Fabian Lichters Economy Class
There is no I in We
Ein Glanzstück der kapitalistischen Ideologieproduktion war es sicherlich, noch die Schuld an der Verwüstung der Erde auf das Individuum und damit auf alle abzuschieben. In der Demokratie, so hat man es von Kindesbeinen an gelernt, ist schließlich jeder und jede wichtig und leistet täglich seinen Beitrag zum großen Ganzen. Ob mit dem Gang in den Supermarkt oder der Entscheidung, heute das Rad und nicht das Auto zu nehmen. Nach dieser Devise ist das Wir gebaut, das nun das Klima retten soll. Es sind alle und niemand zugleich gemeint. Und noch der ums Klima besorgte Bürger verdoppelt das Elend nur unfreiwillig, in dem er aus der Klimakrise wiederum eine Privatveranstaltung macht, der sich zuerst einmal jeder in seinem eigenen Rahmen zu stellen habe. Bis zum Schluss wollen die Kräfteverhältnisse verschleiert sein, bis zum Schluss soll es keinen Unterschied zwischen einem selbst und Jeff Bezos geben, zwischen dem eigenen Haushalt und dem der Versorger. Das suggeriert Handlungsmacht und schenkt Hoffnung, ist aber auch Garant dafür, dass sich aufs Große und Ganze, außer mit moralischen Appellen, nicht gestürzt wird, dass es bei Lippenbekenntnissen und Ablassleistungen bleiben kann. So selbstverständlich es sein sollte, mit seinen eigenen Handlungen keine Schneise der Verwüstung auf diesem Planeten hinterlassen zu wollen, so wenig sind auf dem Schlachtfeld, auf dem man sich dabei bewegt, darüber hinaus größere Siege zu erringen. Zum Verständnis der Krise gehört das Verständnis der Machtverhältnisse, der Interessensgegensätze und der Totalität all dessen. Nicht jeder kann, nicht jeder mag das einsehen. Wer darauf verzichtet, findet eine von Aktivisten blockierte Straße und Kartoffelbrei im Museum dann eben bereits radikal. Schon alleine, weil da jemand auf das Wir verzichtet. Und weil er von Schlimmerem erst gar nichts wissen will.
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