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Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: Deutsche Freiheit

Eigentlich sollte diese Kolumne mit der Frage beginnen, wieviel die Elbphilharmonie hätte kosten müssen, daß es nicht trotzdem gleich vergessen gewesen wäre: zwei Milliarden? Zehn? Vor ein paar Jahren, „Elphi“ war noch im Bau, rechnete die Hamburger Gewerkschaftskampagne „Gerecht geht anders!“ vor, ziemlich exakt die 500 Millionen, die der weltbeste Konzertsaal des Universums damals noch kosten sollte, wolle der Hamburger Senat im Haushalt streichen, weshalb das „Prestigeprojekt“ (NDR) das „Hamburger Symbol für die ungerechte Verteilung und die soziale Spaltung in der Stadt“ (Kampagne) sei.

Vergangenheit; und schließlich soll es, Demokratie!, jetzt darum gehen, „mehr klassikferne Menschen in die Veranstaltungen zu locken. Und zwar nicht nur in für Junge, Arbeitslose und Asylanten angebotene Konzerte, sondern in das reguläre Programmangebot“ (SZ), das, ich vermute es mal, dann doch etwas umfangreicher sein wird als das kulturelle Almosen für die, die im Zweifel sowieso andere Probleme haben und für die die Elbphilharmonie sowenig gebaut worden ist wie sonst irgendein Kulturtempel. In Hamburg, wußte die Bürgerillustrierte „Spiegel“ schon im Januar 2006, werde an einer „Freiheitsstatue des hanseatischen Bürgertums“ gebaut, und genau elf Jahre später findet Faz.net-Leser Marcus Oehler: „Wenn die Kleingeister das Sagen hätten, gäbe es keinen Eiffelturm und keine Elbphilharmonie.“ Sondern, horribile dictu, erst das Fressen und das Obdach für alle und dann die Moral und den Beethoven fürs sog. Bildungsbürgertum, das, glauben wir Gremliza, „weder gebildet noch bourgeois“ ist, sondern aus „ambitionierten Kleinbürgern, Ärzten, Rechtsanwälten, Studienräten und ihren Gattinnen“ besteht, „die durch Tischdekoration und Konzertbesuch vom ordinären Pöbel sich abzuheben bemühen“. Der halt auch von den Milliarden, die der Finanzminister übrig hat, nichts abbekommen wird, weil Steuersenkungen eher die treffen, die was zum Versteuern haben.

„Ich bin so frei, von dieser Scheißkultur nichts wissen zu wollen.“ Gremliza, 2016

Aber das wollten wir ja gar nicht ausführen, denn im Fernsehen lief jetzt „Bubis: Das letzte Gespräch“, in dem das letzte Interview, das der auf den Tod kranke Zentralratsvorsitzende der Juden in Deutschland gab (und zwar im Sommer 1999 dem „Stern“), filmisch rekonstruiert und mit Dokumentarmaterial versehen wurde: Bubis, wie er 1992 Rostock-Lichtenhagen besucht: und weint. Udo Samel als Bubis, wie er sich, weinend, an seinen in Treblinka ermordeten Vater erinnert. Bubis, wie er 1985 die Aufführung von „Der Müll, die Stadt und der Tod“ mitverhindert und wie er den Interviewern den zentralen Satz in den Block spricht: Ich habe nichts bewirkt. (Der sich in der Druckversion zu „Ich habe fast nichts bewirkt“ gemildert fand.) Bubis, der die Frankfurter OB Roth in Schutz nahm, die ihm, Bubis, zum „Friedensprozeß in Ihrem Land“ gratuliert und mit Bubis’ Land Israel gemeint hatte. Der vergessene Eklat von 1992, als ein CDU-Provinzpolitiker ebenfalls der Meinung war, des deutschen Juden Bubis Vaterland sei Israel, und der unvergessene Eklat von 1998, als Walser in Gegenwart Bubis’ seine Friedenspreisrede hielt, die in Originalton und -bild noch widerwärtiger ist als der blanke Text, weil sie alle, alle des Nationaldichters „Moralkeule“ und der „Instrumentalisierung von Auschwitz“ zu (jüdischen) Erpressungszwecken applaudierten, und wie sich Bubis dann in Tel Aviv beerdigen läßt, aus Angst, daß sein Grab ebenso „in die Luft fliegt“ wie das seines Vorgängers Heinz Galinski.

