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Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: Beim Bäcker

Die Welt besteht nicht nur aus Blödianen. Nicht nur, dass mir Leser H. eine überaus freundliche Ansichtskarte aus Burkina Faso geschickt hat; als mein Vorderrad Mitte der Woche in eine Straßenbahnschiene geriet und ein spektakulärer Sturz folgte, eilten mir nicht weniger als drei besorgte Hannoveraner zu Hilfe, und jetzt muss ich zwar ein wenig humpeln, freue mich aber, dass den Leuten dann doch nicht alles wurscht ist. Und meine zwanzig Jahre alte Brille den hohen Bogen unbeschadet überstanden hat.

Derart gestärkt, kann ich mich wieder den Blödianen widmen, und im Morgenblatt ist der Martin Zips, irgendwie fürs Vermischte, immer aber fürs Anzügliche zuständig, einer der verlässlichsten. US-amerikanische Forscherinnen haben herausgefunden, dass nicht bloß Hip-Hop-Texte mit Sex und Gewalt operieren, sondern sich in populärer Musik ganz allgemein und genauso häufig „Anspielungen auf Gewalt“ fänden. Zips nun übersetzt uns nicht nur, auf welche Weise (nämlich mit welchem Objekt) Sex und Gewalt zueinanderfinden, er hilft uns auch bei der Einordnung: „Nicht analysiert wurden Texte des Nockalm Quintetts (,Zieh dich an und geh, bevor was geschieht’), der Gruppe Sofaplanet (,Wir würden einfach liebficken, ficken für vier/Du auf dem Rücken und ich über dir’) sowie von Andreas Gabalier (,Fesche Madl brauchn flotte Buam hollero, zum Zuwadruckn, Liabm und zum Gspiarn’.)“

Köstlich. Bzw. Liabm und Gspiarn und Mann über Frau, wo ist da das Problem? Sexualisierte Gewalt in der populären Kultur, das ist doch wieder Genderquatsch, und wenn FPÖ-Gabalier mal zuwadruckn will, dann sollen die feschen Madl doch froh sein!

Zips Kollege Thomas Steinfeld aus dem Feuilleton ist wiederum kein Blödian, und was ihn aber in Rage bringt, ist die Gendersprache, was ein bisschen seltsam ist, weil sie, was er zugibt, in höherer Öffentlichkeit kaum stattfindet, sieht man ab von den „Wählerinnen und Wählern“ oder vereinzelten „Autofahrerinnen und -fahrern“ (Zeit.de). Die einzige größere Zeitung, die gendert, ist die Taz, und Hannover ist die erste Kommune, die das gendern in Amtstexten vorsieht, das aber nicht totalitär meint, sondern freundlich.

„Na, dann müssen wir es packen / einfach frei nach Schnauze backen“ Rolf Zuckowski, 1987

Steinfelds jüngster Feuilletonbeitrag zum Thema – einen Tag nachdem die Leserbriefseite klassisch vier Männer contra und eine Frau pro Gendersprache versammelte – hebt dagegen mit dem Verweis auf nationalistische Sprachreiniger im Ersten Weltkrieg an, wendet sich gegen „revolutionären Furor“ und ein „Aufseherwesen“, von dem man gern wüsste, wo es wirklich herrscht, und leitet daraus die Forderung ab, Sprache und Politik zu trennen – gern, aber dann bitte auch „Arbeitgeber“ abschaffen und die Konformvokabel „nachvollziehen“ bannen –, wie denn auch das generische Maskulinum kein biologisches, sondern grammatisches sei: So wie „der Tisch“ keine Eier hat, sind „Journalisten“ Wesen, die Texte für Zeitungen schreiben. „Wer ,ich gehe zum Bäcker sagt’, denkt dabei nicht notwendig an einen Mann.“ (Sagt ein Teil der Forschung: Eben doch. Derselbe, der findet, bei „der/die Kranke“ sei’s mit der Trennung grammatisch/biologisch Essig.) Diese grammatische Übergeschlechtlichkeit als nämlich Indifferenz wäre, nicht nur aus Gründen der Eleganz, zu bewahren, damit man sich „in einer Gemeinschaft freier Geister bewegen könnte, … ohne Rücksicht auf biologische Voraussetzungen“, was freilich ein haargenauso „idealistisches Vorhaben“ ist wie lt. Steinfeld das Gendern.

