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Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: Von A nach B

Ein abgelehnter irakischer Asylbewerber ist dringend verdächtig, in Wiesbaden eine deutsche 14jährige vergewaltigt und getötet zu haben. Als wäre das nicht fürchterlich genug, moderiert Claus Kleber im „Heute-Journal“ seine Spitzenmeldung wie folgt an: „Plötzlich scheinen all die schnellen Urteile bestätigt: Wären die Grenzen doch zugeblieben, dann würde Susanna noch leben.“

Da ist sogar die „Bild“-Zeitung diskreter, die erst bei der Rückführung ansetzt („Wäre er abgeschoben worden, würde sie noch leben“); und weil das Deutsche für einen zitierten Konjunktiv bloß wieder den Konjunktiv vorsieht, müssen wir das selbst entscheiden, ob der Kleber all die schnellen Urteile, die der AfD zu ihrer Popularität verhelfen, teilt. Was er jedenfalls teilt, ist der antiintellektuelle Affekt, was man bei Klebers Beruf vielleicht verstehen kann: „Keine Statistik, keine ,soziokulturelle Analyse’“ – die Anführungszeichen sind deutlich hörbar –, „überhaupt keine schnelle Zahlenanalyse oder akademische Verrenkung kann ein Menschenleben zurückholen oder das Leid der Familie lindern. Und trotzdem ist die Frage berechtigt: ob das Leben in Deutschland gefährlicher geworden ist, seit Hunderttausende, viele von ihnen männlich, jung, traumatisiert oder frustriert, aus fremden Kulturen ins Land gekommen sind. Die Zahlen sprechen zunächst ein eindeutiges Ja. Man muß sie aber auch genauer anschauen.“

Und das tut dann ein Bericht, der, natürlich, mit der Kölner Silvesternacht beginnt und keinerlei Bedenken hat, sich mit unheilschwangerer Kriminalfilmmusik zu unterlegen, während er an Fälle in Freiburg und Kandel erinnert; in Kandel, wo ein Flüchtling seine deutsche Exfreundin erstochen hatte, folgten „massive Proteste der Bevölkerung“, und zwar, sehen wir, in einem Pegida-Wald von schwarz-rot-goldenen Fahnen und Transparenten wie „Integration ist eine Lüge“ oder „Grenzen dicht, schützt unsere Frauen“. Der „Anteil von Flüchtlingen an Tötungsdelikten“, zeigt die Statistik, ist von 2014 bis 2017 von 4,3 auf 15,5 Prozent gestiegen, und der Kriminologe Pfeiffer wußte, daß unter den Flüchtlingen überdurchschnittlich viele junge Männer sind, welche die Kriminalstatistik nun einmal immer anführten; zweitens seien abgelehnte und deshalb frustrierte Asylbewerber besonders gefährlich. (Der mutmaßliche Mörder von Wiesbaden hatte allerdings noch eine Klage gegen seine Ablehnung laufen.) Im vergangenen Jahr hatte indes die „Zeit“ ermittelt, daß die meisten Opfer von durch Flüchtlinge begangenen Gewalttaten selbst Flüchtlinge sind und in jenen aggressionsförderlichen Massenunterkünften zu Opfern werden, die Seehofer gern noch größer hätte.

„Wir dürfen nicht vergessen, daß die Weltbeschreibung durch die Mechanik immer die ganz allgemeine ist. Es ist in ihr z.B nie von bestimmten materiellen Punkten die Rede, sondern immer nur von irgendwelchen.“ Wittgenstein, 1922

Bei stabil jährlich ca. 36000 aufgeklärten Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung hat sich der Anteil von „tatverdächtigen Zuwanderern“ (ZDF) von 599 auf 3404 erhöht, und das Off fragt arglos: „Stimmt also die These, daß Flüchtlinge die Sicherheit in Deutschland besonders gefährden?“ Pfeiffer: „Das sagt der Bundesinnenminister, genauso wie es Wissenschaftler sagen, das ist einhellige Meinung. Durch die Flüchtlinge hat sich das Gewaltrisiko erhöht, und wir haben es auch wissenschaftlich klar nachgewiesen.“ Der Bundesinnenminister sagt es freilich auch ohne Wissenschaft, und warum bei aufgeklärten Fällen die Tatverdächtigen eine Rolle spielen (deren Zahl naturgemäß größer ist), weiß der Autor allein; und wenn aber seine Grafik stimmt und die Gesamtzahl der aufgeklärten Fälle bis wenigstens 2016 stabil ist, hat sich, was Sexualstraftaten angeht, durch Flüchtlinge das Gewaltrisiko nicht erhöht: Erhöht hat sich lediglich das Risiko, daß der Gewalttäter ein Flüchtling ist.

Dietmar Dath hat gelegentlich die Selbstverständlichkeit ausgesprochen, daß, wo Menschen kommen, die Dummen und Bösen mitkommen. Daß die Mainzer Schülerin noch leben würde, wären die vor Gewalt, Tod und Elend Flüchtenden in ihren Höllen geblieben, ist jedoch so spekulativ wie die Annahme, das Kleinkind, das ein Asylbewerber in Paris vom Balkon geholt hat, werde als Erwachsener einen tödlichen Autounfall verursachen. „Hätte man das Kind sterben lassen, der Unfall wäre nie passiert“: vielleicht aber ein anderer, sogar viel üblerer. Aus einem guten A kann ein böses B folgen; das macht das gute A nicht schlecht. Falls man denn A jemals für gut gehalten hat.

Auf dem Kreuz, das jemand am Fundort der Leiche aufgestellt hat, steht: „Susanna, 14 Jahre, Opfer der Toleranz“. Sosehr das Fernsehen hier auch applaudiert: Nein. Susanna, 14 Jahre, ist das Opfer eines Verbrechens.




