Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: Der deutsche Gott
Erstaunlich (oder vielleicht auch nicht), daß es klasse Pläne gibt, die prima scheitern, und andererseits Dinge wie von selbst so fein sich fügen, daß niemand glauben mag, sie verdankten sich nicht höherer Planung.
Ein guter Plan war es, das alte Kraftfahrzeug mit einem neuen Getriebe auszustatten, damit die Urlaubsfahrt im Spätsommer angenehmer werde; dann fehlte ein Ersatzteil; dann kam ein völlig falsches Ersatzteil; dann verzögerte sich der Getriebewechsel um Wochen, bis das neue, richtige Ersatzteil da war; dann aber hatte die Werkstatt, die den Wagen durch den TÜV bringen sollte, Urlaub; dann war der Werkstatturlaub vorbei, aber kein Termin vor September zu bekommen; dann blieben noch zehn Tage, in denen eine zweite, viel teurere Werkstatt versprach, alles sowieso problemlos hinzukriegen; dann kam am Tag des Reiseantritts ein Anruf, daß bei den just begonnenen Reparaturarbeiten aufgefallen sei, daß ein anderes Ersatzteil fehle, und es tue allen sehr leid, wegen meines Urlaubs, der sich nun nicht in einem alten Auto ohne TÜV, sondern in einem modernen, natürlich ebenfalls viel teureren Mietauto vollzieht.
„Gott segne die deutschen Waffen zum Sieg“ Feldpostkarte, 1915
Es war vom Reich und seinem Rechtsnachfolger nicht unbedingt geplant, erst den Weltkrieg zu verlieren und dann kein Gewehr mehr anzufassen; dann, weil der Bolschewismus ja nicht hatte besiegt werden können, aber doch; dann zwar eine große, gut ausgerüstete Armee zu haben, aber nur der Not gehorchend, wegen der weltgeschichtlichen Lage und weil es letztlich der Ami so wollte; dann, als der Bolschewismus schließlich doch tot war, die Armee im zivilgesellschaftlichen Sinne zu verkleinern, jedoch, der veränderten weltgeschichtlichen Lage wegen, zu einer Interventionsarmee umzuschulen, die die Freiheit am Hindukusch zu verteidigen in der Lage wäre; vorher, wegen eines auschwitzähnlichen Völkermordens auf dem Balkan, noch einmal einen Angriffskrieg zu probieren, aber nur unter erheblichsten, auf frühere Schuld und jetzige Verantwortung verweisenden Gewissensqualen; sich im Fortgange, als friedlichstes Deutschland aller Zeiten, Interventionen zu verweigern und als derart sture Friedensmacht das Kunststück fertigzubringen, sowohl beliebteste Nation als auch drittgrößter Waffenexporteur auf Erden zu werden; bis schließlich die Gunst der weltpolitischen Stunde es erlauben würde, Waffen nicht mehr nur z.B. an Armeen zu liefern, die damit kurdische Dörfer planierten, sondern an (Ironie der Geschichte!) Kurden, die, sofern es gegen die Terroristen des Islamischen Staats geht, jetzt tatsächlich so etwas wie einen gerechten Krieg führen. Was freilich der ideale Moment ist, um gleichwohl und im übrigen auf ultrarestriktiven Vorgaben zum Waffenexport zu bestehen.
Und während sich der liebe Gott gelegentlich dafür erkenntlich zeigt, daß ich nicht an ihn glaube, fällt das geläuterte, durchzivilisierte, ebenfalls recht gottlose Vaterland aus Friedenskreis und Doppelbeschluß, Käßmann und Gauck, Sigmar Gabriel und Krauss-Maffei unentwegt auf die Füße. Es gibt natürlich keinen Gott; aber wenn, dann ist er Deutscher.
(Könnte sein, daß ich auch deshalb nicht an ihn glaube.)
Liebe Leserin, lieber Leser, das Sonntagsfrühstück macht Urlaub und ist am 14. September wieder für Sie da.
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