Im Morgenblatt gestern der Bericht über einen Provinzpolitiker, der sich für Flüchtlinge eingesetzt und vor den Haßmails kapituliert hat, in denen sehr oft das Wort „Jude“ vorkommt. Ein paar Seiten später eine Bildunterschrift zu „Israels Siedlungsbau, der die … Zweistaatenlösung Haus für Haus unmöglich macht“, während die palästinensische Friedenspolitik bekanntlich eine bedingungslose ist. Tja. Um einen Begriff von deutscher Kultur anno 2017 zu bekommen, brauche jedenfalls ich die Elbphilharmonie kein Stück.




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Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Stefan Schlatt, Reproduktionsbiologe an der Uni Münster!

Sie gaben im Zeit-Wissensteil ein ganzseitiges Interview, das wie folgt betitelt wurde: »Der Hoden ist der Kanarienvogel des Mannes«. Eine billige Masche der Zeit, mit einer bizarren Überschrift Neugier zu wecken, das war uns sofort klar. Dennoch wollten wir natürlich wissen, in welchem Zusammenhang Sie das oben Zitierte von sich gaben.

»Der Testosteronspiegel des Mannes geht nur langsam zurück, vor allem, weil er im Alter immer dicker wird und nicht mehr so gesund ist wie mit 25. Dies zeigt sich dann an der Hormonproduktion im Hoden. Bergleute haben früher Kanarienvögel mit unter Tage genommen, die Alarm schlugen, wenn die Luft dünner wurde. Man könnte sagen: Der Hoden ist der Kanarienvogel des Mannes.«

Wo sollen wir anfangen, Schlatt? Der Kanarienvogel diente Bergleuten als Indikator für die sinnlich nicht wahrnehmbare Gefahr der Kohlenmonoxidvergiftung. Diese soll in Ihrer Metapher wohl der niedrige Testosteronspiegel sein, der nicht etwa durch das Übergewicht, sondern nur durch den Hoden zu erkennen ist. Und das geschieht wie, Schlatt? Schlägt der Hoden Alarm, indem er laut zwitschert? Sind die Kanarienvögel unter Tage nicht vielmehr verstummt und tot umgefallen? Und was ist in Ihrer Analogie eigentlich der Käfig für den singenden Hoden?

Fest steht hier im Grunde nur eins: Bei Ihnen piept es gehörig – im Kopf und in der Hose.

Tirili: Titanic

 Huch, Wolodymyr Selenskyj!

Laut Spiegel wollen Sie »überraschend nach Deutschland reisen«. Verständlich, Flugzeug oder Zug werden auf Dauer ja auch langweilig. Interessiert, ob Sie stattdessen einen Tunnel graben, mit einem Zeppelin fliegen oder doch per Faltkanu heranschippern, wünschen Ihnen in jedem Fall eine gute Reise

Ihre Travelguides von Titanic

 Gott sei dank, »Focus«!

Du schreibst: »Fleischkonsum sinkt, Mitarbeiter fehlen. Fachkräftemangel trifft die Wursttheke«. Aber sieh es doch mal positiv, lieber Focus: Es wäre doch viel schlimmer, wenn aufgrund des hohen Fleischkonsums die Mitarbeiter/innen verschwinden würden …

Grüße aus der Fleet Street schickt Titanic

 Gut gehobelt, Noemi Molitor (»Taz«)!

»Unser Handwerk im Journalismus ist die Sprache. Bei genau diesem Werkzeug lohnt es sich also, genau hinzuschauen und auch ethische Fragen an orthografische Regeln zu stellen.«

Die Sprache: Handwerk und Werkzeug in einem. Wird auch nicht besser mit dem Fachkräftemangel, wie?

