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Dax Werners Debattenrückspiegel KW 6

Liebe Leser:innen,

Klima, Krise, Kapitalismus – wer sich noch an das Jahr 2019 erinnern kann, weiß: Schon vor Corona stand unsere Welt vor extremen Herausforderungen. Worauf die herkömmlichen, mitunter etwas angestaubt wirkenden Tools der liberalen Demokratie keine Antwort fanden, entpuppte sich jedoch für zwei einfache Jungs aus Berlin-Kreuzberg, Waldemar Zeiler und Philip Siefer, oder, wie sie sich selbst gerne nennen: "Waldophil", als extrem spannende Herausforderung. Egal ob Rassismus, Klimawandel oder Steuersätze für Hygieneartikel: Die Antwort konnte aus Sicht der beiden nur "E-Democracy" lauten. Jedoch ist die liquid democracy spätestens seit den Piraten nicht mehr das nächste große Ding. Es brauchte noch ein Topping, eine Prise basisdemokratisches Glitzer obendrauf. Was wäre also, wenn Waldophil es schaffen, 90 000 Demokratie-Fans im Olympiastadion zusammenzubringen und den Bundestag mit E-Petitionen zu bombardieren? Oder in anderen Worten: Mit einem Super Bowl der Demokratie die gesamte Welt an einem Tag zu "unfucken"? Was passiert, wenn wir uns wieder mal was trauen?

Zwei Jungs mit einem Traum in der Tasche – so lautet das einfache Rezept der neuen Erfolgsdokumentation "Unfck the World" des ProSiebenSat.1-Media-Streaminganbieters Joyn. Und wie immer, wenn Menschen einfach mal outside the box denken anstatt zehn Jahre Genderstudies auf dem Hildegard-von-Bingen-Kräutercampus zu studieren, ist das Gemotze im Internet natürlich groß. In der Dokumentarserie von Finbarr Wilbrink und Sonia Otto werden die schlechtgelaunten Hassposts aus dem Winter 2019 nicht verschwiegen, sondern zum Teil der Erzählung: Jan Böhmermanns obsessive Beschäftigung mit dem Thema findet ebenso Eingang in die Doku wie einige Tweetklassiker zum Thema von Jutta Ditfurth. Man stört sich an der Eventisierung demokratischen Prozederes, an dem Bezahlmodell, das Menschen mit weniger Einkommen ausschließe, und daran, dass das ganze Event im Grunde nur ein riesiges Marketing-Instrument für Waldemar und Philipp sei. Ein absurder Vorwurf, wie mir scheint: Davon abgesehen, dass Waldophil die zwei Gesichter der Kampagne sind, das Event in den Büros ihrer gemeinsamen Firma Einhorn geplant und in Form einer wohlwollenden Dokumentation später an Joyn verkauft wird, kann ich nun wirklich nicht erkennen, dass sich die beiden hier in den Vordergrund spielen. Es sind dies vielleicht auch ganz einfach die typisch deutschen Neiddebatten, denn, so Philip, "in den USA sind politische Events inzwischen vollkommen normal".

Dabei hatte alles so gut angefangen. In den ersten Sekunden begleiten wir Zuschauer:innen Waldophil auf dem Weg ins Berliner Olympiastadion zu den ersten Verhandlungen. Schon wenige Sekunden später ist alles unter Dach und Fach: "Datum ist der 12.06. Haben wir gekriegt. Sie reservieren uns das für drei Monate. Eigentlich zahlt man eine Strafgebühr, wenn man den Termin nicht wahrnehmen kann. Die haben sie uns gewavet! Das ist ein huge success." Philipp und Waldemar sind mir vielleicht auch deshalb so sympathisch, weil sie so reden und denken, wie ich hier in dieser Kolumne schreibe. Vielleicht sind wir so was wie Brüder im Geiste? Entsprechend leide ich mit, als es in Folge 2 "Im Auge des Shitstorms" PR-technisch so richtig zur Sache geht. Ungläubig starren Waldophil auf ihren Laptop, einer murmelt: "Warum schreibt Böhmermann das?"

