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Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: Das Minimum

Der französische Staatspräsident François Hollande hat beim Festakt zum 150. Geburtstag der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands den „Realismus“ der Partei gelobt und damit alles gesagt, was sich zu 150 Jahren Sozialdemokratischer Partei Deutschlands sagen läßt; wenn man nicht, aus sehr gegebenem Anlaß, Tucholsky bemühen will, und wir wollen freilich: „Es ist ein Unglück, daß die SPD Sozialdemokratische Partei Deutschlands heißt. Hieße sie seit dem 1. August 1914 Reformistische Partei oder Partei des kleinern Übels oder Hier können Familien Kaffee kochen oder so etwas –: vielen Arbeitern hätte der neue Name die Augen geöffnet, und sie wären dahin gegangen, wohin sie gehören: zu einer Arbeiterpartei. So aber macht der Laden seine schlechten Geschäfte unter einem ehemals guten Namen.“

Und jetzt zu etwas völlig anderem.

Geliebter Tyrann. In Rußland zählt Diktator Stalin zu den populärsten Staatschefs“, meldet meine Morgenzeitung und verdichtet damit ein Umfrageergebnis in der Weise, die ihr in den trüb agitatorischen Kram paßt; denn diesseits der sensationalisierenden Schlagzeile gibt es die Wahrheit, daß Gewinner der Umfrage nach Rußlands beliebtesten Staatsführern im 20. Jahrhundert nicht Diktator Stalin, nicht einmal Lenin, sondern Leonid Breschnew war, „der in Europa als Inbegriff für die schwerfällige, bürokratische und abgewirtschaftete Sowjetunion steht“, was sprachlich schon wieder schlechter ist als nötig, denn entweder ist einer der Inbegriff von etwas, oder einer steht für etwas, zusammen ist es doppelt; aber was regen wir uns auf, es ist ja nur Journalismus, also weiter im schlechten Text: „Breschnew, der die Umfrage knapp gewann, war Staatschef in einer Epoche der Stagnation. Er machte niemanden reich, aber alle einigermaßen satt. Ein Minimum, das künftig für den Sieg nicht mehr reichen dürfte.“

Aber damit ihm seine Kraft bewußt wird, muß das Proletariat … zu seinen natürlichen Instinkten zurückkehren, muß die Faulheitsrechte ausrufen, die tausendfach edler und heiliger sind als die schwindsüchtigen Menschenrechte, die von den metaphysischen Advokaten der bürgerlichen Revolution wiedergekäut werden; es muß sich zwingen, nicht mehr als drei Stunden täglich zu arbeiten, um den Rest des Tages und der Nacht müßigzugehen und flott zu leben.“ Lafargue, 1880

Was, mit Walter Ulbricht zu fragen, lernt uns das? Wenn keiner reich ist, aber alle satt werden (das „einigermaßen“ ist ja auch schon wieder gelogen), ist das Stagnation und als Zukunftsmodell keinesfalls zu empfehlen? Und wie müßte es aussehen, das siegversprechende Zukunftsmodell? So wie unseres? In dem sehr viele Leute reich sind, aber immer mehr Leute in die Suppenküche müssen, um satt zu werden? Und wie lange ist es her, daß zum letztenmal irgendwer gefordert hat, diese ewige Wachstumsmeierei müsse mal ein Ende haben, und daß meine Morgenzeitung das mit zustimmendem Kopfwackeln erwog? Weil es nämlich insgesamt so nicht weitergeht? Und wäre es, den prinzipiellen Schwachsinn von Umfragen einmal beiseite gelassen, nicht geradezu bedenkenswert, wenn Leute sich in eine Zeit zurücksehnen, die grau gewesen sein mag und im weitesten Sinne illiberal, aber satt, warm und, na ja: gemütlich? Oder wie sieht sie aus, die Idealgesellschaft des Rußlandkorrespondenten meiner Morgenzeitung: I-Pads und Zwölf-Stunden-Tag für alle?

Auf die Frage nach dem Ziel der emanzipierten Gesellschaft erhält man Antworten wie die Erfüllung der menschlichen Möglichkeiten oder den Reichtum des Lebens“, heißt es im Kapitel „Sur l'eau“ der Minima Moralia. „So illegitim die die unvermeidliche Frage, so unvermeidlich das Abstoßende, Auftrumpfende der Antwort, welche die Erinnerung an das sozialdemokratische Persönlichkeitsideal vollbärtiger Naturalisten der neunziger Jahre aufruft, die sie sich ausleben wollten. Zart wäre einzig das Gröbste: daß keiner mehr hungern soll.“ Und auch wenn Steinbrück und Gabriel, hier schließen wir den Kreis, das vollbärtige Naturalistenwesen gottlob hinter sich gelassen haben: damit, daß keiner mehr hungern soll, wäre anzufangen, und ein sozialdemokratischer „Realismus“, der sich nicht darauf besinnen mag, „daß auch die Produktivkräfte nicht das letzte Substrat des Menschen, sondern dessen auf die Warenproduktion historisch zugeschnittene Gestalt abgeben“ (ebd.) und daß Wachstum und Menschheitsglück nichts miteinander zu tun haben, ist und bleibt einer, in dessen Angesicht ich mich gern als Utopist verstehe. Denn Utopie, das ist das Minimum.




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Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Weiter so, uruguayischer Künstler Pablo Atchugarry!

