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Dax Werners Debattenrückspiegel KW 52

Liebe Freund_innen,

die Erzähltheorie unterscheidet, da plaudere ich kein Geheimnis aus, zwischen erlebter Zeit und Erzählzeit. Ein extremes Beispiel ist das Buch Ulysses, das mehr als 1000 eng beschriebene Seiten lang von lediglich einem (!) Tag berichtet. Was für eine irre Verschwendung an Lebensenergie, Bücher für Menschen ohne Hobbies – so hätte man damals, im Jahr 2021, gelästert. Heute stehen die Dinge anders.

Weggefährten des noch immer ofenfrischen Kanzlers Olaf Scholz berichten, dass es sein großer Traum, ja sein eigentlicher Antrieb sei, diese literarische Versuchsanordnung mit seiner Kanzlerschaft noch zu übertreffen. Life imitates art: Wie sehr kann man Zeit dehnen? Lässt sich der Fortgang des Universums mit seinen Planetenläufen, Kometen und schwarzen Löchern entschleunigen, ja vielleicht sogar für vier Jahre pausieren, wenn Olaf Scholz es schafft, nur langsam genug zu sprechen? Fragen, die Scholz seit seiner Zeit als Juso-Kreisvorsitzender in Altona quälen. Eine mögliche erste Antwort lieferte der Hanseat am Silvester-Abend in seiner mit Spannung erwarteten ersten Neujahrsansprache.

Die Bedeutung dieser Ansprache wird klar, wenn man sich vergegenwärtigt, dass YouTube eigens für dieses Video die Funktion "In fünffacher Geschwindigkeit abspielen" eingepflegt hat. Übel nehmen kann man es der Google-Tochter nicht, der Aufruf des Kanzlers sich doch bitte "rasch die dritte Impfung abzuholen" gewinnt natürlich kurzfristig an Dringlichkeit, wenn die Neujahrsansprache, in welche dieser eingebettet ist, nicht bis zur nächsten Silvesternacht dauert. Dennoch: Was kurzfristig gut scheint, muss nicht langfristig gut sein. Denn vielleicht ist Olaf Scholz Kanzlerschaft mitsamt seinem speziellen Sprechtempo ein komplexes Symbol für den Aufbruch in eine neue Ära der Langsamkeit, eine Absage an die Power-Jahre unter Merkel, Seehofer und Co., ein Fanal der Entschleunigung, am Ende vielleicht sogar eine Ode an das süße Nichtstun.

Ein Beispiel aus seiner Rede: "Die andere große Aufgabe ist es, den Grundstein dafür zu legen, dass unser Land weiter gut vorankommt." Wer lediglich mit einem Ohr in fünffacher Geschwindigkeit beim Raclette zuhört, könnte denken, dass sich hier einer wirklich gerade die Ärmel hochkrempelt, um dieses Land zukunftsfit zu machen. Aufschluss verspricht wie immer die Methode des close readings: Wer ankündigt, erst einmal einen "Grundstein zu legen", hat vielleicht vieles vor, mit Sicherheit bewegt er sich die nächste Zeit jedoch nicht vom Fleck: Ist das Grundstück überhaupt als Baufläche ausgeschrieben? Wer finanziert den Bau mit wieviel Eigenkapital? Nur einige der vielen Fragen, die mit Bauamt, Sachverständigen und Architekten abgeklärt werden müssen.

Bis dahin wohnt die Scholz’sche Vision der absoluten Langsamkeit mietfrei in unserem Kopf. Lasst uns dieses neue Jahr, anders als die vielen Jahre davor, ganz langsam aussitzen. So, wie es sich der neue Kanzler wünscht, auch wenn er es noch nicht offen aussprechen kann. Und vielleicht, ja ganz vielleicht gelingt es uns am Ende sogar, die Zeit kurz anzuhalten. Das hier wird unser Jahr.

Euer: Dax Werner

 




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Briefe an die Leser

 Wie kommt’s, »Krautreporter«?

In einem Artikel zum Thema »Konkurrenz im Job« stellst Du die These auf: »Konkurrenz ist nicht so verpönt wie ihr Ruf.« Aber warum? Was hat der Ruf der Konkurrenz denn bitte verbrochen? Womit hat er seinem Renommee so geschadet, dass er jetzt sogar ein schlechteres Image hat als die Konkurrenz selbst? Und weshalb verteidigst Du in Deinem Artikel dann nur die Konkurrenz und nicht ihren Ruf, der es doch viel nötiger hätte?

Ruft Dir fragend zu:

Deine genau im gleichen Ausmaß wie ihr Ruf verpönte Titanic

 Deine Fans, Taylor Swift,

Deine Fans, Taylor Swift,

sind bekannt dafür, Dir restlos ergeben zu sein. Sie machen alle, die auch nur die leiseste Kritik an Dir äußern, erbarmungslos nieder und nennen sich bedingt originell »Swifties«. So weit ist das alles gelernt und bekannt. Was uns aber besorgt, ist, dass sie nun auch noch geschafft haben, dass eine der deutschen Stationen Deiner Eras-Tour (Gelsenkirchen) ähnlich einfallslos in »Swiftkirchen« umbenannt wird. Mit Unterstützung der dortigen Bürgermeisterin und allem Drum und Dran. Da fragen wir uns schon: Wie soll das weitergehen? Wird bald alles, was Du berührst, nach Dir benannt? Heißen nach Deiner Abreise die Swiffer-Staubtücher »Swiffties«, 50-Euro-Scheine »Sfifties«, Fische »Sfischties«, Schwimmhallen »Swimmties«, Restaurants »Swubway« bzw. »SwiftDonald’s«, die Wildecker Herzbuben »Swildecker Herzbuben«, Albärt »Swiftbärt« und die Modekette Tom Tailor »Swift Tailor«?

