Fabian Lichters Economy Class
Auch Deutsche unter den Opfern
Auf Twitter kursieren derzeit Bilder und Videoaufnahmen aus dem chinesischen Lockdown, die so mancher dystopischen Phantasie aus dem an dystopischen Stoffen reichen Fundus westlicher Kulturindustrieprodukte mindestens das Wasser reichen können. Drohnen, die durch die Häuserschluchten fliegen und im Auftrag der Regierung zu den Bewohnern sprechen, Polizeigewalt gegenüber Demonstranten, Menschen, die gewaltsam aus ihren Wohnungen gezerrt oder aber am Verlassen der Häuser gehindert werden. Geteilt und mit den immergleichen Kommentaren versehen, werden diese Bilder immer wieder und leidenschaftlich gerne von Nutzern, die damit in erster Linie Befürworter von Maßnahmen zur Eindämmung u.a. hierzulande diskreditieren möchten. Die Menschen im chinesischen Lockdown scheinen dabei so offensichtlich egal zu sein wie die Menschen, die Covid in den letzten Jahren, sei es in China, sei es im Rest der Welt, zum Opfer gefallen sind. Die Empörung dient einzig der eigenen Inszenierung als Opfer. In Deutschland und dem Rest der westlichen Welt, das soll unter Hashtags wie #ichhabemitgemacht festgehalten werden, habe Ungeheuerliches stattgefunden. Das ritualisierte und manische Wiederholen der Anklage, das Verzerren und das Verbiegen der Maßstäbe und Perspektiven in den Tweets legen nahe, dass so manch ein Impf- und Maßnahmengegner insgeheim regelrecht erbost, ja enttäuscht darüber zu sein scheint, dass hier, bis auf wenige Einschränkungen, wieder weitestgehend Normalbetrieb herrscht. Die diffusen Umsturzphantasien, der Widerstandsgestus und der Volkszorn, die sich in der turbulenten ersten Zeit unter Corona aufladen konnten, zielen ins Leere. Deshalb muss noch jedes Foto vom Aushang des Bäckers nebenan als Beweis dafür herhalten, dass man eine Zeit lang ohne Maske keine Brötchen kaufen konnte. Dass man Opfer eines totalitären Umbaus und Freiheitskämpfer zugleich gewesen sei. Da lachen ja die Drohnen.
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