Newsticker

Nur diese Kategorie anzeigen:Gärtners Sonntagsfrühstück Eintrag teilenEintrag per Email versenden Mit Facebook-Freunden teilen Twittern mit Google+ teilen

Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: Auf Wiedervorlage (2)

Ich muß nicht recht haben; ich möchte nicht einmal recht haben. Hätte ich nicht recht, dann wäre die Welt, wie sie ist, aufs beste eingerichtet und störten nur einige Unwuchten, Unklugheiten, Auswüchse; dann wären der IS und alle verwandten Klerikoterrorismen tatsächlich nur Ergebnis einer unverständlichen Vernageltheit, wie sie der Mensch, der vielen Sonne wegen, in gewissen Weltregionen einfach nicht ablegt.

84 Tote in Nizza, Blumen vor französischen Botschaften, und Merkel verspricht, der Kampf gegen den Terrorismus werde gewonnen. Das kann sie selbst sowenig glauben wie alle anderen: daß es nur darum geht, ein paar zehntausend Verrückten die Waffen abzunehmen. Daß hier ein Lkw in eine Menschenmenge gesteuert worden ist, setzt das, wie unbewußt immer, ins Bild: die Waffen, das sind die Mörder selbst, was aber heißt, niemand wird sie aufhalten.

Und wer sind sie? Fangen wir anders an: Wer sind sie nicht? Das ist einfach: Es sind kaum einmal Lehrer, Anwälte, Professorinnen. Jetzt also ein 31jähriger Lkw-Fahrer mit tunesischen Wurzeln und kleinkrimineller Vergangenheit, und die Feststellung, daß es meistens die aus den schlechteren Vierteln der Stadt sind, hat nichts mit dem Ressentiment zu tun, das den Bürger veranlaßt, seinen Nachwuchs auf die Oberstadt zu verpflichten, sondern mit Verhältnissen, die in blinder Sturheit Abgehängte produzieren, die gerne glauben, etwas Besseres als ihr Leben fänden sie überall. „Daß kein Riß durch die Gesellschaft gehen dürfe, davor warnen alle, die Kommentatoren und Wohlmeinenden und Abendlandbesitzer“, hieß es hier bei ganz ähnlicher, prototypischer Gelegenheit, „und es kommt ihnen sehr zupaß, lauthals einen Kulturkampf annoncieren können, wo es sich doch ganz offensichtlich ein kleines bißchen auch um Klassenkampf handeln, und zwar einen von der schmutzigen, bewußtlosen, religiös verdummten Sorte. ,Die drei Attentäter von Paris und ihre mutmaßliche Komplizin wurden in eine feindliche Welt aus Beton geboren. Aber sie hatten Chancen, ihren Platz im Leben zu finden’ (Süddeutsche) – so kann es gehen, und so geht es immer wieder, und kaum ist, man weiß nicht wie, eine Chance futsch, steht schon der Islam mit der Kalaschnikow bereit und gefährdet unsere Werteordnung.“

„Im Ernst: Ist der Reklamechef nicht noch widriger als der Mörder?“ Thea Sternheim, 1933

Mohamed Lahouaiej Bouhlel, der Polizei aufgrund von „Gewalttaten“ (Spon) bekannt, muß mir nicht sympathisch sein, und ich will das, was er angerichtet hat, nicht entschuldigen; aber wer’s nicht verstehen will, der soll nicht von Siegen in Kämpfen faseln, die so lange nicht enden, wie deren Ursachen nicht beseitigt sind. Nichts geschieht ohne Grund, und Dummheit – und es macht mir Mal für Mal weniger Spaß, darauf herumzureiten – ist gesellschaftlich produziert, sie ist sogar gewollt, mindestens gebilligt da, wo, global wie lokal, zum Zentrum immer die Peripherie gehört, wo gleich hinter der „Prachtstraße“ und „glitzernden Strandpromenade“ sogar laut FAZ „die gesellschaftlichen Unterschiede sichtbar“ werden. „Die Arbeitslosigkeit liegt deutlich über dem Landesdurchschnitt. Der rechtsextreme Front National holte bei der Regionalwahl im vergangenen Jahr immerhin 45,2 Prozent der Stimmen“, und laut Le Monde ist Nizza mit Umgebung ein „Hotspot der islamistischen Radikalisation“. Und wenn Miosga in ihren Tagesthemen aufsagt: „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit: auch diesen Werten galt der Anschlag“, hat sie recht, aber ganz anders, als öffentlich-rechtliche Journalistenschulweisheit sich das vorstellen kann.