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Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Wenn, Sepp Müller (CDU),

Bundeskanzler Olaf Scholz, wie Sie ihm vorwerfen, in einem »Paralleluniversum« lebt – wer hat dann seinen Platz in den Bundestagsdebatten, den Haushaltsstreitgesprächen der Ampelkoalition, beim ZDF-Sommerinterview usw. eingenommen?

Fragt die Fringe-Division der Titanic

 Gemischte Gefühle, Tiefkühlkosthersteller »Biopolar«,

kamen in uns auf, als wir nach dem Einkauf Deinen Firmennamen auf der Kühltüte lasen. Nun kann es ja sein, dass wir als notorisch depressive Satiriker/innen immer gleich an die kühlen Seiten des Lebens denken, aber die Marktforschungsergebnisse würden uns interessieren, die suggerieren, dass Dein Name positive und appetitanregende Assoziationen in der Kundschaft hervorruft!

Deine Flutschfinger von Titanic

 »Welt«-Feuilletonist Elmar Krekeler!

»Friede eurer gelben Asche, Minions!« überschrieben Sie Ihre Filmkritik zu »Ich – einfach unverbesserlich 4«. Vorspann: »Früher waren sie fröhliche Anarchisten, heute machen sie öde Werbung für VW: Nach beinahe 15 Jahren im Kino sind die quietschgelben Minions auf den Hund gekommen. Ihr neuestes Kino-Abenteuer kommt wie ein Nachruf daher.«

Starkes Meinungsstück, Krekeler! Genau dafür lesen wir die Welt: dass uns jemand mit klaren Worten vor Augen führt, was in unserer Gesellschaft alles schiefläuft.

Dass Macron am Erstarken der Rechten schuld ist, wussten wir dank Ihrer Zeitung ja schon, ebenso, dass eine Vermögenssteuer ein Irrweg ist, dass man Viktor Orbán eine Chance geben soll, dass die Letzte Generation nichts verstanden hat, dass Steuersenkungen für ausländische Fachkräfte Deutschlands Todesstoß sind und dass wir wegen woker Pronomenpflicht bald alle im Gefängnis landen.

Aber Sie, Elmar Krakeeler, haben endlich den letzten totgeschwiegenen Missstand deutlich angesprochen: Die Minions sind nicht mehr frech genug. O tempora. Titanic

 Du wiederum, »Spiegel«,

bleibst in der NBA, der Basketball-Profiliga der Männer in den USA, am Ball und berichtest über die Vertragsverlängerung des Superstars LeBron James. »Neuer Lakers-Vertrag – LeBron James verzichtet offenbar auf Spitzengehalt«, vermeldest Du aufgeregt.

Entsetzt, Spiegel, müssen wir feststellen, dass unsere Vorstellung von einem guten Einkommen offenbar um einiges weiter von der Deiner Redakteur/innen entfernt ist als bislang gedacht. Andere Angebote hin oder her: 93 Millionen Euro für zwei Jahre Bällewerfen hätten wir jetzt schon unter »Spitzengehalt« eingeordnet. Reichtum ist wohl tatsächlich eine Frage der Perspektive.

Arm, aber sexy: Titanic

 Hände hoch, Rheinmetall-Chef Armin Papperger!

Laut einem CNN-Bericht lagen deutschen und US-amerikanischen Geheimdiensten Hinweise zu russischen Plänen für einen Angriff auf Sie vor. So etwas nennt man dann wohl »jemanden mit seinen eigenen Waffen schlagen«!

Mörderpointe von Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Lifehack von unbekannt

Ein Mann, der mir im Zug gegenüber saß, griff in seine Tasche und holte einen Apfel heraus. Zu meinem Entsetzen zerriss er ihn mit bloßen Händen sauber in zwei Hälften und aß anschließend beide Hälften auf. Ich war schockiert ob dieser martialischen wie überflüssigen Handlung. Meinen empörten Blick missdeutete der Mann als Interesse und begann, mir die Technik des Apfelzerreißens zu erklären. Ich tat desinteressiert, folgte zu Hause aber seiner Anleitung und zerriss meinen ersten Apfel! Seitdem zerreiße ich fast alles: Kohlrabi, Kokosnüsse, anderer Leute Bluetoothboxen im Park, lästige Straßentauben, schwer zu öffnende Schmuckschatullen. Vielen Dank an den Mann im Zug, dafür, dass er mein Leben von Grund auf verbessert hat.

Clemens Kaltenbrunn

 Feuchte Träume

Träumen norddeutsche Comedians eigentlich davon, es irgendwann mal auf die ganz große Buhne zu schaffen?

Karl Franz

 Beim Aufräumen in der Küche

Zu mir selbst: Nicht nur Roger Willemsen fehlt. Auch der Korkenzieher.

Uwe Becker

 Liebesgedicht

Du bist das Ästchen,
ich bin der Stamm.
Du bist der Golo,
ich Thomas Mann.
Du bist Borkum,
ich bin Hawaii.
Du bist die Wolke,
ich bin gleich drei.
Du bist das Würmchen,
ich bin das Watt.
Du bist die Klinke,
ich bin die Stadt.
Du bist das Blättchen,
ich jetzt der Ast.
Sei still und freu dich,
dass du mich hast.

Ella Carina Werner

 Zeitsprung

Dem Premierenpublikum von Stanley Kubricks »2001: Odyssee im Weltraum« wird der Film 1968 ziemlich futuristisch II vorgekommen sein.

Daniel Sibbe

Vermischtes

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Das schreiben die anderen

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03.08.2024 Kassel, Caricatura-Galerie Miriam Wurster: »Schrei mich bitte nicht so an!«
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst Die Dünen der Dänen – Das Neueste von Hans Traxler
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