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Dax Werners Debattenrückspiegel KW 8

Liebe Leser:innen,

Sie müssen mich sich nass geschwitzt vorstellen, wie ich diesen Longread soeben ins Google Doc tippe. Denn hinter uns liegt mal wieder eine außergewöhnliche Kalenderwoche in einem an Aufregungen und Skandalen bislang nicht gerade armen Jahr. Jedoch – wie man nun in einem Zeit-online-Text kurz vor der Bezahlschranke schreiben würde, da, wo langsam der Text verblasst – "der Reihe nach".

Wenn noch etwas dieses Land in Corona-Zeiten selbst vor leeren Studiopublikum-Rängen zusammenhält, dann ist es das dreimal wöchentlich aus Hamburg ausgestrahlte ZDF-Talkformat "Lanz" mit der namensgebenden Tiroler Moderationsmaschine Markus Lanz, der am Donnerstag Jubiläum feierte: 1500 Folgen mit sehr, sehr launigen Runden, sehr, sehr interessanten Lektüren, regelmäßig aufploppenden Erinnerungen an die Fotoreise nach Grönland und der Reportage-Reise in die USA (diese gespaltene Nation, die enttäuschten Menschen in Trump-Land, der rust belt), dem berühmt-berüchtigten Robin-Alexander-Zitat vom Kübel übelriechenden Zeugs, das sich die SPD in schöner Regelmäßigkeit über die eigene Birne kippt und das Lanz inzwischen häufiger rausgekramt hat als sein langjähriges Lieblingszitat von Das Bo aus dem Song "Türlich, türlich" (erschienen im Jahr 2000) – "Ich bring' ihm wieder Tanzen bei und rauch' da auch noch Pflanzen bei" –, Reinhold Messner auf dem Nanga Parbat, Markus Söder im Fleece-Zipper aus München zugeschaltet, Thomas Middelhoff mit Tränen in den Augen, Lauterbach, Bosbach, Kubicki und – wenn sie es gut mit uns meinen: Hajo Schumacher. Bislang galt: Egal wie sehr dieses Land erschüttert wird, egal wie scheiße der Tag im Büro lief – wenn Wir sind Helden das erste C im Titelsong "Nur ein Wort" anschrammeln, kommt man am späten Abend unter der Woche noch mal zusammen und zu sich. Doch an den Rändern beginnt es zu bröckeln.

Denn diese Woche war die Woche der Wut. Erst lud Lanz Heribert Prantl ein, der seit seinem Umzug von der SZ zur Welt offenbar an einer Art persönlichen rebranding arbeitet und den in vielen konservativen Kreisen für seine wissenschaftliche Nüchternheit verhassten Karl Lauterbach anging wie ein wildgewordener Stier: Prantl brüllte durchs Studio, drohte mit seinen Fingern, peitschte sich maximal auf und redete sich selbst in eine noch nie gesehene Rage. Prantl agierte so, wie man sich einen normalen Auftritt des Hobby-Bloggers und Rennradfahrers Don Alphonso bei Lanz vorstellen würde, also wie ein Feuer-Pokémon bei der Transformation oder ein weißer männlicher Kolumnist Ü50, dem man gerade mitgeteilt hat, dass er ab jetzt doch bitte in seinen Texten gendern soll. Schon nach dieser Ausgabe dachte ich, dass mehr Debatte in dieser Woche gar nicht möglich ist, doch dann kam der Donnerstag. Zunächst zitierte Lanz den Oberbürgermeister von Halle in die Aufzeichnung, der sich unter fragwürdigen Umständen eine Ladung geilen Impfsaft für den Eigenbedarf gesichert hatte, und grillte ihn unbarmherziger als Heinz Buschkowsky eine 12er-Packung Bratmaxe von Meica im sommerlichen Schrebergarten: Bernd Wiegandt ging im Grunde noch chancenloser in dieses Match als Axel Schulz bei seinem Boxkampf gegen George Foreman. Auch schon wieder 26 Jahre her. Und als hätte es der Talkshowgott in dieser Jubiläumswoche nicht schon gut genug mit uns gemeint, schaltete die Regie dann auch noch den sachsen-anhaltinischen Ministerpräsidenten Reiner Haseloff auf den 4K-Bildschirm im Studio. Anlass: Haseloffs private Öffnungsstrategie für Sachsen-Anhalt, zwei Tage vorher veröffentlicht.

