 Tiefenpsychologischer Trick

Wenn man bei einem psychologischen Test ein Bild voller Tintenkleckse gezeigt bekommt, und dann die Frage »Was sehen Sie hier?« gestellt wird und man antwortet »einen Rorschachtest«, dann, und nur dann darf man Psychoanalytiker werden.

Jürgen Miedl

 Kehrwoche kompakt

Beim Frühjahrsputz verfahre ich gemäß dem Motto »quick and dirty«.

Michael Höfler

Vermischtes

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Das schreiben die anderen

  • 27.03.:

    Bernd Eilert denkt in der FAZ über Satire gestern und heute nach.

Titanic unterwegs
31.03.2024 Göttingen, Rathaus Greser & Lenz: »Evolution? Karikaturen …«
04.04.2024 Bremen, Buchladen Ostertor Miriam Wurster
06.04.2024 Lübeck, Kammerspiele Max Goldt
08.04.2024 Oldenburg, Theater Laboratorium Bernd Eilert mit Klaus Modick