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Dax Werners Debattenrückspiegel KW21

Liebe Leser_innen,

diese Woche erlebte ich eine Debatte im privaten Umfeld, die mich regelrecht verstörte. Die jedoch, so glaube ich, eine Menge darüber erzählen kann, warum es mit der Deutschland AG seit Jahren bergab geht. Doch der Reihe nach: Ein befreundetes Pärchen, Sabine und Jürn, beide mit abgeschlossenem GeiWi-Studium und 2017 während des großen Schulzzugs in die SPD eingetreten, beschwerte sich in kleiner Runde darüber, dass die Auslaufzonen der Supermarktkassen in den letzten Jahren immer kürzer geworden sind: Als Kund_in werde man, so die krude Denke, ja regelrecht "gezwungen", die Einkäufe jedes Mal in Rekordtempo zu verstauen, da sonst die gesamte Idee des gestreamlineten Lebensmittel-Einzelhandels ins Stocken gerate. "Ich habe keine Lust mehr, mich von der der perfiden Einzelhandels-Architektur instrumentalisieren zu lassen", erklärte Jürn in seinem proto-revolutionären Bariton, Susanne ergänzte: "I am not your workforce. Das ist neoliberal!"

Ich brach den gemütlichen Grillabend an dieser Stelle ab. Für mich war dieser Vorfall mal wieder BRD unterm Brennglas. Wessen Zeitungslektüre seit Jahren nur noch daraus bestand, paywalllose Rezensionen der neuesten Erbauungsliteratur von Byung-Chul Han zu überfliegen, konnte natürlich nicht wissen, wie viele große Einzelhandelsmarken zuletzt dichtmachen mussten: Galeria Kaufhof, real, Schlecker – you name it. Mein Eindruck war, dass den beiden grundlegende Verständnisse von dem fehlten, was wir den "Gesellschaftsvertrag" nennen. Wer heute als Kunde das volkswirtschaftliche Parkett des Lebensmittel-Einzelhandels betritt, schlüpft eben nicht mehr als Kund*in, sondern auch und vor allem in die Rolle des Dienstleister*in, wird Teil des Unternehmens. Meine Oma sagte immer: Viele Hände, schnelles Ende. Dass man deswegen beim Einkaufen einfach mal mit anpackt, herumliegende Waren wieder einsortiert oder Kund_innen ohne FFP2-Maske aus dem Laden schmeißt und, jawohl, auch ein Auge darauf hat, ob in der Hygiene-Abteilung mal wieder ein Parfüm unbezahlt in die Jackentasche wandert: Für mich schon lange selbstverständlich. Oder, wie ich Augenblicke nach meinem Gespräch mit dem Pärchen klickgeil im Internet schrieb: "Die Fünfziger haben angerufen und wollen ihre Rollenbilder zurück: Stop crediting customers for doing the bare fucking minimum!" Den Post garnierte ich mit einem Privatfoto der beiden beim Abendessen. Ich nahm es von ihrem Instagram-Account, den sie schon vor einer Weile vorsorglich auf “Privat” gestellt hatten. Die Welt da draußen hat ein Recht auf die Wahrheit, dachte ich, als der Screenshot im Bildbearbeitungsprogramm zurechtgecroppt wurde.

Wer wieder sechs Stunden damit zubringen will, eine halbes Kilo Hack, Nudeln und Korn einzukaufen, kann die DDR meinetwegen gern wieder aufbauen, muss dann aber auch mit den Mauertoten leben. Bei vielen fehlt die Bereitschaft, die Ärmel hochzukrempeln, um das westdeutsche Kulturerbe "Supermarkt" am Leben zu halten. Dabei gibt es ja sogar ein paar Hacks, mit denen sich wieder ein ganz kleines bisschen Wirtschaftswunder-Flair in die Kassenschlange zaubern lässt. Statt seine Wunschprodukte stumpf wie ein Fabrik-Roboter aus dem Einkaufswagen zu räumen, kann man das Kassenband auch mit etwas Witz und Dramaturgie bespielen, in dem man die auf dem Laufband drapierten Einkäufe alle paar Dezimeter mit einem seltenen Gemüse oder einer merkwürdigen Frucht würzt, also kleine challenges für den Studenten hinter der Plexiglas-Scheibe einbaut: Ob er den Kassencode für die Cantaloupe-Melone im Kopf hat? Oder muss der Kollege drei Kassen weiter aushelfen?

Lasst uns gemeinsam anpacken, um die Supermarkt-Kultur am Leben zu halten.

Euer Dax Werner




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Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Puh, »Frankfurter Rundschau«!

»Während im Süden Europas weiter enorme Hitze herrscht, sorgt ein kurzweiliges Tief in Deutschland für eine Abkühlung.« Es bleibt aber dabei: Die Tiefs sorgen für Abkühlung, und für die Kurzweil sorgen Deine Sprachkapriolen. Nicht durcheinanderbringen!

Warm grüßt Titanic

 Whaaaaaat, Michael Kretschmer?

Whaaaaaat, Michael Kretschmer?

»Tausende Bürgergeldempfänger könnten arbeiten, verweigern dies jedoch und bekommen so Geld vom Staat, für das die Steuerzahler hart arbeiten.«

Oha, Tausende Menschen? Das ist natürlich skandalös! Das sind ja Zahlen im vierstelligen Bereich. Wie soll sich ein Land wie Deutschland mit einer Einwohnerzahl im lediglich achtstelligen Bereich (das ist nur doppelt so viel!) das leisten können? Unter Umständen sind das ungefähr so viele Menschen, wie in Großröhrsdorf wohnen! Ein Glück, dass Sie, Kretschmer, Geld vom Staat bekommen, um solche Zahlen fachmännisch für uns einzuordnen!