Und jetzt wurde es so richtig geil. Hinterm Ministerpräsidenten glitzerte die Elbe verdächtig friedlich vor sich hin, und dahinter das makellose Magdeburger Stadtpanorama bei Nacht, Haseloff himself mit einer für TV-Aufzeichnungen eigentlich – das weiß ja selbst ich – ungünstig karierten Krawatte, über allem damit die Botschaft: Ich bin einer von euch, ich kann euch hören. Lanz attackierte von Beginn an auf Höhe der Mittellinie, bohrte nach, warum es der Südkoreaner besser mit der Pandemie hinbekommt als wir. Noch entschärfte Haseloff Lanz’ Aufbauspiel mit einfachen Mitteln: "Südkorea ist eine Insel", "Die Grenze zu Nordkorea ist praktisch dicht." Keine Erkenntnisse, mit denen man das Rad neu erfindet, aber solche, die ihren Zweck erfüllen. Erinnerte mich an einen Rat, den mein guter alter C-Jugendtrainer Berti mir mal mit auf den Weg gegeben hat: "Wenn die Pille in den Fünfer tropft, dann wichs’ dat Dingen in den Himmel!"

Irgendwann ging Haseloff dann von der Abwehr in den Angriff über und warf Lanz indirekt Ahnungslosigkeit vor, lud ihn jedoch noch im gleichen Atemzug zu einem Vor-Ort-Besuch in Sachsen-Anhalt ein. Jeder spürte es zuhause vor der Flimmerkiste deutlich: Der MP nahm das Heft jetzt in der Hand, gab zu Protokoll, dass er über das "Hü und Hott" in Österreich überhaupt nicht diskutieren wolle. Beim Thema Astrazeneca ging es dann richtig zur Sache: Haseloff machte ZDF und ARD für das schlechte Image des Impfstoffs verantwortlich, zwar leiste Lanz gute Aufklärungsarbeit, aber eben erst um 23 Uhr. Schon längst ging es hier nicht mehr nur um das Management der Corona-Pandemie, sondern um die grundsätzliche Formatierung des öffentlich-rechtlichen Fernsehens: "Lassen Sie sich um 20:15 Uhr nach der Tagesschau oder nach heute platzieren und erzählen Sie das genau so wie jetzt hier!" herrschte Haseloff den Moderator an. Für viele Beobachter ging er hier den einen Schritt zu weit, ich hingegen begrüße den neuen Klartext-Haseloff, der das drängendste Problem dieses Landes endlich einmal beim Namen nennt: Warum läuft Lanz so spät? Dieser wollte das Thema (ganz der Profi) nur schnell abfrühstücken, doch Haseloff legte erst richtig los: "Da können wir gern tiefer reingehen! Diese Sendung hier gehört nach vorne und ein Quiz gehört nach hinten!" Der saß! Man kann sich nur vorstellen, welche Panik dieses Interview am Donnerstagabend bei Alexander Bommes und Jörg Pilawa ausgelöst hat.

Am Ende wurde diese Jubiläumswoche der deutschen Talkshowinstitution Lanz mehr als gerecht: So viel realtalk war selten. Hoffen wir, dass Haseloff mit seinen Bestrebungen, Lanz früher zu programmieren, Erfolg behält. Und auf weitere 1500 sehr, sehr spannende und launige Runden.

Euer: Dax Werner




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Briefe an die Leser

 Damit hast Du nicht gerechnet, »Zeit online«!

Als Du fragtest: »Wie gut sind Sie in Mathe?«, wolltest Du uns da wieder einmal für dumm verkaufen? Logisch wissen wir, dass bei dieser einzigen Aufgabe, die Du uns gestellt hast (Z+), erstens der zweite Summand und zweitens der Mehrwert fehlt.

Bitte nachbessern: Titanic

 Ganz, ganz sicher, unbekannter Ingenieur aus Mittelsachsen,

dass Du Deine Verteidigungsstrategie nicht überdenken willst? Unter uns, es klingt schon heftig, was Dir so alles vorgeworfen wird: Nach einem Crash sollst Du einem anderen Verkehrsteilnehmer gegenüber handgreiflich geworden sein, nur um dann Reißaus zu nehmen, als der Dir mit der Polizei kommen wollte.

