Fabian Lichters Economy Class
Immer wieder Montags
Mit der politischen Praxis ist es immer so eine Sache. Am Ende droht das revolutionäre Vorhaben auch gerne mal an Kleinigkeiten zu scheitern, etwa der Frage nach dem richtigen Wochentag. Da ruft die Linke angesichts steigender Preise zu neuen Montagsdemos auf und macht alles nur noch schwieriger. Schließlich versammelte sich unter dem Begriff Montagsdemo in den letzten Jahren von Pegida-Anhängern, Corona-Leugnern und Verschwörungstheoretikern wie Ken Jebsen so ziemlich alles, was immer schon mehr Wut als Verstand hatte, auf den Straßen. Der Begriff sei deshalb unbrauchbar, hieß es von Bewegungslinken wie Parteigenossen. Während andere wiederum eisern ihr Recht verteidigten, sich nicht darum scheren zu müssen, ob der, der da gerade neben ihnen läuft, nun an eine gerechtere Welt glaubt, an die Überlegenheit seines Volkes respektive seiner abendländischen Kultur oder an Echsenmenschen in den Parlamenten. Denn dass auch die neuesten Montagsdemos in der Hinsicht bunt gemischt sein werden, ist zumindest dann zu befürchten, wenn man nicht ohnehin gerade darauf spekuliert. Dabei hätte man sich auch ohne Querfront langsam mal etwas Neues einfallen lassen können. Seit jeher dient der Bezug auf die Montagsdemos der DDR dem deutschen Seelenheil, lässt sich damit im Nachhinein doch zumindest irgendwie eine revolutionäre Vergangenheit und Ader herbeireden, ein Aufstand im eigenen Portfolio, der nicht unmittelbar in der Barbarei endete. So stehen auch die originalen Montagsdemos längst schon für alles und nichts; schimmern mal emanzipatorisch und antiautoritär, im nächsten Moment konstitutiv für die wiedervereinte Nation in die Gegenwart hinein. Montagsdemos riechen nach Protest und Transparenten, aber auch nach Saumagen und Helmut Kohl, je nachdem, woher gerade der Wind weht.
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