Zählt zur Sicherheit noch mal an den eigenen Fingern nach:

Ihre Titanic

 Kunststück, »Welt«!

Im Interview mit der Rheinischen Post beschwerte sich Sängerin Cyndi Lauper darüber, dass Frauen ständig auf ihr Alter reduziert würden. Aus diesem Statement hast Du, Welt, nicht nur geschafft, einen ganzen Artikel zu stricken, Du hast auch noch äußerst subtil Deinen eigenen Standpunkt zur Causa klargemacht und Laupers Aussage folgendermaßen zusammengefasst: »Popsängerin Cyndi Lauper hält es für sexistisch, Frauen nach ihrem Alter zu fragen: ›Alter ist eine Kategorie, die benutzt wird, um uns kleinzuhalten‹, sagte die 71jährige.«

Wie clever von Dir! Indem Du das Alter genüsslich anmerkst, hast Du es der meckernden alten Frau aber mal so richtig gezeigt! Andererseits: Es nötig zu haben, aus Interviews anderer Zeitungen Artikel zusammenzukloppen – lässt das nicht Dich und Deinen angeblichen journalistischen Anspruch auch ziemlich alt aussehen?

Fragt Dein greises Kollegium von Titanic

 Eine Frage, »Welt«-Newsletter …

Du informiertest Deine Abonnent/innen mit folgenden Worten über die Situation nach dem Hoteleinsturz in Kröv: »Bisher wurden zwei Menschen tot geborgen, weitere konnten verletzt – aber lebend – gerettet werden.« Aber wie viele Menschen wurden denn bitte verletzt, aber leider tot gerettet?

Rätselt knobelnd Titanic

 Etwas unklar, mallorquinische Demonstrant/innen,

war uns, warum wir Euch bei den Demos gegen den Massentourismus immer wieder palästinensische Flaggen schwenken sehen. Wir haben lange darüber nachgedacht, welchen logischen Zusammenhang es zwischen dem Nahostkonflikt und Eurem Anliegen geben könnte, bis es uns einfiel: Na klar, Ihr macht Euch sicherlich stark für eine Zwei-Staaten-Lösung, bei der der S’Arenal-Streifen und das West-Malleland abgeteilt werden und der Rest der Insel Euch gehört.

Drücken die diplomatischen Daumen: Eure Friedenstauben von Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 SB-Kassen

Zu den Seligen, die an Selbstbedienungskassen den Laden kaltblütig übervorteilen, gehöre ich nicht. Im Gegenteil, obwohl ich penibel alle Artikel scanne und bezahle, passiere ich die Diebstahlsicherungsanlage am Ausgang immer in der angespannten Erwartung, dass sie Alarm schlagen könnte. Neulich im Discounter kam beim Griff zu einer Eierschachtel eine neue Ungewissheit hinzu: Muss ich die Schachtel vor dem Scannen wie eine professionelle Kassierkraft öffnen, um zu kucken, ob beim Eierkauf alles mit rechten Dingen zugeht?

Andreas Maria Lugauer

 Hybris 101

Facebook und Instagram, die bekanntesten Ausgeburten des Konzerns Meta, speisen seit kurzem auch private Daten ihrer Nutzer in die Meta-eigene KI ein. Erst wollte ich in den Einstellungen widersprechen, aber dann dachte ich: Ein bisschen Ich täte der KI schon ganz gut.

Karl Franz

 Bilden Sie mal einen Satz mit »AKW«

Der Bauer tat sich seinen Zeh
beim Pflügen auf dem AK W.

Jürgen Miedl

 Steinzeitmythen

Fred Feuerstein hat nie im Steinbruch gearbeitet, er war Rhetoriker! Er hat vor 10 000 Jahren zum Beispiel den Whataboutism erfunden und zu seiner Losung erhoben: »Ja, aber … aber du!«

Alexander Grupe

 Europa aphrodisiakt zurück

Wenn es hierzulande etwas im Überfluss gibt, dann verkalkte Senioren und hölzerne Greise. Warum also nicht etwas Sinnvolles mit ihnen anfangen, sie zu Pulver zerreiben und in China an Tiger gegen Schlaffheit der Genitalien verkaufen?

Theobald Fuchs

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 29.08.:

    Die FR erwähnt den "Björnout"-Startcartoon vom 28.08.

  • 27.08.: Bernd Eilert schreibt in der FAZ über den französischen Maler Marcel Bascoulard.
  • 27.03.:

    Bernd Eilert denkt in der FAZ über Satire gestern und heute nach.

  • 29.01.:

    Ein Nachruf auf Anna Poth von Christian Y. Schmidt im ND.

  • 13.04.:

    HR2 Kultur über eine TITANIC-Lesung mit Katinka Buddenkotte im Club Voltaire.

Titanic unterwegs
10.09.2024 Frankfurt am Main, Club Voltaire »TITANIC-Peak-Preview« mit Stargast Miriam Wurster
13.09.2024 Stade, Schwedenspeicher Ella Carina Werner
14.09.2024 Frankfurt, Museum für Komische Kunst Bernd Pfarr: »Knochenzart«
16.09.2024 Wiedensahl, Wilhelm-Busch-Geburtshaus Hilke Raddatz mit Tillmann Prüfer