Eine angeblich von Ihnen geschaffene Bronzeskulptur im englischen Cambridge soll an Prinz Philip erinnern, der dort von 1977 bis 2011 Kanzler der Universität war. Allerdings wird das Kunstwerk, das im Auftrag eines reichen Bauträgers angefertigt wurde, von vielen als verunglückt empfunden und zieht seit nunmehr zehn Jahren Spott auf sich.

Dass Sie mittlerweile die Urheberschaft leugnen, um Ihr Renommee als Künstler zu schützen, ist zwar verständlich, aber aus unserer Sicht völlig unnötig. Wenn sich das Konzept durchsetzt, lästige Promis, die uns über Jahrzehnte viel Zeit, Geld und Nerven gekostet haben, mit langlebigen Schrott-Monumenten zu schmähen, werden Sie sich vor Aufträgen bald kaum noch retten können. Und das Beste: Weil andere Großkopferte sich mit ihren Eskapaden zurückhalten würden, um nicht von Ihnen verewigt zu werden, sorgten Sie auch noch für Ruhe und gesellschaftlichen Frieden.

Hofft, dass dieser Vorschlag einen Stein ins Rollen bringt: Titanic

 Wir wollten, »SZ«,

nur mal schnell Deine Frage »Gedenkbäume absägen. Hinweistafeln mit Hakenkreuzen beschmieren. Wer macht sowas?« beantworten: Nazis.

Für mehr investigative Recherchen wende Dich immer gerne an Titanic

 Ganz schön kontrovers, James Smith,

was Du als Mitglied der britischen Band Yard Act da im Interview mit laut.de vom Stapel gelassen hast. Das zu Werbezwecken geteilte Zitat »Ich feiere nicht jedes Cure-Album« hat uns jedenfalls so aufgewühlt, dass wir gar nicht erst weitergelesen haben.

Wir mögen uns nicht ausmalen, zu was für heftigen Aussagen Du Dich noch hast hinreißen lassen!

Findet, dass Provokation auch ihre Grenzen haben muss: Titanic

 Könnte es sein, »ARD-Deutschlandtrend«,

dass Dein Umfrageergebnis »Mehrheit sieht den Frieden in Europa bedroht« damit zusammenhängt, dass seit über zwei Jahren ein Krieg in Europa stattfindet?

Nur so eine Vermutung von Titanic

 Grüß Gott, Businesspäpstin Diana zur Löwen!

Du verkaufst seit Neuestem einen »Anxiety Ring«, dessen »bewegliche Perlen« beim Stressabbau helfen sollen. Mal abgesehen davon, dass das einfach nur das hundertste Fummelspielzeug ist, kommen uns von ihren Nutzer/innen glorifizierte und zur Seelenerleichterung eingesetzte bewegliche Perlen an einer Kette verdächtig bekannt vor.

Ist für Dich natürlich super, denn auch wenn Du Deinen treuen Fans skrupellos das Geld aus der Tasche ziehst, in die Hölle kommst Du zumindest für diese Aktion sicher nicht.

Auch wenn dafür betet:

Deine Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Citation needed

Neulich musste ich im Traum etwas bei Wikipedia nachschlagen. So ähnlich, wie unter »Trivia« oft Pub-Quiz-Wissen gesammelt wird, gab es da auf jeder Seite einen Abschnitt namens »Calia«, voll mit albernen und offensichtlich ausgedachten Zusatzinformationen. Dank Traum-Latinum wusste ich sofort: Na klar, »Calia« kommt von »Kohl«, das sind alles Verkohl-Facts! Ich wunderte mich noch, wo so ein Quatsch nun wieder herkommt, wusste beim Aufwachen aber gleich, unter welcher Kategorie ich das alles ins Traumtagebuch schreiben konnte.

Alexander Grupe

 Frage an die Brutschmarotzer-Ornithologie

Gibt es Kuckucke, die derart hinterhältig sind, dass sie ihre Eier anderen Kuckucken unterjubeln, damit die dann fremde Eier in fremde Nester legen?

Jürgen Miedl

 Mitgehört im Zug

»Prostitution ist das älteste Gewerbe der Welt!« – »Ja, aber das muss es ja nicht bleiben.«

Karl Franz

 Back to Metal

Wer billig kauft, kauft dreimal: Gerade ist mir beim zweiten Sparschäler innerhalb von 14 Tagen die bewegliche Klinge aus ihrer Plastikaufhängung gebrochen. Wer Sparschäler aus Kunststoff kauft, spart also am falschen Ende, nämlich am oberen!

Mark-Stefan Tietze

 Gebt ihnen einen Lebenszyklus!

Künstliche Pflanzen täuschen mir immer gekonnter Natürlichkeit vor. Was ihnen da aber noch fehlt, ist die Fähigkeit zu verwelken. Mein Vorschlag: Plastikpflanzen in verschiedenen Welkstadien, damit man sich das Naserümpfen der Gäste erspart und weiterhin nur dafür belächelt wird, dass man alle seine Zöglinge sterben lässt.

Michael Höfler

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
03.05.2024 Mettingen, Schultenhof Thomas Gsella
03.05.2024 Stuttgart, Im Wizemann Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
04.05.2024 Gütersloh, Die Weberei Thomas Gsella
04.05.2024 Jena, F-Haus Martin Sonneborn mit Sibylle Berg