Wenn das so ist, dann traut sich auf keinen Fall, etwas dagegen zu sagen:

Deine swanatische Tayltanic

 Gemischte Gefühle, Tiefkühlkosthersteller »Biopolar«,

kamen in uns auf, als wir nach dem Einkauf Deinen Firmennamen auf der Kühltüte lasen. Nun kann es ja sein, dass wir als notorisch depressive Satiriker/innen immer gleich an die kühlen Seiten des Lebens denken, aber die Marktforschungsergebnisse würden uns interessieren, die suggerieren, dass Dein Name positive und appetitanregende Assoziationen in der Kundschaft hervorruft!

Deine Flutschfinger von Titanic

 Wurde aber auch Zeit, Niedersächsische Wach- und Schließgesellschaft!

Mit Freude haben wir die Aufschrift »Mobile Streife« auf einem Deiner Fahrzeuge gesehen und begrüßen sehr, dass endlich mal ein Sicherheitsunternehmen so was anbietet! Deine Mitarbeiter/innen sind also mobil. Sie sind unterwegs, auf Achse, auf – um es einmal ganz deutlich zu sagen – Streife, während alle anderen Streifen faul hinterm Büroschreibtisch oder gar im Homeoffice sitzen.

An wen sollten wir uns bisher wenden, wenn wir beispielsweise einen Einbruch beobachtet haben? Streifenpolizist/innen? Hocken immer nur auf der Wache rum. Streifenhörnchen? Nicht zuständig und außerdem eher in Nordamerika heimisch. Ein Glück also, dass Du jetzt endlich da bist!

Freuen sich schon auf weitere Services wie »Nähende Schneiderei«, »Reparierende Werkstatt« oder »Schleimige Werbeagentur«:

Deine besserwisserischen Streifbandzeitungscracks von Titanic

 Mahlzeit, Erling Haaland!

Mahlzeit, Erling Haaland!

Zur Fußballeuropameisterschaft der Herren machte erneut die Schlagzeile die Runde, dass Sie Ihren sportlichen Erfolg Ihrer Ernährung verdankten, die vor allem aus Kuhherzen und -lebern und einem »Getränk aus Milch, Grünkohl und Spinat« besteht.

»Würg!« mögen die meisten denken, wenn sie das hören. Doch kann ein Fußballer von Weltrang wie Sie sich gewiss einen persönlichen Spitzenkoch leisten, der die nötige Variation in den Speiseplan bringt: morgens Porridge aus Baby-Kuhherzen in Grünkohl-Spinat-Milch, mittags Burger aus einem Kuhleber-Patty und zwei Kuhherzenhälften und Spinat-Grünkohl-Eiscreme zum Nachtisch, abends Eintopf aus Kuhherzen, Kuhleber, Spi… na ja, Sie wissen schon!

Bon appétit wünscht Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Reifeprozess

Musste feststellen, dass ich zum einen langsam vergesslich werde und mir zum anderen Gedanken über die Endlichkeit allen Lebens mache. Vor meiner Abreise in den Urlaub vergaß ich zum Beispiel, dass noch Bananen in meiner Obstschale liegen, und dann dachte ich zwei Wochen darüber nach, wie lange es wohl dauert, bis die Nachbarn wegen des Geruchs und der Fliegen aus meiner Wohnung die Kripo alarmieren.

Loreen Bauer

 Dialog auf Augenhöhe

Zu meinen Aufgaben als Marketingexperte in einem modernen Dienstleistungsunternehmen gehört es unter anderem, unzufriedene Kunden zu beschwichtigen. Vor kurzem beschwerte sich einer von ihnen darüber, dass wir in unseren Texten immer dieselben Bausteine verwenden. Die Mail ließ mich ganz irritiert zurück. Ein Glück, dass wir für genau solche Anfragen gleich fertige Antworten haben.

Andreas Maier

 Räpresentation

Als Legastheniker fühle ich mich immer etwas minderwertig und in der Gesellschaft nicht sehr gesehen. Deshalb habe ich mich gefreut, auf einem Spaziergang durch Darmstadt an einer Plakette mit der Aufschrift »Deutscher Legastheniker-Verband« vorbeizukommen. Nur um von meiner nichtlegasthenischen Begleitung aufgeklärt zu werden, dass es sich dabei um den »Deutschen Leichtathletik-Verband« handele und und umso teifer in mein Loch züruckzufalllen.

Björn Weirup

 Lifehack von unbekannt

Ein Mann, der mir im Zug gegenüber saß, griff in seine Tasche und holte einen Apfel heraus. Zu meinem Entsetzen zerriss er ihn mit bloßen Händen sauber in zwei Hälften und aß anschließend beide Hälften auf. Ich war schockiert ob dieser martialischen wie überflüssigen Handlung. Meinen empörten Blick missdeutete der Mann als Interesse und begann, mir die Technik des Apfelzerreißens zu erklären. Ich tat desinteressiert, folgte zu Hause aber seiner Anleitung und zerriss meinen ersten Apfel! Seitdem zerreiße ich fast alles: Kohlrabi, Kokosnüsse, anderer Leute Bluetoothboxen im Park, lästige Straßentauben, schwer zu öffnende Schmuckschatullen. Vielen Dank an den Mann im Zug, dafür, dass er mein Leben von Grund auf verbessert hat.

Clemens Kaltenbrunn

 Claims texten, die im Kopf bleiben

Ist »Preissturz bei Treppenliften« wirklich eine gute Catchphrase?

Miriam Wurster

Vermischtes

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Das schreiben die anderen

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03.08.2024 Kassel, Caricatura-Galerie Miriam Wurster: »Schrei mich bitte nicht so an!«
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst Die Dünen der Dänen – Das Neueste von Hans Traxler
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