Schaut genau hin: Titanic

 Keine Frage, DHT Speditionsgesellschaft,

steht da auf Deinen Lkw, sondern eine Aussage: »Lust auf Last«.

Als Du damit auf der Autobahn an uns vorbeirauschtest, waren wir erst mal verwirrt: Kann man wirklich Lust auf etwas haben, was laut Duden »durch sein Gewicht als drückend empfunden wird«? Erst dachten wir noch, dass Du vielleicht was anderes damit meinst. »Last Christmas, I gave you my heart«, »Last uns froh und munter sein«, »I last my heart in San Francisco« – irgendwie so was.

Aber offenbar behauptest Du tatsächlich einfach, dass Du Spaß an der monotonen und zermürbenden Aufgabe hättest, dem Kapitalismus seine Waren über die stinkenden Autobahnen zu fahren, dabei Sonntage auf zugepissten Autohöfen zu verbringen und Dich beim Überholmanöver von Teslas und Audi A-Sonstwas anhupen zu lassen. Diese »Lust« wünschen wir Dir von ganzem Herzen, aber vermuten doch ganz stark, dass Dir der Spruch von jemandem auf den Lkw diktiert wurde, der bei der Berufswahl »Lust auf Marketing« hatte und seine Mittagspausen nicht in der Fahrerkabine, sondern beim Bagel-Laden in der Innenstadt verbringt.

Fahren an der nächsten Ausfahrt ab: Deine Leichtgewichte von Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Obacht!

Die Ankündigung von Mautgebühren ist furchterregend, aber so richtig Gänsehaut bekomme ich immer erst, wenn bei Google Maps als »Warnhinweis« auftaucht: »Diese Route verläuft durch Österreich.«

Norbert Behr

 Im Unterzucker

Wenn man sich bei seinem Lieblingsitaliener keine Pizza bestellen kann, weil man nicht alle Vespas auf den Fotos gefunden hat – liegt das dann am nicht bestandenen Turin-Test?

Lara Wagner

 Aus der militärgeschichtlichen Forschung

Feldjäger sind auch nur Sammler.

Daniel Sibbe

 Quo vadis, Fortschritt?

Unfassbar: Nach so vielen Jahren des Horrorfilms gruseln sich die Leute noch vor der Nosferatu-Spinne. Wann taucht in unseren Breiten endlich die Slasher- oder Zombie-Spinne auf?!

Mark-Stefan Tietze

 Jeder kennt ihn

Die Romantrilogie auf der Geburtstagsfeier, das Raclettegerät auf der Taufe, die Gartenfräse zur Beerdigung: Ich bin der Typ in deinem Bekanntenkreis, der dir geliehene Sachen in den unmöglichsten Situationen zurückgibt.

Leo Riegel

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Das schreiben die anderen

  • 03.10.: Der MDR kramt bei der Debatte, ob Ostdeutschland in den Medien schlechtgeredet wird, die Zonen-Gaby wieder hervor.
  • 26.09.:

    Noch-Grünenchefin Ricarda Lang retweetet "ihren" Onlinecartoon vom 25.09.

  • 18.09.: TITANIC-Zeichnerin Hilke Raddatz ("Briefe an die Leser") ist mit dem Wilhelm-Busch-Preis geehrt worden. Die SZLZ und der NDR berichten.
  • 12.09.:

    "Heute detoxe ich im Manager-Retreat im Taunus": TITANIC-Chefredakteurin Julia Mateus im Interview mit dem Medieninsider.

  • 29.08.:

    Die FR erwähnt den "Björnout"-Startcartoon vom 28.08.

Titanic unterwegs
15.10.2024 Tuttlingen, Stadthalle Hauck & Bauer und Thomas Gsella
16.10.2024 München, Volkstheater Moritz Hürtgen mit Max Kersting und Maria Muhar
16.10.2024 Hamburg, Centralkomitee Ella Carina Werner
16.10.2024 Frankfurt, Buchmesse TITANIC auf der Frankfurter Buchmesse