Dax Werners Debattenrückspiegel KW37
Liebe Leser:innen,
mach's gut, kleine Fellnase, und eine gute Reise über die Regenbogenbrücke! Nun hat es auch die Queen erwischt: Viel zu früh (96) nahm der Herrgott sie vergangene Woche zu sich. 12 Premierminister, 14 US-Präsidenten und 7 Päpste hat sie überlebt – und zwar, ohne sich je selbst zur Wahl zu stellen. Was ist es, was auch die Menschen in Deutschland so sehr an Queen Elizabeth II. fasziniert? Warum ist die Trauer auch zwischen Garmisch-Partenkirchen und Flensburg so groß? Handelt es sich lediglich um eine im Tandem zwischen Rolf Seelmann-Eggebert und Rosamunde Pilcher induzierte Kollektiv-Hypnose, die immer dann zum Zug kommt, wenn es irgendwie um England und die Royals geht? Ich habe eine Idee, was der Grund sein könnte und möchte darüber heute mit euch ins Gespräch kommen.
Wie schnell man diskursiv ins Schwimmen gerät, wenn man die diffuse Bewunderung für die Queen in konkrete Worte packen möchte, bewies am Abend ihres Ablebens Bundeskanzler Olaf Scholz: "Wir trauern um Queen Elizabeth II. Sie war Vorbild und Inspiration für Millionen, auch hier in Deutschland." Worin war sie denn nun genau Vorbild und Inspiration? Ist als Kommentator ein wenig zu sehr auf Krawall gebürstet, wem hier als erstes die 12 Millionen Pfund einfallen, die sie Prince Andrew Anfang des Jahres wohl per Blitzüberweisung zukommen ließ, um den Vorwurf sexuellen Missbrauchs aus der Welt zu räumen? Oder, und das glaube ich eher, erinnert uns die Art, wie die Queen es 70 Jahre und 214 Tage lang auch nur irgendeine Art von Auseinandersetzung mit den Kolonialverbrechen ihrer Vorgänger ausgesessen hat, auf angenehme Weise an den einzigen echten deutschen Royal, Bundeskanzler a. D. Helmut Kohl? Dass die Queen eine Sammlung von ca. 23.000 Diamanten pflegte, von denen 19.000 unter "besonderen Umständen" aus Indien nach England geschafft wurden, kam ihr Zeit ihres Lebens zumindest ebensowenig über die Lippen wie dem Bimbeskanzler die Namen der Spender.
Wer so ein Ding über solch eine Distanz aussitzen kann, dem ist in Deutschland die Bewunderung sicher. Und wenn hier und da dann doch eine unangenehme Frage gestellt wird, heißt es: Kritik an Elizabeth? Bitte erst, wenn sich kein Mensch mehr an sie erinnern kann. Dass im selben Jahr, in dem zwei Diktatoren mit erschreckend guten Verbindungen in die deutsche Politik Nachbarländer im Osten Europas überfallen, plötzlich Sensibilität für Kolonialverbrechen der britischen Krone Einzug hält, war vielleicht ohnehin nicht zu erwarten. Denn auch hier heißt es nun: Kritik am aserbaidschanischen Präsidenten Aliyev? Bitte erst, wenn das Land für uns energiepolitisch keine Rolle mehr spielt.
Anyway, mach's gut, Queen, und: Das Foto mit Paddington werde ich nie vergessen.
Come back stronger: Dein Dax Werner
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