Und es gibt sie auch, die Momente des Zweifels. Zum Beispiel einmal im Einhorn-Büro, da sitzt Waldemar, gerade aus dem Scheidenkostüm vom Edition F-Kongress geschlüpft, auf einer Couch und sagt zu Philipp: "Vielleicht haben wir auch alles überstürzt." Doch Innovation lebt natürlich von trial and error. Deswegen geht’s in Folge 5, "Aufstehen und Weitermachen", auch ins creative retreat nach Alt-Madlitz mit Maja Göpel, in ein Landhaus, das exakt so aussieht, wie man sich das Anwesen der Kubitscheks in Schnellroda nach den Spiegel-Reportagen immer vorgestellt hat. Lichtdurchflutete Räume, unverputztes Mauerwerk und nach draußen der unverstellte Blick auf die Natur. So ein Ambiente hilft natürlich, sich auf seine Stärken zu besinnen: "Wir haben 50 000 Fans auf Instagram, wir haben mehr als die SPD", philosophiert Zeiler.

Nach einer anonymen Großspende, über deren Ursprung wir leider nichts erfahren, und einem Redesign im Vertriebsmodell schafft man dann, wonach es lange nicht aussah: Die Crowdfunding-Kampagne zum Megaevent in Olympia ist gefuckt. Nachdem das Team gegen alle Wahrscheinlichkeiten und Widerstände also doch noch genug Karten verkaufte, konnte ihnen nur noch ein Katastrophe globalen Ausmaßes einen Strich durch die Rechnung machen: Die Chinaseuche, oder wie es im Titel von Folge 6 heißt: "King Corona". Bei aller Enttäuschung über das geplatzte Event überwiegt für Zeiler zum Schluss trotzdem die Hoffnung: "Es fühlt sich gut an, dass, obwohl das Event jetzt nicht stattfindet, es Leute trotzdem motiviert hat, Sachen zu machen." Eine schöne Beobachtung, die ich bestätigen kann: Die Doku hat mich zum Beispiel motiviert, gegen jede Wahrscheinlichkeit für einen Tag zum Joyn-Kunden zu werden.

Kämpft weiter für seine und eure Träume: 

Euer Dax Werner




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Briefe an die Leser

 Deine Fans, Taylor Swift,

Deine Fans, Taylor Swift,

sind bekannt dafür, Dir restlos ergeben zu sein. Sie machen alle, die auch nur die leiseste Kritik an Dir äußern, erbarmungslos nieder und nennen sich bedingt originell »Swifties«. So weit ist das alles gelernt und bekannt. Was uns aber besorgt, ist, dass sie nun auch noch geschafft haben, dass eine der deutschen Stationen Deiner Eras-Tour (Gelsenkirchen) ähnlich einfallslos in »Swiftkirchen« umbenannt wird. Mit Unterstützung der dortigen Bürgermeisterin und allem Drum und Dran. Da fragen wir uns schon: Wie soll das weitergehen? Wird bald alles, was Du berührst, nach Dir benannt? Heißen nach Deiner Abreise die Swiffer-Staubtücher »Swiffties«, 50-Euro-Scheine »Sfifties«, Fische »Sfischties«, Schwimmhallen »Swimmties«, Restaurants »Swubway« bzw. »SwiftDonald’s«, die Wildecker Herzbuben »Swildecker Herzbuben«, Albärt »Swiftbärt« und die Modekette Tom Tailor »Swift Tailor«?

Wenn das so ist, dann traut sich auf keinen Fall, etwas dagegen zu sagen:

Deine swanatische Tayltanic

 Nachdem wir, »Spiegel«,

Deine Überschrift »Mann steckt sich bei Milchkühen mit Vogelgrippe an« gelesen hatten, müssen wir selbst kurz in ein Fieberdelirium verfallen sein. Auf einmal waberte da Schlagzeile nach Schlagzeile vor unseren Augen vorbei: »Affe steckt sich bei Vögeln mit Rinderwahnsinn an«, »Vogel steckt sich bei Mann mit Affenpocken an«, »Rind steckt sich bei Hund mit Katzenschnupfen an«, »Katze steckt sich bei Krebs mit Schweinepest an« und »Wasser steckt sich bei Feuer mit Windpocken an«.

Stecken sich auf den Schreck erst mal eine an:

Deine Tierfreund/innen von Titanic

 Hello, Herzogin Kate!

Hello, Herzogin Kate!

Ihr erster öffentlicher Auftritt seit Bekanntmachung Ihrer Krebserkrankung wurde von der Yellow Press mit geistreichen Überschriften wie »It’s just Kate to see you again« oder »Kate to have you back« bedacht.

Und bei solchen Wortspielen darf unsereins natürlich nicht fehlen! Was halten Sie von »Das Kate uns am Arsch vorbei«, »Danach Kate kein Hahn« oder »Das interessiert uns einen feuchten Katericht«?

Wie immer genervt vom royalen Kateöse: Titanic

 Oha, »Siegessäule«!

