Fabian Lichters Economy Class
Kuhmilchphilosophie
"Wir sind eine wirklich gefühlige Gesellschaft geworden", sagt Markus Lanz, der immerhin noch mit der gefühligen Knallerfrage "Was macht das mit Ihnen?" den journalistischen Olymp erklimmen konnte, in einem Clip, der gerade eifrig geteilt wird. "So eine Hafermilchgesellschaft, so eine Guavendicksaft-Truppe, die wirklich die ganze Zeit auf der Suche nach der idealen Work-Life-Balance ist." Ein echter Macher wie Lanz schlürft eben noch den klassischen Eutersaft, so wie es schon Generationen vor ihm getan haben, und würde auch noch wenn der Magen rumort nicht auf das als unmännlich konnotierte Substitut aus schmächtigen, knickbaren Halmpflanzen umsteigen. Richard David Precht – wer sonst? – schluckt den gequirlten Dung und fügt dem Ganzen für einen Philosophen eher ungewöhnlich affirmativ hinzu, dass sich 90 Prozent aller arbeitenden Menschen seiner Elterngeneration, erst recht der seiner Großeltern, gar nicht erst die Sinnfrage gestellt hätten, wohingegen die jungen Leute in dieser Hinsicht heute zu wählerisch und zu kritisch seien. Und wenn man bedenkt, wie viele Menschen sich derlei Phrasen zweier Fulltime-Esel wohlwollend anhören, als handele es sich bei ihnen um mehr als das Geraune über die Jugend, das bekanntlich alle Zeit überdauert, wird man feststellen, dass man gar nicht so viel Hafermilch trinken könnte, wie man … na ja, und so weiter. Carsten Linnemann, CDU, macht in derselben Woche damit auf sich aufmerksam, dass er eine Arbeitspflicht fordert, führt also gegen jede Empirie das alte Vorurteil ins Gefecht, ein Großteil der Arbeitslosen nutze den Staat aus. Als sei es nicht gerade so, dass kein Mensch in die Situation kommen möchte, zu denen zu gehören, gegen die Leute wie Linnemann strategisch und wann immer es ins Programm passt die ohnehin schon wirkenden Projektionen auf die Armen weiter befeuern. Man kann den Ball in diesen Fällen schlicht zurückspielen und fragen, wie ausgerechnet Richard David Precht sich und seine Tätigkeit als millionenschweres Orakel für gesellschaftlich unerlässlich erklärt. Oder ob man mit einem Jahr Mitarbeit in der von den Eltern betriebenen Linnemanschen Buchhandlung wirklich irgendjemandem etwas von Arbeit erzählen kann. Am Ende macht man sich damit doch nur die Maßstäbe derer zu eigen, die den gegebenen Blödsinn bereit sind zu hinunterzuschlucken, wiederzukäuen und für immer und alle Zeiten als alternativlos zu erklären. Und sei es nur, weil sie selbst genau wissen, wie austauschbar sie in Wirklichkeit sind.
◀ | Fast richtige Schlagzeile (1 on 1) | Aus Eugen Egners Püppchenstudio | ▶ |
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