„Ein Gegenmittel gibt es nicht“, weiß da der FAZ.net-Kommentar (zu dem einem Leser aus dem friedlich-christlichen Abendland bereits wieder einfällt, man dürfe beim Terrorgrundsuchen „den Islam nicht ausklammern“): „Nicht alles, was töten kann, läßt sich verbieten.“ Aber was hier tötet, ließe sich abschaffen. Wenn man nur wollte.

Nachschrift: Diese Kolumne wurde am Freitag verfaßt. Am Samstag meldete FAZ.net erleichtert: „Attentäter war psychisch krank“. Er sei 2002 und 2004 „als Jugendlicher in Behandlung“ gewesen und laut Verwandtschaft ein „Mistkerl“ und faktisch „kein Moslem“. Sollte sich aufgrund dieser Umstände oder weiterer Ermittlungen erweisen, daß das Gesagte auf einer falschen Annahme beruht, hat der Autor – unter Hintanstellung der Frage, was wen zu einem massenmordenden Mistkerl macht – gern unrecht, stellt indes anheim, seinen Beitrag zur neuerlichen Wiedervornahme aufzuheben.




Eintrag versenden Newstickereintrag versenden…
Felder mit einem * müssen ausgefüllt werden.

optionale Mitteilung an den Empfänger:

E-Mail-Adresse des Absenders*:

E-Mail-Adresse des Empfängers*
(mehrere Adressen durch Semikolon trennen, max. 10):

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Lustiger Zufall, »Tagesspiegel«!

»Bett, Bücher, Bargeld – wie es in der Kreuzberger Wohnung von Ex-RAF-Terroristin Daniela Klette aussah«. Mit dieser Schlagzeile überschreibst Du Deine Homestory aus Berlin. Ha, exakt so sieht es in unseren Wohnungen auch aus! Komm doch gern mal vorbei und schreib drüber. Aber bitte nicht vorher die Polizei vorbeischicken!

Dankend: Titanic

 Apropos: ¡Hola bzw. holla, spanischer Priester!

Du hast Dir die Worte aus dem Matthäusevangelium »Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach« zu sehr zu Herzen genommen und in Deiner Gemeinde in der Kleinstadt Don Benito einen regen Handel mit Potenzmitteln betrieben. Für diesen nach weltlichem Ermessen offensichtlichen Sündenfall musst Du Dich nun vor einem irdischen Gericht verantworten.

Uns ist zwar nicht bekannt, ob Du Dich gegenüber Polizei und Justiz bereits bußfertig gegeben hast oder weiterhin auf das Beichtgeheimnis berufst. Angesichts der laut Zeugenaussagen freudigen Erregung Deiner überalterten Gemeindemitglieder beim Geläut der Glocken sowie ihres Durchhaltevermögens bei den nicht enden wollenden Eucharistiefeiern inklusive Rumgeorgel, Stoßgebeten und orgiastischer Gottesanrufungen sprechen alle Indizien aber ohnehin gegen Dich!

