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Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: Hausgeburt Hitler

Die Rückenstudios, die ich besuche, haben grundsätzlich (weil billig) keine Klimaanlage, und also muss man sich das so vorstellen, dass ich, bildlich gesprochen, in der Sauna Liegestütz mache, und hinterher geht es mir, als hätte ich in der Sauna Liegestütz gemacht. Dann ist es, heimgekehrt, freilich Essig mit Kafkas Briefen oder „To Hell and Back: Europe 1914–1949“, und der Fernseher geht an, und um den Abend aber nicht völlig herzuschenken, sehe ich auf DVD endlich die letzte Folge von Fassbinders „Acht Stunden sind kein Tag“, einer (ausdrücklich so genannten) „Familienserie“ von 1972. In dieser letzten Folge setzen sich die Arbeiter (!) mit ihrer Forderung durch, ihre Arbeit selbst zu organisieren, aber bloß, weil sie einen klugen Chef (Klaus Löwitsch) haben, der sich die Hälfte des durch die Selbstorganisation gemachten Extragewinns für die Firma sichert, was nicht nur der italienische Kollege, sondern auch Hanna Schygulla (als Freundin von Arbeitervordenker Gottfried John) unfair findet: Dass dem, dem immer alles gehört, immer alles gehört! (So ging einmal öffentlich-rechtliches Fernsehen, jedenfalls beim roten WDR.)

In der Gegenwart dann im Morgenblatt eine Reportage über den, natürlich, „dramatischen“ Hebammenmangel, denn immer mehr Frauen kriegen immer mehr Kinder, aber „es fehlt an Personal, Pflegenotstand auch hier. Im Sommer, wenn die Hebammen mit eigenen Schulkindern Ferien machen müssen, ist es noch dramatischer als sonst“, zumal da es immer weniger Hebammen gibt, die auch tatsächlich Geburtshilfe leisten, der hohen Versicherungsprämien wegen. Wäre das eine Familienserie von Fassbinder, Hanna Schygulla wäre die Vorsitzende des Bayerischen Hebammenverbandes und könnte (wie die echte im Artikel) sagen: „Unser Gesundheitssystem ist doch rein wirtschaftlich orientiert, und mit Geräten und Technik wird das Geld verdient, aber doch nicht mit der Geburtshilfe.“ Und dann ginge Gottfried John mit seinen Arbeitern zum feinen Herrn Spahn und würde ihm die Meinung geigen.

„Nicht mehr für die ,da draußen’ (den Anderen, die Nächsten und Liebsten, für ,uns’, die Gemeinschaft, die Gesellschaft, die Menschheit, den Planeten, den wir miteinander teilen) bin ich verantwortlich, sondern für meinen Körper: für sein Vermögen und seine Fähigkeit, mir die Belohnung durch ,Wellness’ zu verschaffen.“ Bauman, 2017

Aber es ist nicht Fassbinder, es ist die Renate Meinhof von der „Süddeutschen“, und also kriegen wir, weil unser Gesundheitssystem rein technisch orientiert ist und die Gewährsfrau eine Hausgeburtshebamme, nebenbei noch das Loblied aufs Hausgebären gesungen: „Wer [die Hebamme] erlebt, spürt, dass sie Gebärenden genau die Sicherheit und Ruhe spiegeln [?] kann, die sie brauchen, um ihr Kind loszulassen [!], ohne Technik, ohne Saugglocke, Anästhesie, Wehentropf und Dammschnitt.“ Was immer das nun mit dem Pflegenotstand zu tun hat. „Hier, im wohlhabenden Münchner Umland, … ist die Rate der Hausgeburten deutlich höher als anderswo“, sie liegt in den Industrieländern bei zwei Prozent, obwohl des Kindes „allererste Erfahrungen seine ganze Entwicklung, seine physische und seelische Gesundheit prägen werden, wissen Hirnforscher, Psychotraumatologen und und Neurowissenschaftler seit langem. … Von Anfang an, auch im Uterus schon, lernt das Kind, der Welt zu trauen – oder eben nicht.“ Weswegen Geburtshilfe – und nicht etwa der perennierende Skandal der Klassen- und Beutelschneidermedizin – „ein Thema der ganzen Gesellschaft werden muss. Mit Menschen, die der Welt nicht trauen, ist nämlich kein Staat zu machen, im Sinne des Wortes, jedenfalls kein guter“, und jedenfalls kein so guter wie, sagen wir, Großdeutschland mit seinen wunderbar vielen Hausgeburten. Wie sich die Vorzüglichkeit der menschlichen Geschichte bis ca. 1950 durch die Hausgeburt sehr schön erklären lassen lässt.

Journalismus ist Klassendienst, und deren Traum ist ja neuerdings, in einem Bauernhaus das fünfte Kind inmitten einer Margarinereklame zu kriegen: „ … und so schnitt  Nike der Schwester die Nabelschnur durch. Hitze drang ins Zimmer. Im Garten wogte der Wein, scharrten die Hühner im Sand, strahlte der Phlox. Ein Tag im Sommer.“ Und einer in „Retrotopia“ (Zygmunt Bauman), „in dem der chronische Mangel an Erfüllung genuiner Bedürfnisse mit dem Trick der illusorischen Gratifikation phantomartiger Bedürfnisse lebbar gemacht wird.“ Und natürlich alles bleiben kann, wie es ist, solange die feineren Herrschaften mit den guten, einfachen Dingen beschäftigt sind und ihre Blagen seelisch optimiert gebären, um dann mit ihnen Staat zu machen.

Er ist danach.   




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Briefe an die Leser

 Recht haben Sie, Uli Wickert (81)!

Recht haben Sie, Uli Wickert (81)!

Die Frage, weshalb Joe Biden in seinem hohen Alter noch mal für das Präsidentenamt kandidiert, anstatt sich zur Ruhe zu setzen, kommentieren Sie so: »Warum muss man eigentlich loslassen? Wenn man etwas gerne macht, wenn man für etwas lebt, dann macht man halt weiter, soweit man kann. Ich schreibe meine Bücher, weil es mir Spaß macht und weil ich nicht Golf spielen kann. Und irgendwie muss ich mich ja beschäftigen.«

Daran haben wir, Wickert, natürlich nicht gedacht, dass der sogenannte mächtigste Mann der Welt womöglich einfach keine Lust hat, aufzuhören, auch wenn er vielleicht nicht mehr ganz auf der Höhe ist. Dass ihn das Regieren schlicht bockt und ihm obendrein ein Hobby fehlt. Ja, warum sollte man einem alten Mann diese kleine Freude nehmen wollen!

Greifen Sie hin und wieder doch lieber zum Golfschläger statt zum Mikrofon, rät Titanic

 Bild.de!

»Springer hatte im Januar bundesweit für Entsetzen gesorgt«, zwischentiteltest Du mit einem Mal überraschend selbstreferenziell. Und schriebst weiter: »Nach der Enthüllung des Potsdamer ›Remigrations‹-Treffens von AfD-Politikern und Rechtsextremisten postete Springer: ›Wir werden Ausländer zurückführen. Millionenfach. Das ist kein Geheimnis. Das ist ein Versprechen.‹« Und: »In Jüterbog wetterte Springer jetzt gegen ›dahergelaufene Messermänner‹ und ›Geld für Radwege in Peru‹«.

Dass es in dem Artikel gar nicht um Dich bzw. den hinter Dir stehenden Arschverlag geht, sondern lediglich der Brandenburger AfD-Vorsitzende René Springer zitiert wird, fällt da kaum auf!

Zumindest nicht Titanic

 Verehrte Joyce Carol Oates,

da Sie seit den Sechzigern beinah im Jahrestakt neue Bücher veröffentlichen, die auch noch in zahlreiche Sprachen übersetzt werden, kommen Sie vermutlich nicht dazu, jeden Verlagstext persönlich abzusegnen. Vielleicht können Sie uns dennoch mit ein paar Deutungsangeboten aushelfen, denn uns will ums Verrecken nicht einfallen, was der deutsche Ecco-Verlag im Sinn hatte, als er Ihren neuen Roman wie folgt bewarb: »›Babysitter‹ ist ein niederschmetternd beeindruckendes Buch, ein schonungsloses Porträt des Amerikas der oberen Mittelschicht sowie ein entlarvender Blick auf die etablierten Rollen der Frau. Oates gelingt es, all dies zu einem unglaublichen Pageturner zu formen. In den späten 1970ern treffen in Detroit und seinen Vorstädten verschiedene Leben aufeinander«, darunter »eine rätselhafte Figur an der Peripherie der Elite Detroits, der bisher jeglicher Vergeltung entkam«.

Bitte helfen Sie uns, Joyce Carol Oates – wer genau ist ›der Figur‹, dem es die elitären Peripherien angetan haben? Tragen die Leben beim Aufeinandertreffen Helme? Wie müssen wir uns ein Porträt vorstellen, das zugleich ein Blick ist? Wird das wehtun, wenn uns Ihr Buch erst niederschmettert, um dann noch Eindrücke auf uns zu hinterlassen? Und wie ist es Ihnen gelungen, aus dem unappetitlich plattgedrückten Matsch zu guter Letzt noch einen »Pageturner« zu formen?

Wartet lieber aufs nächste Buch: Titanic

 Ganz schön unentspannt, Giorgia Meloni!

Ganz schön unentspannt, Giorgia Meloni!

Nachdem Sie eine Klage wegen Rufschädigung eingereicht haben, wird nun voraussichtlich ein Prozess gegen den britischen Rockstar Brian Molko eingeleitet. Dieser hatte Sie bei einem Konzert seiner Band Placebo in Turin als Nazi und Faschistin bezeichnet.

Wir finden, da könnten Sie sich mal etwas lockermachen. Wer soll denn bitte noch durchblicken, ob Sie gerade »Post-«, »Proto-« oder »Feelgood-« als Präfix vor »Faschistin« bevorzugen? Und: Wegen solcher Empflichkeiten gleich vor Gericht zu gehen, kostet die Justiz so viel wertvolle Zeit. Die könnte sie doch auch nutzen, um Seenotretter/innen dingfest zu machen oder kritische Presse auszuschalten. Haben Sie darüber schon mal nachgedacht, Sie Snowflake?

Schlägt ganz gelassen vor: Titanic

 Wir wollten, »SZ«,

nur mal schnell Deine Frage »Gedenkbäume absägen. Hinweistafeln mit Hakenkreuzen beschmieren. Wer macht sowas?« beantworten: Nazis.

Für mehr investigative Recherchen wende Dich immer gerne an Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Mitgehört im Zug

»Prostitution ist das älteste Gewerbe der Welt!« – »Ja, aber das muss es ja nicht bleiben.«

Karl Franz

 Im Institut für Virologie

Jeder Gang macht krank.

Daniel Sibbe

 Nicht lustig, bloß komisch

Während ich früher schon ein kleines bisschen stolz darauf war, aus einer Nation zu stammen, die mit Loriot und Heinz Erhardt wahre Zen-Meister der Selbstironie hervorgebracht hat, hinterfrage ich meine humoristische Herkunft aufgrund diverser Alltagserfahrungen jetzt immer öfter mit Gedanken wie diesem: Möchte ich den Rest meines Lebens wirklich in einem Land verbringen, in dem man während seiner Mittagspause in ein Café geht, das vor der Tür vollmundig mit »leckerem Hunde-Eis« wirbt, und auf seine Bestellung »Zwei Kugeln Labrador und eine Kugel Schnauzer« statt des fest eingeplanten Lachers ein »RAUS HIER!« entgegengebrüllt bekommt?

Patric Hemgesberg

 Altersspezifisch

Ich gehöre noch zu einer Generation, deren Sätze zu häufig mit »Ich gehöre noch zu einer Generation« anfangen.

Andreas Maier

 Gebt ihnen einen Lebenszyklus!

Künstliche Pflanzen täuschen mir immer gekonnter Natürlichkeit vor. Was ihnen da aber noch fehlt, ist die Fähigkeit zu verwelken. Mein Vorschlag: Plastikpflanzen in verschiedenen Welkstadien, damit man sich das Naserümpfen der Gäste erspart und weiterhin nur dafür belächelt wird, dass man alle seine Zöglinge sterben lässt.

Michael Höfler

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
30.04.2024 Hamburg, Kampnagel Martin Sonneborn mit Sibylle Berg