„So aber ist die geschlechtergerechte Sprache, wie sie bislang propagiert wird, nicht beschaffen. Statt dessen stößt sie jeden Mann und jede Frau auf seine oder ihre biologische Bedingtheit zurück.“ Wenn vielleicht auch nicht halb so ruppig wie ein Schlagertext oder der Martin Zips oder ein deutscher Firmenvorstand oder die pinke Regalwand in der Spielwarenabteilung oder Kinder- und Jugendbücher, die stur zwischen Abenteuer und Piraten hie und Prinzessin und Pferden da unterscheiden. Aber schuld ist nur der Bossa nova oder jedenfalls „das geschlechtspolitisch alarmierte Sprachempfinden“, unter dessen „Aufsicht“ sich „auch der letzte nur grammatisch als männlich markierte ,Bäcker’ in etwas biologisch Maskulines verwandelt. Gegen ein solches Empfinden ist nur schlecht zu argumentieren – zumal das Ableitungsverhältnis zwischen ,Leser’ und ,Leserin’ bestehen bleibt: Der Dominanz des Männlichen entkommt man im Deutschen nicht. Sie ist mit der Sprache gegeben.“

Und halt nicht nur mit der. Gehe ich nämlich zum Bäcker, dann gehe ich um die Ecke zum Bäcker „(Thomas) Göing“, oder vielleicht zu „Tom Maas“, oder ich besuche „(Cord) Buck’s Backparadies“, und in 999 von tausend Fällen werde ich von Frauen bedient. „Der einzig mögliche Ausweg wird darin liegen, … einen freien, souveränen Umgang der Geschlechter (in allen Varianten) im Praktischen anzustreben, anstatt ihn über eine Regelung der Sprache … erzwingen zu wollen.“ Da strebe ich gern mit und plädiere dafür, den Zips mal zum Brötchenschmieren in die Kantine abzuordnen, wo er sich mit den garantiert weiblichen Fachkräften über so etwas Lachhaftes wie Geschlecht und Gewalt beömmeln kann; oder über die Ironie, dass in der SZ meine Hannoveraner Helfer als biologisch männliche gar nicht kenntlich würden.




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Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Verehrte Joyce Carol Oates,

da Sie seit den Sechzigern beinah im Jahrestakt neue Bücher veröffentlichen, die auch noch in zahlreiche Sprachen übersetzt werden, kommen Sie vermutlich nicht dazu, jeden Verlagstext persönlich abzusegnen. Vielleicht können Sie uns dennoch mit ein paar Deutungsangeboten aushelfen, denn uns will ums Verrecken nicht einfallen, was der deutsche Ecco-Verlag im Sinn hatte, als er Ihren neuen Roman wie folgt bewarb: »›Babysitter‹ ist ein niederschmetternd beeindruckendes Buch, ein schonungsloses Porträt des Amerikas der oberen Mittelschicht sowie ein entlarvender Blick auf die etablierten Rollen der Frau. Oates gelingt es, all dies zu einem unglaublichen Pageturner zu formen. In den späten 1970ern treffen in Detroit und seinen Vorstädten verschiedene Leben aufeinander«, darunter »eine rätselhafte Figur an der Peripherie der Elite Detroits, der bisher jeglicher Vergeltung entkam«.

Bitte helfen Sie uns, Joyce Carol Oates – wer genau ist ›der Figur‹, dem es die elitären Peripherien angetan haben? Tragen die Leben beim Aufeinandertreffen Helme? Wie müssen wir uns ein Porträt vorstellen, das zugleich ein Blick ist? Wird das wehtun, wenn uns Ihr Buch erst niederschmettert, um dann noch Eindrücke auf uns zu hinterlassen? Und wie ist es Ihnen gelungen, aus dem unappetitlich plattgedrückten Matsch zu guter Letzt noch einen »Pageturner« zu formen?

Wartet lieber aufs nächste Buch: Titanic

 Hoppla, Berliner Gefängnischefs!

Drei von Euch haben laut Tagesspiegel wegen eines Fehlers der schwarz-roten Regierungskoalition statt einer Gehaltserhöhung weniger Geld bekommen. Aber der Ausbruch von Geldnöten soll durch einen Nachtragshaushalt verhindert werden. Da ja die Freundschaft bekanntlich beim Geld endet: Habt Ihr drei beim Blick auf Eure Kontoauszüge mal kurz über eine Ersatzfreiheitsstrafe für die nachgedacht, die das verbrochen haben?

Wollte diese Idee nur mal in den Raum stellen: Titanic

 Vielen Dank, Claudia Schiffer!

Vielen Dank, Claudia Schiffer!

Die Bunte zitiert Sie mit der Aussage: »Um zu überleben, muss man gesund sein, und wenn man am gesündesten ist, sieht man einfach auch am jüngsten aus!« Gut, dass Sie diese Erkenntnis an uns weitergeben!

Geht jetzt zur Sicherheit bei jeder neuen Falte, Cellulitedelle und grauen Strähne zum Arzt:

Ihre greise Redaktion der Titanic

 Bild.de!

»Springer hatte im Januar bundesweit für Entsetzen gesorgt«, zwischentiteltest Du mit einem Mal überraschend selbstreferenziell. Und schriebst weiter: »Nach der Enthüllung des Potsdamer ›Remigrations‹-Treffens von AfD-Politikern und Rechtsextremisten postete Springer: ›Wir werden Ausländer zurückführen. Millionenfach. Das ist kein Geheimnis. Das ist ein Versprechen.‹« Und: »In Jüterbog wetterte Springer jetzt gegen ›dahergelaufene Messermänner‹ und ›Geld für Radwege in Peru‹«.

Dass es in dem Artikel gar nicht um Dich bzw. den hinter Dir stehenden Arschverlag geht, sondern lediglich der Brandenburger AfD-Vorsitzende René Springer zitiert wird, fällt da kaum auf!

Zumindest nicht Titanic

 Chillax, Friedrich Merz!

Sie sind Gegner der Cannabislegalisierung, insbesondere sorgen Sie sich um den Kinder- und Jugendschutz. Dennoch gaben Sie zu Protokoll, Sie hätten »einmal während der Schulzeit mal einen Zug dran getan«.

Das sollte Ihnen zu denken geben. Nicht wegen etwaiger Spätfolgen, sondern: Wenn ein Erzkonservativer aus dem Sauerland, der fürs Kiffen die Formulierung »einen Zug dran tun« wählt, schon in der Schulzeit – und trotz sehr wahrscheinlichem Mangel an coolen Freund/innen – an Gras kam, muss dann nicht so ziemlich jedes andere System besseren Jugendschutz garantieren?

Sinniert

Ihre Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Spielregeln

Am Ende einer Mensch-ärgere-dich-nicht-Partie fragt der demente Herr, ob er erst eine Sechs würfeln muss, wenn er zum Klo will.

Miriam Wurster

 Konsequent

Die Welt steckt in der Spermakrise. Anzahl und Qualität der wuseligen Eileiter-Flitzer nehmen rapide ab. Schon in wenigen Jahren könnten Männer ihre Zeugungsfähigkeit vollständig verlieren. Grund hierfür sind die Verkaufsschlager aus den Laboren westlicher Großkonzerne. Diese Produkte machen den Schädling platt, das Plastik weich und das Braterlebnis fettfrei und wundersam. Erfunden wurden diese chemischen Erfolgsverbindungen von – Überraschung – Y-Chromosom-Trägern. Toll, dass sich Männer am Ende doch an der Empfängnisverhütung beteiligen.

Teresa Habild

 Tödliche Pilzgerichte (1/1)

Gefühlte Champignons.

Lukas Haberland

 Gute Nachricht:

Letzte Woche in der Therapie einen riesigen Durchbruch gehabt. Schlechte Nachricht: Blinddarm.

Laura Brinkmann

 Mitgehört im Zug

»Prostitution ist das älteste Gewerbe der Welt!« – »Ja, aber das muss es ja nicht bleiben.«

Karl Franz

Vermischtes

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Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
09.05.2024 Zürich, Friedhof Forum Thomas Gsella
09.05.2024 München, Volkstheater Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
10.05.2024 Weil am Rhein, Kulturzentrum Kesselhaus Thomas Gsella
11.05.2024 Karlsruhe, Kabarett in der Orgelfabrik Thomas Gsella