Bleibt auch ganz ohne künstliche Stimulanzien weiter standfest im Nichtglauben: Titanic

 Du, »Brigitte«,

füllst Deine Website mit vielen Artikeln zu psychologischen Themen, wie z. B. diesem hier: »So erkennst Du das ›Perfect-Moment -Syndrom‹«. Kaum sind die ersten Zeilen überflogen, ploppen auch schon die nächsten Artikel auf und belagern unsere Aufmerksamkeit mit dem »Fight-or-Flight-Syndrom«, dem »Empty-Nest-Syndrom«, dem »Ritter-Syndrom« und dem »Dead- Vagina-Syndrom«. Nun sind wir keine Mediziner/innen, aber könnte es sein, Brigitte, dass Du am Syndrom-Syndrom leidest und es noch gar nicht bemerkt hast? Die Symptome sprechen jedenfalls eindeutig dafür!

Meinen die Hobby-Diagnostiker/innen der Titanic

 Sie, Victoria Beckham,

Sie, Victoria Beckham,

behaupteten in der Netflix-Doku »Beckham«, Sie seien »working class« aufgewachsen. Auf die Frage Ihres Ehemanns, mit welchem Auto Sie zur Schule gefahren worden seien, gaben Sie nach einigem Herumdrucksen zu, es habe sich um einen Rolls-Royce gehandelt. Nun verkaufen Sie T-Shirts mit dem Aufdruck »My Dad had a Rolls-Royce« für um die 130 Euro und werden für Ihre Selbstironie gelobt. Wir persönlich fänden es sogar noch mutiger und erfrischender, wenn Sie augenzwinkernd Shirts mit der Aufschrift »My Husband was the Ambassador for the World Cup in Qatar« anbieten würden, um den Kritiker/innen so richtig den Wind aus den Segeln zu nehmen.

In der Selbstkritik ausschließlich ironisch: Titanic

 Grunz, Pigcasso,

malendes Schwein aus Südafrika! Du warst die erfolgreichste nicht-menschliche Künstlerin der Welt, nun bist Du verendet. Aber tröste Dich: Aus Dir wird neue Kunst entstehen. Oder was glaubst Du, was mit Deinen Borsten geschieht?

Grüße auch an Francis Bacon: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Pendlerpauschale

Meine Fahrt zur Arbeit führt mich täglich an der Frankfurt School of Finance & Management vorbei. Dass ich letztens einen Studenten beim Aussteigen an der dortigen Bushaltestelle mit Blick auf sein I-Phone laut habe fluchen hören: »Scheiße, nur noch 9 Prozent!« hat mich nachdenklich gemacht. Vielleicht wäre meine eigene Zinsstrategie selbst bei angehenden Investmentbankern besser aufgehoben.

Daniel Sibbe

 Dünnes Eis

Zwei Männer in Funktionsjacken draußen vor den Gemüsestiegen des türkischen Supermarkts. Der eine zeigt auf die Peperoni und kichert: »Hähä, willst du die nicht kaufen?« Der andere, begeistert: »Ja, hähä! Wenn der Esel dich juckt – oder nee, wie heißt noch mal der Spruch?«

Mark-Stefan Tietze

 Kapitaler Kalauer

Da man mit billigen Wortspielen ja nicht geizen soll, möchte ich hier an ein großes deutsches Geldinstitut erinnern, das exakt von 1830 bis 1848 existierte: die Vormärzbank.

Andreas Maier

 Bilden Sie mal einen Satz mit Distanz

Der Stuntman soll vom Burgfried springen,
im Nahkampf drohen scharfe Klingen.
Da sagt er mutig: Jetzt mal ehrlich –
ich find Distanz viel zu gefährlich!

Patrick Fischer

 Neulich

erwartete ich in der Zeit unter dem Titel »Glückwunsch, Braunlage!« eigentlich eine Ode auf den beschaulichen Luftkurort im Oberharz. Die kam aber nicht. Kein Wunder, wenn die Überschrift des Artikels eigentlich »Glückwunsch, Braunalge!« lautet!

Axel Schwacke

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
19.04.2024 Wuppertal, Börse Hauck & Bauer
20.04.2024 Eberswalde, Märchenvilla Max Goldt
20.04.2024 Itzehoe, Lauschbar Ella Carina Werner
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt