Fabian Lichters Economy Class
In Fahrt
Diese Kolumne wird nicht von mächtigen Schlüsselindustrien querfinanziert, der Autor hegt auch keine einflussreichen Kontakte zu Ölmagnaten, Tankstellenbesitzern oder Christian "Graf Zahl" Lindner. Unter diesen Voraussetzungen soll nun mit Vollgas in die Mobilitätsdebatte gebrettert werden. Denn nicht nur die Unverbesserlichen, die ihren Diesel auch dann noch für heilig halten werden, wenn auf der Erde kein Kraut mehr wächst, gerieren sich beim Thema Auto äußerst unwirsch und realitätsfern, auch auf der Gegenseite verbeißt man sich nur zu gerne in sein Feindbild, den rücksichtslosen Autofahrer, der noch im Jahr 2022 mit dem Auto zum Bäcker um die Ecke fährt und plötzlich gibt es nur noch skrupellose Sportwagenfahrer, die lachend die letzten Tropfen fossilen Brennstoffs in ihren Tank schütten. Daher können, so der Ton in etwaigen Kommentaren, die Preise an Tankstellen gar nicht hoch genug sein. Sogar bei den derzeitigen Rekordpreisen, so eine Meldung jüngst, waren keine messbaren Veränderungen im Straßenverkehr spürbar, und da schnaubt mancher gleich noch einmal, denn die Autos fahren so zahlreich wie zuvor. Was daran liegen könnte, dass ein Großteil der Menschen dann eben doch nicht rein aus Jux und Tollerei tagtäglich mit dem Verbrenner durch die Gegend ballert und dafür Raffinerien, Versicherungen und Schweineindustrie noch das letzte Geld in den Rachen wirft, sondern daran, dass man außerhalb einer Großstadt in Deutschland ohne Auto so dumm aussieht wie in der Stadt mit. Wer beim Tankrabatt Klientelpolitik schreit, hat sicher Recht, verkennt aber in der Regel auch, dass die Mehrheit der Autofahrer trotzdem weder Porsche-SUV fährt noch FDP wählt. Wer berufstätig ist und Kinder hat, ist auf dem Land mit einem Lastenfahrrad schneller am Herzinfarkt als am Ziel, wenn der nächste Arzt etliche Kilometer entfernt praktiziert und der Supermarkt dank Dörfersterben irgendwo weit hinter dem Horizont steht. Der öffentliche Nahverkehr war dort immer schon eine rein behauptete Alternative. Heißt auch, dass etliche ihr Auto nur mit Mühe unterhalten und dann vor allem, um den Alltag bewerkstelligen zu können. Darüber zu spotten oder großzügig hinwegzusehen hilft niemandem. Die künstlich hochgetriebenen Sprit-Preise machen nun die Falschen reicher und die Falschen ärmer und schreien eigentlich nach Maßnahmen ganz anderer Natur. Projektionen und das Ausblenden der Wirklichkeit abseits der Innenstädte sind aber nun mal auch keine geeigneten Mittel, eine Welt zu erkämpfen, die überhaupt einmal ohne Auto funktionieren kann.
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