Als queeres und »Berlins meistgelesenes Stadtmagazin« interviewtest Du anlässlich der Ausstellung »Sex. Jüdische Positionen« im Jüdischen Museum Berlin die Museumsleiterin und die Kuratorin und behelligtest die beiden unter anderem mit dieser Frage: »Linke, queere Aktivist*innen werfen dem Staat Israel vor, eine liberale Haltung gegenüber Homosexualität zu benutzen, um arabische und muslimische Menschen zu dämonisieren. Diese Aktivist*innen würden Ihnen wahrscheinlich Pinkwashing mit der Ausstellung unterstellen.«

Nun ist das Jüdische Museum Berlin weder eine Außenstelle des Staates Israel, noch muss man als Journalist/in irgendwelchen »Aktivist*innen« ihre antisemitischen Klischees, dass letztlich doch alle Jüdinnen und Juden dieser Welt unter einer Decke stecken, im Interview nachbeten. So können wir uns aber schon mal Deine nächsten Interviewfragen ausmalen: »Frau Pastorin Müller, Sie bieten einen Gottesdienst zum Christopher Street Day an. Betreiben Sie damit Pinkwashing für den Vatikanstaat?« oder »Hallo Jungs, ihr engagiert euch in einem schwulen Verein für American Football. Betreibt ihr damit nicht Pinkwashing für Donald Trump?«

Wird diese Artikel allerdings nicht mehr lesen: Titanic

 Grüß Gott, Markus Söder!

Weil der bayerische AfD-Chef Sie wiederholt »Södolf« genannt hat und Sie ihn daraufhin anzeigten, muss dieser Ihnen nun 12 000 Euro wegen Beleidigung zahlen. Genau genommen muss er den Betrag an den Freistaat Bayern überweisen, was aber wiederum Ihnen zugutekommt. Ebenjener zahlt Ihnen ja die Honorare für freie Fotograf/innen, von denen Sie sich bei öffentlichen Anlässen gern begleiten und ablichten lassen. Im Jahr 2022 sollen sich die Kosten auf stolze 180 000 Euro belaufen haben.

Vorschlag: Wenn es Ihnen gelingt, die Prasserei für Ihr Image komplett durch Klagen gegen AfD-Mitglieder querzufinanzieren, stoßen wir uns weniger an Ihrem lockeren Umgang mit öffentlichen Geldern.

Drückt vorauseilend schon mal beide Augen zu: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Dialog auf Augenhöhe

Zu meinen Aufgaben als Marketingexperte in einem modernen Dienstleistungsunternehmen gehört es unter anderem, unzufriedene Kunden zu beschwichtigen. Vor kurzem beschwerte sich einer von ihnen darüber, dass wir in unseren Texten immer dieselben Bausteine verwenden. Die Mail ließ mich ganz irritiert zurück. Ein Glück, dass wir für genau solche Anfragen gleich fertige Antworten haben.

Andreas Maier

 Krasse Segregation

Wer bestimmten Gruppen zugehört, wird auf dem Wohnungsmarkt strukturell diskriminiert. Viele Alleinstehende suchen händeringend nach einer Drei- oder Vierzimmerwohnung, müssen aber feststellen: Für sie ist dieses Land ein gnadenloser Apartmentstaat, vor allem in den Großstädten!

Mark-Stefan Tietze

 Der kästnerlesende Bläser

Es gibt nichts Gutes
außer: Ich tut’ es.

Frank Jakubzik

 Räpresentation

Als Legastheniker fühle ich mich immer etwas minderwertig und in der Gesellschaft nicht sehr gesehen. Deshalb habe ich mich gefreut, auf einem Spaziergang durch Darmstadt an einer Plakette mit der Aufschrift »Deutscher Legastheniker-Verband« vorbeizukommen. Nur um von meiner nichtlegasthenischen Begleitung aufgeklärt zu werden, dass es sich dabei um den »Deutschen Leichtathletik-Verband« handele und und umso teifer in mein Loch züruckzufalllen.

Björn Weirup

 Der kästnerlesende Kniebeuger

Es gibt nichts Gutes
Außer man Glutes.

Sebastian Maschuw

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
03.08.2024 Kassel, Caricatura-Galerie Miriam Wurster: »Schrei mich bitte nicht so an!«
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst Die Dünen der Dänen – Das Neueste von Hans Traxler
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst »F. W. Bernstein – Postkarten vom ICH«
09.08.2024 Bremen, Logbuch Miriam Wurster