Dax Werners Debattenrückspiegel KW16
Liebe Leser_innen,
200 000 Kund_innen hat Netflix von Januar bis März verloren, das sind, auf Deutschland umgerechnet, fast 20 000 zahlende Accounts. Auch die Aktie brach um 25 Prozent ein. Was muss der Streaming-Riese jetzt tun, um sich vor dem freien Fall zu retten? Eine Unternehmensberatung von Dax Werner.
Wenn ein öffentlich-rechtlicher Sender auf einem Sendeplatz 200 000 Zuschauer_innen verliert, ist eigentlich klar, was passieren muss: Man produziert kurzfristig 24 Ausgaben einer neuen Quizshow mit Kai Pflaume und lässt Bernhard Hoëcker in verschiedenen Rollen auftreten. Wieder ein halbes Jahr Ruhe. So easy ist es bei Netflix natürlich nicht.
Dabei ist die Lösung denkbar einfach. Denn wenn ich von mir als repräsentativen Netflix-Kunden ausgehe, der sich gut und gerne mal 45 Minuten lang Trailer ansieht, sich dann nicht entscheiden kann und schließlich entnervt in die Formel 1-Soap "Drive to survive" klickt, könnte das Unternehmen aus Kalifornien eine Menge Geld sparen, in dem es die beworbenen Filme und Serien nur in 10 Prozent aller Fälle auch wirklich produziert. Verirren sich dann doch mal Kund_innen in das Eckart von Hirschhausen-Special "Glück kommt selten allein" bleibt ja immer noch die charmante Fehlermeldung: "Hoppla, da ist etwas schiefgelaufen." Und zwar grundsätzlich.
Sparpotenzial gäbe es auch auf kleineren Posten: So hätte man die deutsche Synchronisierung der Science-Fiction-Mysteryserie "Dark" eigentlich komplett streichen können, denn hierzulande hat die geheimnisvolle Erzählung rund ums Thema Zeitreisen ohnehin niemand verstanden. Vielleicht hätte ich beim beiläufigen Weg-Bingen der drei (?) Staffeln "Dark" sogar mehr Freude gehabt, wenn Netflix statt des Originaltons einfach die Tonspur einer guten alten "Alarm für Cobra 11"-Folge eingefügt hätte? Copy and paste, moderne EDV macht’s möglich.
Dass man im Bereich Synchro bares Geld sparen kann, sobald sich getraut wird, outside the box zu denken, beweist der auch ansonsten verhaltensauffällige Salzburger TV-Sender "Servus TV". Der ließ erst neulich die japanische Fernsehserie "Hanbun, Aoi" von Gisela Schneeberger, Michael Ostrowski, Christian Tramitz und Gerhard Polt in verschiedenen Dialekten synchronisieren. Entsprechend wird die deutschsprachige Fassung jetzt unter dem Titel "Die Vroni aus Kawasaki" vermarktet. Ein starkes innovatives Beispiel für lineares TV und vielleicht auch best practice für Netflix? Mit entsprechend volksnaher Synchronisierung ließen sich Evergreens wie Breaking Bad noch einmal ganz neu verwerten ("Unser Lehrer Dr. White") oder mithilfe von CGI-Technik ganz neu und aufregend erzählen ("Tiger King" zum Beispiel als "Die Bert Wollersheim Story" oder "Squid Game" als "Schlag den Raab - Extrem!").
Eine Maßnahme hat der Streaming-Gigant nun schon angekündigt: Demnächst soll es bezahlbare Abo-Modelle mit Werbepausen geben. Meiner Meinung nach ein Schritt in die richtige Richtung, was jetzt noch zum echten Privatsender fehlt wäre eine Wiederholungsstrecke "Big Bang Theory" von 9 bis 18 Uhr und eine fragwürdige Call-In-Sendung ab 1 Uhr nachts.
Frohes Streamen und bis bald: Euer Dax Werner
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