Die beim wackeren Rückzug geäußerten Schmähungen, für die Du nun blechen sollst, wolltest Du vor dem Amtsgericht Freiberg dann aber doch nicht auf Dir sitzen lassen. Weder »Judensau« noch »Heil Hitler« willst Du gerufen haben, sondern lediglich »Du Sau« und »Fei bitter«. Magst Du das nicht noch mal mit Deinem Rechtsbeistand durchsprechen? Hast Du im fraglichen Moment nicht vielleicht doch eher Deinen Unmut über das wenig höfische Verhalten des anderen Verkehrsteilnehmers (»Kein Ritter!«) geäußert, hattest Deinen im selben Moment beschlossenen Abschied von den sozialen Medien (»Bye, Twitter!«) im Sinn, oder hast gar Deiner verspäteten Freude über die olympische Bronzemedaille des deutschen Ruder-Achters von 1936 (»Geil, Dritter!«) Ausdruck verliehen?

Nein? Du bleibst dabei? Und würdest dafür sogar ins Gefängnis gehen (»Fein, Gitter!«)?

Davor hat fast schon wieder Respekt: Titanic

 Keine Übertreibung, Mathias Richling,

sei die Behauptung, dass die Ampel »einen desaströsen Eindruck bei jedermann« hinterlasse, denn in den vielen Jahren Ihrer Karriere, so schilderten Sie’s den Stuttgarter Nachrichten, hätten Sie es noch nie erlebt, »dass ohne jegliche pointierte Bemerkung allein die bloße Nennung des Namens Ricarda Lang ein brüllendes Gelächter auslöst«.

Aber was bedeutet das? »Das bedeutet ja aber, zu Mitgliedern der aktuellen Bundesregierung muss man sich nichts Satirisches und keinen Kommentar mehr einfallen lassen.« Nun beruhigt uns einerseits, dass Ihr Publikum, das sich an Ihren Parodien von Helmut Kohl und Edmund Stoiber erfreut, wohl immerhin weiß, wer Ricarda Lang ist. Als beunruhigend empfinden wir hingegen, dass offenbar Sie nicht wissen, dass Lang gar kein Mitglied der aktuellen Bundesregierung ist.

Muss sich dazu nichts Satirisches und keinen Kommentar mehr einfallen lassen: Titanic

 Sie, Romancier Robert Habeck,

Sie, Romancier Robert Habeck,

nehmen Ihren Nebenjob als Wirtschaftsminister wohl sehr ernst! So ernst, dass Sie durch eine Neuauflage Ihres zusammen mit Ihrer Ehefrau verfassten Romans »Der Tag, an dem ich meinen toten Mann traf« versuchen, fast im Alleingang dem darniederliegenden Literaturmarkt auf die Sprünge zu helfen. Könnten Sie sich als Nächstes das Zeitschriftensterben vorknöpfen?

Fragt Titanic

 Huhu, »HNA« (»Hessische/Niedersächsische Allgemeine«)!

Mit großer Verblüffung lesen wir bei Dir in einem Testbericht: »Frischkäse ist kaum aus einem Haushalt in Deutschland wegzudenken.«

Och, Menno! Warum denn nicht? Und wenn wir uns nun ganz doll anstrengen? Wollen wir es denn, HNA, einmal gemeinsam versuchen? Also: Augen schließen, konzentrieren und – Achtung: hui! – weg damit! Uuuund: Futschikato! Einfach aus dem eigenen Haushalt weggedacht. Und war doch überhaupt nicht schlimm, oder?

Es dankt für die erfolgreiche Zusammenarbeit und hofft, einen kleinen Denkanstoß gegeben zu haben, wenn nicht gar einen Wegdenkanstoß: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Süße Erkenntnis

Für jemanden, der Pfirsich liebt, aber Maracuja hasst, hält die Welt viele Enttäuschungen bereit.

Karl Franz

 Nachwuchs

Den werdenden Eltern, die es genau mögen, empfehle ich meinen Babynamensvorschlag: Dean Norman.

Alice Brücher-Herpel

 Hellseherisch

Morgen ist einfach nicht mein Tag.

Theo Matthies

 Dilemma

Zum Einschlafen Lämmer zählen und sich täglich über einen neuen Rekord freuen.

Michael Höfler

 3:6, 6:7, 0:6

Der Volontär in der Konferenz der Sportredaktion auf die Bitte, seine Story in drei Sätzen zu erzählen.

Ronnie Zumbühl

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
07.12.2023 Bad Homburg, Kulturzentrum Englische Kirche Pit Knorr & Die Eiligen Drei Könige
09.12.2023 Leipzig, Kupfersaal Martin Sonneborn mit Gregor Gysi
10.12.2023 Kassel, Bali-Kino/Kulturbahnhof Gerhard Henschel
10.12.2023 Frankfurt, Elfer Ella Carina Werner